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Special | Italien | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Italien – Pragmatismus statt Ideologie

Auch Italien bekämpft den Klimawandel, konzentriert sich aber auf machbare Projekte. Diese sollen Bürgern und Unternehmen möglichst auch kurzfristig wirtschaftlich dienen. 

Von Oliver Döhne | Mailand

  • Klimastrategie: Realistische Übergangslösungen

    Italien orientiert sich an den europäischen Zielen, will aber mögliche Instrumente erst noch testen. Im Mittelpunkt stehen vorerst Kompromisslösungen mit Gas.  

    Italien ist kein grüner Hardliner. Schon der vorherige Premierminister Mario Draghi ließ sich zu keinen allzu gewagten Ansagen hinreißen. Unter Giorgia Meloni ist das Thema nun laut Beobachtern in der Prioritätenliste noch etwas weiter nach hinten gerutscht. Zu begrenzt ist das realistische Ausbaupotenzial von erneuerbaren Energien, mit einer gewissen Ausnahme bei der Fotovoltaik.

    Stattdessen will Italien in der Übergangsphase seine Stärke in der Gasdistribution ausspielen, zum Beispiel über beigemischten Wasserstoff und mit dem Gemisch betriebene elektrische Industrieöfen mit eigener Technologie. So kann der Schadstoffausstoß der Schwerindustrie deutlich gesenkt werden. Auch im Lkw-Transport und auf nichtelektrifizierten Zugstrecken könnte Wasserstoff zum Einsatz kommen. Die großzügigen Anreize für die energetische Sanierung von Wohnhäusern und für den Kauf umweltfreundlicher Autos laufen weiter, wenn auch mit rückläufiger Förderquote. 

    Italien: Klimabilanz im Jahr 2022

    Indikator

    Italien

    Deutschland

    Bevölkerung (in Mio.)

    58,8

    83,2

    Ranking Italiens im Climate Change Performance Index (CCPI) 1)

    Rang: 29

    Punktezahl: 52,90

    Rang: 16
    Punktezahl: 61,11

    Anteil Italiens an den weltweiten Treibhausgasemissionen (in %)

    0,87

    1,42)

    CO2-Ausstoß gesamt (in Mio. t /2021)

    305

    675

    CO2-Ausstoß pro Kopf (in t CO2 / Kopf 2021)

    5,2

    8,1

    Emissionsintensität der Wirtschaft (in kg CO₂/BIP3))

    0,2

    0,2

    Energieintensität der Wirtschaft (in MJ4)/2015 US$ PPP5))6)

    2,7

    2,86)

    1 2023, Rang von 64; 2 2020; 3 Bruttoinlandsprodukt; 4 Megajoule; 5 Purchasing Power Parity (Kaufkraftparität); 6 2019.Quelle: CCPI 2023; Climatewatch 2023; Global Carbon Atlas 2023; IEA 2023; Enerdata 2022

    Italien hat in den vergangenen Jahren, nach Abzug des Coronaeffekts, kontinuierlich weniger CO₂ ausgestoßen. Es liegt aber, nicht zuletzt aufgrund seiner hohen Industriedichte, beim Gesamtausstoß in den vorderen Rängen Europas und weltweit laut Global Carbon Atlas auf Platz 18.

    Größte Schadstoffquellen sind der Verkehr und Italiens noch immer fossillastige Energieerzeugung. Auch energieintensive Industrien wie Stahl, Metall, Chemie, Pharmazie, Glas, Keramik und Papier sind für hohe Emissionen verantwortlich. Bei Einbezug der indirekt verursachten Emissionen − beispielsweise durch Wärme und Strom − ist auch der Wohnsektor in seinem überalterten Zustand eine größere Schadstoffquelle. 


    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Klimaziele: Europäische Richtwerte mit kleinen Abweichungen

    Italien verfolgt grundsätzlich die europäischen Klimaziele und hat ein umfangreiches Förderinstrumentarium aufgelegt. 

    Übergeordnetes Ziel ist die europäisch vereinbarte Klimaneutralität bis 2050. Im Nationalen Klima- und Umweltplan Italiens von Ende 2019, der noch immer das offizielle Bezugsdokument ist, will Italien bis 2030 mindestens 33 Prozent seiner Treibhausgasemissionen aus Nichtenergiesektoren gegenüber 2005 reduzieren. Auf den von der Europäischen Union (EU) gewünschten Wert (40 Prozent weniger CO₂-Ausstoß in allen Sektoren im Vergleich zu 1990) geht Italien nicht ein. Das könnte daran liegen, dass gerade 2005 in Italien ein besonders hoher CO₂-Ausstoß registriert wurde. Als Rechtfertigung führte der Plan Italiens bisherige hohe Schadstoffsenkungen an. Nach den ehrgeizigeren Zielen von Fitfor55 der EU wird Italien seine Ziele bis 2030 hochschrauben müssen. 

    Neuauflage des nationalen Klimaplans ist fällig

    Für die fällige Neuauflage des italienischen Klimaplans deutete Roberto Cingolani, Minister für den ökologischen Übergang, zwischenzeitlich 51 Prozent weniger Treibhausemissionen gegenüber 1990 an. Er spricht aber nach Kritik an dieser weiterhin vorhandenen Abweichung von den europäischen Vorgaben mittlerweile wieder von "55 Prozent", wenn auch ohne Bezugsjahr. Würde er sich auf das Bezugsjahr 1990 beziehen, müsste der Treibhausgasausstoß bis 2050 auf unter 200 Millionen Tonnen sinken. 

