Die Chemieindustrie findet in den USA gute Standortbedingungen vor. An der Golfküste entstehen Anlagen für Flüssigerdgas. Auch deutsche Unternehmen bauen ihre Produktion aus.
Nach China sind die Vereinigten Staaten der weltweit zweitgrößte Produzent von chemischen Erzeugnissen. Laut Angaben des Marktforschungsunternehmens IBISWorld gab es 2023 rund 3.800 Hersteller in den USA. Zusammen verfügen die Unternehmen über etwa 11.500 Betriebsstätten.
Die Branche deckt die gesamte Bandbreite von Grundchemikalien, chemischen Zwischenerzeugnissen und Spezialchemikalien ab. Wichtige Segmente sind Agrarchemikalien, Kfz-Chemie, Substanzen zur Wasserbehandlung, Kleb- und Dichtstoffe sowie industrielle Gase.
Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in den USA Produktionsindizes *)Sparte | 2021 | 2022 | 2023 |
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Chemische Erzeugnisse (außer Pharmazeutika und Arzneimittel) | 89,8 | 92,8 | 94,1 |
Organische Chemikalien | 87,2 | 82,2 | 85,3 |
Anorganische Basischemikalien | 87,6 | 93,4 | 97,8 |
Harz, Synthesekautschuk und -fasern | 92,8 | 91,9 | 87,5 |
Agrarchemikalien | 84,6 | 99,3 | 110,6 |
Farben, Lacke und Klebstoffe | 81,3 | 98,7 | 107,8 |
Seifen und Körperpflegemittel | 103,1 | 101,7 | 99,0 |
* saisonbereinigt, Jahresdurchschnitt, 2017 = 100.Quelle: Federal Reserve 2024
Neue LNG-Großanlagen werden gebaut
Über die größten Kapazitäten verfügt mit insgesamt 129 Raffinerien die Petrochemie. Die Anlagen produzierten im Jahr 2023 insgesamt 18,1 Millionen Barrel Kraftstoffe am Tag. Große Kapazitätserweiterungen sind in den kommenden Jahren nicht zu erwarten. Vielmehr plant LyondellBasell für 2025 die Stilllegung der Raffinerie in Houston (264.000/Barrel pro Tag).
Auf Hochtouren läuft hingegen der Ausbau der Terminals für Flüssigerdgas (LNG), das in den USA durch das umstrittene Fracking gewonnen wird. Mit einer bereits installierten Kapazität von rund 104 Millionen Tonnen sicherten sich die USA 2023 den Titel des Exportweltmeisters für LNG. Und verwiesen Staaten wie Katar und Australien auf die Plätze. (SOHE hier fehlt doch etwas, oder?)
Durch sich im Bau befindliche Gasverflüssigungsanlagen, insbesondere in den Bundesstaaten Louisiana und Texas, kommt bis 2027 eine Kapazität von 42 Millionen Tonnen hinzu. Zu den Vorhaben zählt das gigantische Plaquemines-Projekt, welches pro Jahr 24 Millionen Tonnen LNG produzieren kann.
US-Präsident Biden legte Anfang 2024 neue Exportvorhaben zumindest vorübergehend auf Eis. Dies hat allerdings keine Auswirkungen auf Projekte, die bereits genehmigt sind, sich aber noch nicht im Bau befinden. Allein dadurch könnten weitere LNG-Kapazitäten von mindestens 63 Millionen Tonnen entstehen.
Günstige Standortbedingungen sorgen für Investitionen
Die reichhaltige und kostengünstige Verfügbarkeit von Erdgas ist einer der Hauptgründe für die guten Standortbedingungen, welche die Chemieindustrie in den USA vorfindet. Die Erdgaspreise im als Benchmark geltenden Henry Hub fielen im Februar 2024 auf den niedrigsten Stand seit 27 Jahren. Hinzu kommen niedrige Energiekosten. Laut der Energy Information Authority (EIA) lag der durchschnittliche Industriestrompreis im November 2023 bei 7,90 US-Dollar (US$) pro Megawattstunde. In Deutschland sind die Stromkosten mehr als doppelt so hoch.