    Im Nationalen Klima- und Umweltplan stehen für die Energieerzeugung und die energieintensiven Branchen eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes von 43 Prozent und für Transport, Wohnungen, Dienstleistungssektor und die übrigen Industriesektoren insgesamt eine Einsparung von 30 Prozent. Diese Werte sollten in der Aktualisierung steigen. Für den Zivilsektor (Wohnungen und Dienstleistungen) entspricht das für die Zeit zwischen 2020 und 2030 einer Einsparung von 20 Millionen Tonnen CO₂, für den Transportsektor sind es 16 Millionen Tonnen CO₂ und für die Industrie 7 Millionen Tonnen CO₂.

    Emissionswerte und Ziele Italiens (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten)

    Jahr

    Treibhausgasemissionen

    1990

    440

    2000

    471

    2010

    436

    2020 (Ist)

    304

    2020 (Ziel) *)

    412

    2030 (Ziel)

    198-232

    2050 (Ziel)

    65-85

    *) der Nationalplan wurde vor 2020 aufgestelltQuelle: Global Carbon Atlas 2021, Italienisches Umweltministerium 2022, Istituto Superiore per la Protezione e la Ricerca Ambientale (ISPRA) 2021

    Für die Zeit von 2030 bis 2050 soll dann der Treibhausgasausstoß laut der langfristigen Energiestrategie Italiens auf 65 Millionen bis 85 Millionen Tonnen sinken. Davon kämen 50 Megatonnen CO₂-Äquivalent aus den Nichtenergiesektoren wie der Landwirtschaft und Industrieprozessen, während die Energieindustrie 15 bis 35 Megatonnen CO₂-Äquivalent verursachen würde. Etwa 45 Megatonnen CO₂-Äquivalent werden über Wälder absorbiert. Die restlichen circa 20 bis 40 Megatonnen CO₂-Äquivalent sollen laut Plan über Carbon Capture Storage and Usage, die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund, oder noch zu entwickelnde neue Technologien kompensiert werden.

    Siehe auch: Wie grün ist Italiens Recovery Plan?

    Notfallpläne wegen des Ukrainekriegs sollen grüne Wende nicht aufhalten

    Die hohen Strompreise in Verbindung mit dem Angriffskrieg in der Ukraine haben im Jahr 2022 zu Notfallaktionen seitens der Regierung geführt, die im Widerspruch zu den Klimazielen stehen. So fuhr sie zwei Kohlekraftwerke wieder hoch und setzt auch die Gasversorgung aus anderen Herkunftsländern als Russland oben auf die Agenda. Außerdem erhalten große Energieunternehmen und Stromerzeuger Zuschüsse zum Gaskauf aus dem Ausland. Minister Cingolani betonte aber, dass dieser Notfallplan die europäischen Klimaziele nicht gefährden dürfe. 

    Regierung setzt vor allem auf Förderung

    Um die Klimaziele zu erreichen, setzt die Regierung auf Anreize und Verpflichtungen. Anreize in Form hoher Steuergutschriften gehen an Hausbesitzer, die in Energiesparmaßnahmen investieren. So sind zum Beispiel bei der Verbesserung um zwei Energieklassen Steuergutschriften in Höhe von bis zu 110 Prozent der investierten Summe möglich. Auch für Kommunen und Städte gibt es Förderprogramme, um die Energieeffizienz zu steigern. Weitere Mittel stehen für den Kauf von elektrischen oder Hybridfahrzeugen zur Verfügung.

    Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung grüner Technologien investieren, erhalten Steuergutschriften. Diese decken 2022 noch 15 Prozent von Investitionen bis zu 2 Millionen Euro pro Jahr ab. Ab 2023 sinkt der Fördersatz auf 10 Prozent, während die förderfähige Summe auf 4 Millionen Euro pro Jahr steigt. Für den Kauf von modernem digitalen Equipment, das zu mehr Effizienz in den Produktionsprozessen führt, stehen 2022 noch Steuergutschriften von 10 bis 40 Prozent bereit, ab 2023 liegen diese Sätze zwischen 5 und 20 Prozent. 

    Grüne Maßnahmen der Regierung (Auswahl)
    • Steuergutschriften für energetische Haussanierung
    • Kaufanreize für E-Autos
    • Finanzierungshilfe und Zuschüsse für Forschung und Entwicklung grüner Technologien
    • Anreize für den Kauf von digitaler, effizienzsteigernder Ausrüstung und Software
    • Teilnahme am europäischen Emissionshandel
    • Weiße Energieeffizienzzertifikate
    • E-Flotte im öffentlichen Nahverkehr
    • Bahn- und Hafenausbau/Intermodalverkehr
    • Auktionen für innovative erneuerbare Energieerzeugung
    • Sonderförderung strategischer Großprojekte
    • Wasserstofftest auf Bahn- und Lkw-Strecken

    Strom- und Gasanbieter mit mehr als 50.000 Endkunden sind verpflichtet, eine jährlich steigende Menge an Energie zu sparen oder in entsprechender Höhe weiße Zertifikate (certificati bianchi) zu erwerben. Energie-, Bau- und Industrieunternehmen, Dienstleister und andere Akteure können für jede Tonne eingespartes Erdöläquivalent ein weißes Zertifikat erhalten und damit auf der Plattform der staatlichen Energiebehörde GSE oder bilateral handeln. Den Ausbau innovativer Energieerzeugung fördert die Regierung in speziellen Auktionen und zahlt dem Gewinner Zuschüsse pro produzierter Megawattstunde.