Die US-Chemieindustrie kann deshalb in die Zukunft ihrer Standorte investieren. Laut Angaben des American Chemistry Council (ACC) betrugen die investiven Ausgaben im Jahr 2023 rund 27,2 Milliarden US$. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies ein Plus von 4,3 Prozent. Für den Zeitraum 2024 bis 2026 wird ein durchschnittliches Wachstum von 2,3 Prozent erwartet.
Deutsche Unternehmen sind auf Investitionskurs
Auch deutsche Chemiekonzerne bauen ihre Anlagen in den USA aus. BASF steckt bis 2025 rund 780 Millionen US$ in die Erweiterung der Fertigungsstätte Geismar, Louisiana. Evonik erhöht die Produktion von Kieselsäure in Charleston, South Carolina, bis 2026 um die Hälfte.
Das einstige deutsche Traditionsunternehmen Linde entwickelt sich zu einem der wichtigsten Wasserstoffproduzenten in den USA. In Texas errichtet es eine Anlage, welche den Düngemittelhersteller OCI mit blauem Wasserstoff und Stickstoff beliefern soll. Der Konzern mit Hauptsitz in Irland beziffert das Investitionsvolumen auf 1,8 Milliarden US$. Zudem erweitert Linde in Kalifornien die Kapazitäten für grünen Wasserstoff.
Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in den USAAkteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. US$) | Geplante Fertigstellung | Anmerkung |
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Chevron Phillips/Qatar Energy Golden Triangle Polymers | 8.500 | 2026 | Polymerproduktion in Orange, Texas; Kapazität von 2,1 Millionen Tonnen Ethylen und 2 Millionen Tonnen Polyethylen pro Jahr |
Air Products and Chemicals Louisiana Clean Energy Complex | 7.000 | 2026 | Herstellung von blauem Wasserstoff/Ammoniak in Darrow, Louisiana; Wasserstoffkapazität von mehr als 21,2 Mio. Kubikmeter pro Tag |
HIF Global eFuels-Anlage | 6.000 | 2027 | Herstellung von synthetischen Kraftstoffen in Matagorda, Texas, auf der Basis von grünem und blauem Methanol; Kapazität von 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr |
Formosa Plastics Sunshine Project | 9.400 | Baustart unklar Genehmigung noch nicht erteilt | Herstellung von Polymeren in St. James, Louisiana; Kapazität von 2,4 Mio. t Ethylen für u.a. 800.000 t LLDPE und HDPE pro Jahr |
LG Chemicals Kathodenherstellung | 3.200 | 2027 | Herstellung von Kathodenaktivmaterial in Clarksville, Tennessee, mit einer Kapazität von 120.000 t pro Jahr |
Lake Charles Methanol II | 3.200 | 2027 | Herstellung von emissionsarmem Methanol in Lake Charles, Louisiana; Kapazität von 3,6 Millionen Tonnen pro Jahr |
Mitsubishi Chemical | 900 | 2025 | Herstellung von Methylmethacrylat in Geismar, Louisiana; Kapazität von 350.000 t pro Jahr |
Koura Chemicals Batteriechemikalien | 800 | 2027 | Herstellung von Lithiumhexafluorophosphat (11.000 t pro Jahr) und R-142b (44.000 t pro Jahr) in St. Gabriel, Louisiana |
Epsilon Advanced Materials Anodenmaterial | 650 | 2026 | Herstellung von Graphitanoden in Clarksville, Tennessee; Kapazität von 50.000 Tonnen pro Jahr |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024
Für Bewegung sorgen auch Batteriehersteller, welche in den USA eine Gigafactory nach der anderen hochziehen. Bis 2028 könnte eine Gesamtkapazität von mehr als 1.000 Gigawattstunden entstehen. Dadurch steigert sich beispielsweise die Nachfrage nach Fluorkunststoffen, die für Batterien gebraucht werden.