    Italien nimmt am europäischen Emissionshandel (EU ETS) teil und gab 2021 mit 47,3 Millionen Quoten rund 8,1 Prozent der europäischen ETS-Quoten auf den Markt. Damit verdoppelte das Land die Zahl der Quoten gegenüber dem Vorjahr, die auf dem Markt etwa 2,5 Milliarden Euro ergaben. 

    Strategische Großprojekte gegen den Klimawandel - zum Beispiel industrielle Prototypen der Dekarbonisierung durch Wasserstoff - wird die Regierung über spezielle Entwicklungsverträge (contratti di sviluppo) fördern. Der Test und die Entwicklung von Wasserstofftechnologien erhalten zusätzliche Mittel. 

    Die nachhaltige Mobilität unterstützt das Land durch massive Investitionen, so beispielsweise durch den Ausbau des Bahnnetzes und des öffentlichen Nahverkehrs. Ausschreibungen der Regionen und des öffentlichen Sektors im Rahmen des Recovery Fonds werden unter anderem auf der Seite Italia Domani veröffentlicht. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Klimagesetze: Europa gibt die Richtung vor

    Als Mitglied der Europäischen Union (EU) folgt Italien den europäischen Klimaschutzverordnungen. Es folgen einige ausgewählte Dekrete auf nationaler Ebene. 

    Basis der Klimaschutzverpflichtungen Italiens ist die Gesetzgebung der EU. Die EU-Verordnung zur Klimaneutralität 2050 wurde in Italien mit dem Gesetz Decreto Clima 111/2019 umgesetzt, in dem sich Italien verpflichtet, dringende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Verbesserung der Luftqualität zu ergreifen.

    Die Richtlinie (EU) 2018/2001 zu Erneuerbaren Energien fand in Italien ihre Umsetzung im Gesetzesdekret RED II vom 8.11.21, in dem Themen wie Anreize und Ausschreibungen, Regeln für Selbstversorger und bürokratische Vereinfachung behandelt werden. Mitte 2023 war das dazugehörige Dekret zur Identifizierung geeigneter Flächen für Erneuerbare Energien (Decreto Aree Idonee) laut Energieminister Pichetto in fortgeschrittenem Stadium. Das Dekret formuliert Eigenschaften von Flächen (auch Agrarflächen), für die automatisch eine einfachere Genehmigung für die Installation von Wind- und Solarenergieanlagen gilt. Im Anschluss müssen die Regionen und autonomen Provinzen ihrerseits innerhalb von 180 Tagen die geeigneten Flächen identifizieren. Hier rechnen Beobachter noch mit Potenzial für Verzögerungen, da die Positionen der Regionen durchaus unterschiedlich sind. 

    Die geplanten Maßnahmen wurden im Nationalen Plan für Energie und Klima Ende 2019 formuliert (englische Version). Aufgrund der verschärften Pläne Europas (Fitfor55) steht eine Aktualisierung des Nationalen Plans Italiens an, die am 30. Juni 2023 nach Brüssel ging, dort begutachtet wird und bis Juni 2024 verabschiedet werden soll. Im bisherigen Plan steht das EU-Ziel, die Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, so nicht. Es wurden zum Teil andere Bezugsjahre gewählt.

    Italiens Recovery Plan umfasst die wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen bis 2026. 

    Das Pariser Klimaschutzabkommen wurde mit dem Gesetz 204/2016 in italienisches Recht umgesetzt. 

    Linie der italienischen Energiepolitik sind eher Anreize als Strafen.  


    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Investitionen: Grüne Maßnahmen im Fokus des Recovery Fonds

    Insgesamt 70 Milliarden Euro will Italien bis 2026 in den grünen Wandel investieren.

    Die Schwerpunkte der italienischen Investitionen gegen den Klimawandel sind die Agrar- und Kreislaufwirtschaft, die nachhaltige Mobilität sowie die Energiewende, welche Auktionen für erneuerbare Energien und effizientere Gebäude mit einschließt. Hinzu kommen der Ressourcen- und Bodenschutz.

    Neuer Schwung für moderne Agrar- und Kreislaufwirtschaft

    Für nachhaltige Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft sind im Recovery Plan rund 7 Milliarden Euro vorgesehen. Im Agrarsektor liegt der Fokus unter anderem auf den Themen umweltfreundliche Fahrzeuge, weniger Pestizide, mehr Effizienz durch Precision Farming, weniger Wasserverluste durch Monitoring und Reparaturen, Einsatz von Biogas, effizientere Logistik und Lagerung sowie Fotovoltaik. In der Kreislaufwirtschaft fließen Gelder in die Abfallsammlung und -behandlung. Auch das Recycling steht auf der Agenda. Gefördert werden auch Vorzeigeprojekte autarker Kreislaufsysteme (green communities) in abgelegeneren, ländlichen oder bergigen Regionen. Ferner sind öffentlichkeitswirksame Maßnahmen für mehr Umweltbewusstsein vorgesehen. 

    Viele Investitionen in nachhaltige Mobilität und Energiewende

    Für nachhaltige Mobilität und Energietransition sind im Plan rund 25 Milliarden Euro vorgesehen. Im Mobilitätssektor will Italien seine Flotte durch umweltfreundliche Busse, Züge, Feuerwehr- und Flughafenfahrzeuge ersetzen. Auch Radwege und öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, Straßen-, U- und Seilbahnen sollen ausgebaut werden. Ferner sollen wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf Schienen und den Straßen fahren. Eine lokale Wasserstoffproduktion soll die hierfür notwendigen Ladestationen speisen.

    Energieintensiven Branchen will die Regierung beim Übergang zur Nutzung klimafreundlicher Energie helfen. Der Recovery Fonds sieht hier vorerst 2 Milliarden Euro für zwei Pilotprojekte vor, in deren Verlauf industrielle Prototypen entwickelt werden sollen. Bei diesen werden bis zu 90 Prozent der fossilen Brennstoffe durch grünen Wasserstoff ersetzt. Auch verlassenen Industrieregionen soll Wasserstoff neues Leben einhauchen. Als Vorbildprojekte für die Umwandlung alter Raffinerien oder Stahlanlagen in umweltfreundliche Bioraffinerien beziehungsweise grüne Stahlwerke sollen ebenfalls zwei Vorhaben gesponsert werden. Ziel der Förderung ist zudem der Ausbau von Windkraft, Biomethan, Geothermie, Solarthermie und Wasserstoff. 

    Auktionen für erneuerbare Energie 

    Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen läuft hauptsächlich über die Versteigerung von Kapazitäten im Rahmen des Decreto FER-Mechanismus (Fonti Energia Rinnovabile, erneuerbare Energiequellen). Bei innovativen oder noch nicht wettbewerbsfähigen Energiequellen erhalten die Stromproduzenten pro erzeugter Megawattstunde Zuschüsse. Das Förderpaket FER 1 für etablierte erneuerbare Energien wird verlängert, nicht vergebene Kapazitäten unter verbesserten Rahmenbedingungen erneut auf den Markt gebracht.

    Das (bei Redaktionsschluss noch ausstehende) Förderpaket FER 2 ist eher an innovative Verfahren adressiert. Hierzu zählen schwimmende Offshore-Windkraftanlagen, die ab dem Jahr 2025 oder auch erst ab 2026 rund die Hälfte der jährlich hinzukommenden Kapazität ausmachen sollen. Die Vergabe neuer Kapazitäten erfolgt über Auktionen. Als Förderung bezuschusst die Regierung im FER 2, je nach Energiequelle, jede erzeugte Megawattstunde mit einem bestimmten Betrag. Auch Solarthermie, Geothermie, Ozeanenergie, Biogas- und Biomasse sollen Teil von FER 2 sein. 

    Grüne Investitionsschwerpunkte in Italiens Recovery Plan

    Einsatzfeld

    Geplante Investitionen (in Milliarden Euro)

    Nachhaltige Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft

    7,0

    Energiewende und nachhaltige Mobilität

    25,4

    Energieeffizienz und Sanierung von Gebäuden

    22,2

    Umwelt-, Boden- und Gewässerschutz

    15,4

    Quelle: Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza (PNRR) 2021

    Sanierung von Gebäuden boomt

    Eine umfassende energetische Gebäudesanierung hat für Italien Priorität bei der Bekämpfung des Klimawandels. Über attraktive Anreizprogramme wie den Superbonus 90 und den Ökobonus fließt ein Großteil der für diesen Bereich eingestellten Mittel des Recovery Plans an Hausbesitzer. Aber auch öffentliche Stellen, die in die Energieeffizienz von Schulen, Justizgebäuden sowie in Fernwärmesysteme investieren, profitieren davon. Schwerpunkt bildet der Einbau neuer Heizungen und Fenster. Hinzu kommen die Sanierung von Fassaden und Isolierungen, aber auch Investitionen in Fotovoltaikanlagen und Elektroladestationen. Auch Maßnahmen zum Erdbebenschutz werden gefördert. Die Programme haben zu einem Sanierungsboom geführt. Viele Bau- und Handwerksbetriebe sind auf Monate ausgelastet. Die meisten Programme laufen in den kommenden Jahren weiter − wenn auch mit tendenziell rückläufigen Förderquoten.