Gleichzeitig löst die Förderung durch den Inflation Reduction Act (IRA) eine Investitionswelle entlang der gesamten Batteriewertschöpfungskette aus. BASF gehört zu einer Reihe von Unternehmen, welche die Produktion von Kathodenmaterial starten. Lanxess ist in El Dorado, Arkansas, zusammen mit dem kanadischen Unternehmen Standard Lithium an einem Lithiumprojekt beteiligt.
Vielzahl an regionalen Chemieclustern
Der heterogene Charakter der Chemieindustrie und die engen Verbindungen zu anderen Wirtschaftszweigen machen sich auch geografisch bemerkbar. So verfügen fast alle US-Staaten über chemische Produktionskapazitäten. Dennoch haben sich klare regionale Schwerpunkte herausgebildet.
Für die Produzenten chemischer Grundstoffe auf Erdöl- und Erdgasbasis ist unter anderem die Nähe zu den Förderstätten und Häfen wichtig. Rund 90 Prozent der petrochemischen Produktion ballt sich deshalb in den Bundesstaaten Texas und Louisiana. Auch die Herstellung von Basischemikalien und Kunststoffen konzentriert sich stark an der US-Golfküste.
Nach Texas und Louisiana ist Ohio der drittwichtigste regionale Chemie-Cluster in den USA, unter anderem mit Stärken in der Kunststoff- und Gummiindustrie. Die Unternehmen sind vor allem im südwestlichen Teil des Bundesstaates ansässig, entlang der Achse Cincinnati–Dayton, aber auch im Städtedreieck Cleveland, Akron und Youngstown im Nordosten.
Der Mittlere Westen ist ein Zentrum für die Herstellung von Agrarchemikalien und trägt rund ein Drittel zur Produktion in diesem Segment bei. Er sowie der Südosten der USA sind zudem führend bei Spezialchemikalien. Auch viele Hersteller von Haushaltschemie haben ihren Sitz in den südöstlichen Bundesstaaten.
Regionale Schwerpunkte in der US-ChemieproduktionRegion | Schwerpunkte |
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Golfküste | Petrochemikalien, Grundchemikalien, Polymere, Kunstharze, Synthesekautschuk |
Mittlerer Westen | Agrarchemikalien, Kunststoffe, Farben |
Ohio Valley | organische Chemikalien, Kunststoffe, Spezialchemikalien |
Mittelatlantik | Konsumgüter |
Südosten | anorganische Chemikalien, Fasern, Konsumgüter, Batteriechemikalien |
Nordosten | Konsumgüter, Spezialchemikalien |
Westküste | Grundchemikalien, Agrarchemikalien, Konsumgüter |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023
Die Stärke der US-Chemie zeigt sich auch in der Unternehmenslandschaft. Die USA haben weltweit agierende Branchengrößen wie Dow, ExxonMobil, Chevron oder DuPont hervorgebracht. Aber auch aus anderen Staaten stammende Chemiekonzerne wie Formosa Plastics (Taiwan), SABIC und Saudi Aramco (beide Saudi-Arabien) betreiben Großanlagen für chemische Erzeugnisse.
Wichtige Branchenunternehmen in den USAUnternehmen | Sparte | Umsatz 2022 (in Mrd. US$) |
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Dow | Chemieproduktion | 56,9 |
ExxonMobil | Petrochemikalien | 47,5 |
LyondellBasell Industries | Chemieproduktion | 39,5 |
Mosaic | Düngemittel | 19,1 |
Chevron Phillips Chemical | Petrochemikalien | 14,2 |
DuPont | Chemieproduktion | 13,0 |
Air Products and Chemicals | Industriegase | 12,7 |
CF Industries | Düngemittel | 11,2 |
Westlake Chemical | Petrochemikalien | 11,0 |
Eastman Chemical | Chemieproduktion | 10,6 |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023
Von Heiko Stumpf
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San Francisco