    Hohe Investitionen in den Ressourcen- und Bodenschutz

    Mit rund 15 Milliarden Euro soll eine größere Summe auch in den Bodenschutz und in die Sicherung von Wasserreserven fließen. Hier geht es unter anderem um den Schutz vor Hangrutschen und Überschwemmungen, aber auch um die Sicherung der Wasserreserven. Diese sind in Italien sehr ungleich über das Land verteilt, zudem gehen große Mengen verloren. Über ein Monitoring territorialer und klimatischer Indikatoren sollen schnell Umweltbelastungsfaktoren identifiziert werden. Weitere Mittel kommen zudem dem Naturschutz am Fluss Po, den Meeresökosystemen, der öffentlichen Beleuchtung durch erneuerbare Energien, der Sanierung kontaminierter Gemeinflächen sowie der Reinigung von Abwässern zugute. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • DIHK-AHK-Umfrage zum Klimaschutz

    Italien

    Die Umfrage wurde im April und Mai 2022 von der DIHK unter 2.860 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) durchgeführt. Unternehmen aus insgesamt 107 Ländern nahmen daran teil. Die Befragung gibt wieder, wie die in dem jeweiligen Land tätigen deutschen oder eng mit Deutschland kooperierenden Unternehmen die Situation vor Ort wahrnehmen.

    Von Martin Knapp (DIHK) | Berlin

  • Energie: Schleppender Ausbau erneuerbarer Quellen

    Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss Italien kreativ werden. Zukünftig sollen auch neue Arten der Nutzung von Wind, Wasser und anderer erneuerbarer Quellen helfen.

    Italien verfolgt einen pragmatischen Ansatz und will zuerst dort Energie sparen, wo noch besonders verschmutzende Prozesse ablaufen.

    Energiepolitik der Regierung setzt auf schrittweise Dekarbonisierung

    Die Dekarbonisierung sieht Italien als schrittweisen Prozess, mit einer Zwischenstufe über Gas, gemischt mit Wasserstoff. Parallel sollen die Kapazitäten erneuerbarer Energiequellen steigen und Mittel in Zukunftsfelder wie Wasserstoff, Offshore-Windkraft sowie Solarthermie sowie Ozeanenergie fließen. Auch Agrarfotovoltaik, Geothermie, Biogas- und Biomasse spielen eine Rolle. Kohle war bislang in Italien in der Stromerzeugung eher eine Back-Up-Option, die aber im Zuge des Krieges in der Ukraine und drastisch steigender Preise nun doch wieder zum Einsatz kommt.

    Die wichtigste Energiequelle ist Erdgas, das über Pipelines oder Flüssiggaslieferungen per Schiff aus Russland, Aserbaidschan, Libyen, Algerien und Katar kommt. Hier versucht Italien die Lieferungen aus Nordafrika und über die Trans-Adria-Pipeline aus Aserbaidschan zu erhöhen, um von russischem Gas unabhängig zu sein. In den Alpen und Dolomiten gibt es zahlreiche ältere Wasserkraftwerke, die auch noch eine größere Rolle bei der Stromversorgung spielen. Ein weiterer Ausbau ist hier aber nicht geplant. 

    Ausbau von Windkraft, Fotovoltaik und Biogas stockt

    Trotz ehrgeiziger Erweiterungspläne auf dem Papier verläuft der Ausbau in der Praxis, besonders bei der Windkraft, noch zögerlich. Umweltminister Roberto Cingolani plant bis 2030 mindestens 43 Gigawatt an neuer Fotovoltaik- und 12 Gigawatt an neuer Windkraftkapazität aufzubauen. Um mehr private Investoren zu finden, will er Genehmigungsverfahren vereinfachen - ein umstrittenes Vorgehen. Kapazitäten für erneuerbare Energien, die in den vergangenen Auktionen nicht versteigert werden konnten, sollen, unter verbesserten Bedingungen, erneut angeboten werden. Das (zu Redaktionsschluss noch ausstehende) Förderpaket FER 2 soll an innovative Verfahren adressiert sein, darunter schwimmende Offshore-Windkraftanlagen, die ab dem Jahr 2025 oder auch erst ab dem Jahr 2026 rund die Hälfte der jährlich hinzukommenden Kapazität ausmachen sollen. Ein erstes Projekt entsteht in der Adria vor Rimini, das schwimmende Anlagen für Fotovoltaik, Windkraft und Wasserstofferzeugung enthält. Andere Einsatzregionen sind Sizilien und Sardinien. Unser Beitrag Italien sucht Energie auf dem Wasser bietet weitere Informationen zu Offshore-Anlagen.

    Im Recovery Plan sind spezielle Mittel für die Installation von Fotovoltaikanlagen in der Landwirtschaft vorgesehen. Agri-Solarparks sollen mit Staatshilfe auf 4,3 Millionen Quadratmetern 370 Megawatt liefern. Mittel von 1,5 Milliarden Euro gehen dabei an eine entsprechende Anpassung von Dächern, neue Ventilations- und Kühlanlagen sowie mit intelligenten Steuerinstrumenten ausgestattete Solarpanels. Weitere 1,1 Milliarden Euro fließen in den noch weiter greifenden Einsatz der Agrarvoltaik von 1.040 Megawatt zur Erzeugung von 1.300 Gigawatt/Jahr auf Agrarflächen oder auch auf Teichen und anderen Wasserflächen. Neben neuen Anlagen steht auch das Revamping und Repowering bestehender Fotovoltaik- und Windkraftanlagen im Fokus. Auch für landwirtschaftliche Biogasproduzenten steigen die Fördermaßnahmen. 

    Auswahl von Förder- und Investitionsprojekten

    Zielsegment

    Fördersumme (in Mio. Euro)

    Ziel/Anmerkung

    Agrarvoltaik/Agri-Solarparks

    2.599

    Fotovoltaikanlagen auf Landwirtschaftsgebäuden, Agrar- und Binnenwasserflächen, inklusive Dachrenovierung, Ventilation, Kühlung

    Biomethan

    1.923

    Neue Anlagen, Rekonvertierung bestehender Anlagen, biogasbetriebene Traktoren

    Offshore-Wind und Fotovoltaikanlagen

    675

    Entwicklung schwimmender Anlagen, Umfunktionierung von Ölplattformen, kombinierte Fotovoltaik- und Windkraftanlagen

    Smart Grid/Stromnetze

    3.610

    Digitalisierung der Netzwerkinfrastruktur

    Wasserstoff

    3.190

    Hydrogen Valleys auf verlassenen Industriearealen, Ladestationen für Zug und Lkw, Prototypentwicklung zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie, Forschung, Entwicklung und Tests

    Quelle: National Recovery und Resilience Plan (PNRR) 2021

    Pragmatischer Ansatz beim Thema Wasserstoff 

    Italien geht das Thema Wasserstoff angesichts des bisher nur langsamen Ausbaus der erneuerbaren Energien und der hohen Strompreise vorsichtig an. Etappenziel ist die Beimischung in Erdgas (Blending) und ein möglichst breiter Einsatz des Gemisches in energieintensiven Industriebranchen. Punktuell sollen aber auch Hydrogen-Valleys für grünen Wasserstoff mit Fotovoltaikanlagen, Elektrolyseuren und Distributionsinfrastruktur entstehen, zum Beispiel für den Einsatz der Bahnstrecke entlang des Iseo-Sees in der Lombardei, in Häfen oder in Industrieclustern (Tarent, Sardinien, Porto Marghera). Weitere Informationen zum Thema Wasserstoff in Italien finden Sie in unserem Special "Wasserstoff in Italien". 

    Kernkraft ist noch nicht vom Tisch

    Atomenergie ist in Italien seit Tschernobyl verboten. Neuen Generationen von Kernkraftreaktoren steht Minister Cingolani aber offen gegenüber. Obwohl keine Gelder aus dem europäischen Recovery Fonds in die Forschung und Entwicklung zukünftiger Kernenergie fließen, beschäftigt sich das nationale Energieforschungsinstitut ENEA seit längerem mit dem Thema und will mit dem Start-up Newcleo in Bologna auch konkrete Einsatzmöglichkeiten entwickeln, vorerst für das Ausland. Auch Italiens Energiekonzern ENI forscht in den USA an modernen Fusionsnuklearreaktoren. Laut Experten ist das Know-how in der Forschung und in der Industrie groß. Zudem liefern italienische Firmen Ausrüstung für ausländische Projekte. Newcleo will unter anderem kleine, mit Thorium betriebene Accelerator Driven Systems entwickeln.   

    Carbon Capture - eine der größten Anlagen der Welt geplant

    Italiens größter Energiekonzern ENI plant eine der weltweit größten Anlagen für Carbon Capture Storage in ausgedienten Erdgaslagerstätten im Meeresboden der Adria bei Ravenna. Auch eine Wiederverwendung ist geplant, unter anderem durch Biofixierung in Mikroalgen, durch Mineralisierung und Verwendung in der Zementindustrie oder zur Produktion von Methanol in der chemischen Industrie. Der Stahlhersteller Tenaris will für die auf fossilen Brennstoffen beruhende Energieerzeugung in seinem Stahlwerk bei Bergamo Carbon Capture and Usage einführen. Er schloss Anfang 2022 eine Absichtserklärung mit dem Engineeringkonzern Saipem und dem Industriegashersteller Siad für eine Anlage, deren Reststoffe mittels eines innovativen Enzymprozesses in der Lebensmittelindustrie, in der Landwirtschaft, in der Wasserbehandlung, der Metallbearbeitung sowie als Kühlgas wiederverwendet werden sollen.

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Verkehr: Umweltfreundlicher Nah- und Güterverkehr

    Im Güterfernverkehr und auf einigen Zugstrecken soll Wasserstoff zum Einsatz kommen. Für den Ausbau der Ladesäulen für E-Autos gibt es ambitionierte Pläne. 

    Regierung will effizienteren Transport

    Italien sieht den Transportsektor als wichtiges Aktionsfeld für weniger Schadstoffemissionen. Bis 2030 will Italien 31 Prozent seines Transports aus erneuerbaren Quellen speisen. Das schrieb die Regierung Meloni in das Update des Nationalen Klima- und Energieplans Ende Juni 2023. Regierungsvertreter betonen auf Konferenzen regelmäßig, für wie wichtig sie es halten, sich nicht nur nominale Ziele für den Anteil erneuerbarer Energien zu stecken, sondern auch effizientere Transportmittel und -wege zu entwickeln und dabei möglichst technologieoffen zu bleiben. Auch Biogas, eine in Italien stärker als in anderen EU-Ländern verbreitete Antriebsform, soll zunehmend als Quelle dienen, auch wenn Kritiker auf das begrenzte Potenzial hinweisen und einen unnötigen Wettbewerb zur E-Mobilität vermeiden wollen. 

    Bei der Verlagerung des Warentransports auf die Schiene macht Italien dank des Ausbaus der Bahnstrecken und Häfen Fortschritte. Die Elektrifizierung der Häfen (Cold Ironing, Smart Ports etc.) ist eine Priorität der Regierung. Für ihre Pläne für mehr intermodale Warenwege erntet sie das Lob vieler Experten, auch wenn wohl nicht alle Mittel aus dem Recovery Fonds rechtzeitig bis 2026 abgerufen werden können. 

    Im öffentlichen Nahverkehr will Italien in Rahmen des Recovery Plans bis 2026 rund 10 Prozent des privaten Verkehrs in den Städten auf öffentliche Verkehrsmittel umlenken. Deshalb will das Land 11 Kilometer zusätzliche U-Bahnen, 85 Kilometer Straßenbahnen, 120 Kilometer Trassen für Oberleitungsbusse und 15 Kilometer Seilbahnen bauen. In einem ersten Schritt stehen bis 2025 dabei die Städte Perugia, Neapels Vorort Pozzuoli und Triest im Mittelpunkt. Es folgen 2026 Rom, Genua, Florenz, Palermo, Bologna, Rimini, Neapel, Mailand, Bari, Catania, Padua und Tarent.

    Begleitend will Italien bis 2026 insgesamt 3.360 umweltfreundliche Busse, 53 Züge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb, 3.600 gas- oder elektrobetriebene Feuerwehrfahrzeuge und 200 Flughafenfahrzeuge mit Hybridantrieb in Betrieb nehmen. Marktbeobachter rechnen damit, dass die Gesamtzahl der E-Busse von einigen hundert im Jahr 2021 bis 2030 auf rund 10.000 steigen könnte und erwarten auch für die Zeit nach Auslaufen des Recovery Plans ab 2027 weitere Förderanreize. 

    Wasserstoffzüge sollen landesweit auf sechs Strecken zum Einsatz kommen, und zwar in den Regionen Lombardei, Apulien, Sizilien, Abruzzen, Kalabrien, Umbrien und Basilikata. Den Anfang machen die Strecken am Iseo-See in der Lombardei und im Salento in Apulien. Im Wasserstoff- und Methantransport will Italien, bei entsprechender Nachfrage aus Europa, sein Pipelinenetz erweitern und modernisieren, insbesondere um als Durchleiter aus Nordafrika zu fungieren. 

    Geplante grüne Investitionen im Mobilitätssektor

    Projekt

    Investitionssumme (in Mio. Euro)

    Anmerkung

    Neue Infrastruktur im öffentlichen Nahverkehr

    3.600

    11 km U-Bahnen, 85 km Straßenbahnen, 120 km Oberleitungsbusse, 15 km Seilbahnen

    Ausbau der umweltfreundlichen öffentlichen Fahrzeugflotte

    3.640

    Anschaffung von 3.360 Bussen, 53 Zügen, 3.600 Feuerwehrautos, 200 Flughafenfahrzeugen

    Neue umweltfreundliche Züge

    800

    Anschaffung von 150 neuen schadstofffreien Zügen, davon 53 wasserstoffbetrieben, dazu 100 Abteilwagen aus umweltfreundlichen Materialien

    Stromladestationen für E-Autos

    741

    31.500 Schnellladestationen, davon 7.500 an Autobahnen, 100 Stromspeicheranlagen

    Wasserstofftankstellen für Lkw

    230

    40 Wasserstofftankstellen, hauptsächlich auf den Verkehrsachsen im Norden

    Wasserstofftankstellen und -produktion für Züge

    300

    Auf 6 Strecken, 10 Tankstellen, mindestens zwei Wasserstoffproduktionen, inklusive Forschung und Entwicklung und Lagerung

    Nachhaltige Busproduktion

    300

    45 Entwicklungsverträge für die grüne Kompetenzsteigerung in der Lieferkette nachhaltiger Busse

    Quelle: National Recovery und Resilience Plan (PNRR) 2021

    Private Elektromobilität soll erst ab 2025 in Schwung kommen

    Im privaten Pkw-Verkehr ist der Anteil reiner E-Fahrzeuge an den Neuzulassungen in Italien im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern noch gering, auch wenn die Neuzulassungen von Elektroautos im 1. Halbjahr 2023 gegenüber der Vorjahresperiode um über 30 Prozent zulegten. Batteriebetriebene Fahrzeuge hatten im 1. Halbjahr 2023 einen Marktanteil von 3,9 Prozent. Zuzüglich Plug-Ins waren es 8,5 Prozent; in Stückzahlen: 38.914 Plug-in-Hybride (PHEV) und 32.673 batterieelektrische Fahrzeuge (BEV). Grund ist, dass Italien bislang auch den Kauf von Benzin- und Dieselfahrzeugen bis zu einer Emission von 135 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer förderte. Nun steht eine "Remodulation" der Förderinstrumente an, im Rahmen derer aber auch weiterhin nicht aufladbare Fahrzeuge gefördert werden sollen. Branchenexperten rechnen damit, dass sich spätestens ab 2025 der italienische Markt selbst ohne explizite Förderung von Elektrofahrzeugen klar in ihre Richtung entwickeln wird, da Betrieb und Wartung von Steckerfahrzeugen kostengünstiger sein werden als von Benzinern.  

    Der dominierende Hersteller Italiens, Stellantis (Fiat), will ab 2030 nur noch Elektromodelle auf den europäischen und damit auch italienischen Markt bringen. Umweltminister Roberto Cingolani will 2035 keine Autos mit Verbrennermotoren mehr zulassen und ab 2040 auch keine mit fossilen Brennstoffen angetriebenen Nutzfahrzeuge. Stellantis und Italvolt, das Start-up des schwedischen Investors Lars Carlström, wollen in Italien jeweils eine große Batteriefabrik eröffnen - Stellantis im süditalienischen Molise, Italvolt in Turin. 

    Mehr Tempo beim Bau von Ladestationen

    Auch bei der Ladeinfrastruktur hinkt Italien noch hinterher. Mit rund 33.000 Ladestationen und im Durchschnitt 6,7 Ladepunkten pro 100 Kilometer lag Italien 2022 in Europa nur auf Platz 15. Branchenverbände weisen hier auf Verzögerungen bei Anreizen für Wallboxes und Ladestationen im Eigenheim hin sowie auf administrative Hindernisse bei der Installation von Ladestellen an Autobahnen und öffentlichen Schnellstraßen. 

    Bis 2025 will Italien 7.500 Schnellladestationen an den Autobahnen sowie weitere 13.755 in den Städten aufbauen. Dazu kommen 78.600 normale, langsamere Ladestationen in den Städten. Zusätzlich vorgesehen sind in diesem Zusammenhang 100 experimentelle Stationen für die Stromspeicherung. Für 2030 schätzt Italiens Regierung den Bedarf an Ladeeinheiten auf 3,4 Millionen, davon 32.000 öffentliche schnelle und ultraschnelle Ladesäulen. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • In Italiens Industrie wird Dekarbonisierung zum Thema

    Die Schwerindustrie ist in Italien ein wichtiger Wirtschaftszweig. Sie muss sich dringend auf die europäischen Emissionsgrenzen vorbereiten.

    Gleich nach der Energie- und Rohstoffknappheit ist der zu erwartende Kostenanstieg für Kohlendioxid-(CO2) Emissionen die neue Herausforderung für Italiens Industrie. 

    Viele energieintensive Branchen

    Die Stahl-, Zement-, Chemie-, Papier-, Glas- und Keramikindustrien gehören zu den großen Branchen in Italien, doch diese Sektoren sind schwierig zu dekarbonisieren. Dabei sind sie sind für knapp zwei Drittel des CO2-Ausstoßes der italienischen Industrie und für rund 13 Prozent der gesamten Emissionen des Landes verantwortlich. 

    Für die Dekarbonisierung des verarbeitenden Gewerbes gibt es in Italien noch keine Gesamtstrategie. Teilstrategien aber finden sich im Nationalen Energie und Umweltplan (2019), im Recovery-Plan (2020) und in der langfristigen Nationalstrategie für die Reduzierung von Treibhausgasen (2021).

    Die stärksten Investitionsimpulse könnten von den sinkenden zulässigen Emissionsmengen Europas kommen. Der Industrial Decarbonization Pact, zu dem sich die wichtigsten Branchenverbände zusammengeschlossen haben, erwartet, dass die erhöhten CO2-Kosten bis 2030 alle "hard-to-abate"-Branchen, das sind Branchen, in denen Co2-Emissionen schwer zu vermeiden sind, in ihrer Existenz gefährden werden. Dies gilt für den Fall, dass nicht in entsprechende neue Technologien investiert wird.

    Als wichtigste Maßnahmen im Hinblick auf die angestrebte EU-Klimaneutralität bis 2050 gelten der Einsatz von Carbon Capture Storage and Utlilzation (CCSU) - die Speicherung von CO2 im Untergrund - und Green Fuels. Hinzu kommen die Elektrifizierung, Effizienzgewinne und der Einsatz erneuerbarer Energien und alternativer Brennstoffe aus der Kreislaufwirtschaft sowie anderer Brennstoffe mit niedrigem CO2-Gehalt wie Holzkohle. 

    Chemische Industrie: Recycling und Green Fuels

    In der chemischen Industrie sieht der Industrial Decarbonization Pact das größte CO2-Einsparpotenzial beim Einsatz von Biomethan und Wasserstoff, in Kombination mit kogenerativer Stromerzeugung im Rahmen der Produktion. Der direkte Einsatz von grünem Wasserstoff könnte in der Ammoniakproduktion die gasgespeiste Dampfreformierung, das sogenannte Steam Reforming, ersetzen.

    Auch in der Gasifizierung und Pyrolyse von bisher nicht-recyclebaren heterogenen Kunststoffen (Plasmix) liegt Potenzial. Ein Vorreiter ist Nextchem (Maire Tecnimont-Konzern), das bei Venedig mit ENI eine Waste-to-Fuels-Anlage erstellt. Elektrifizierung ist in Prozessen wie Steam Reforming, Kalkbrennen und Cracking bislang kosten- und technologiemäßig den Green Fuels noch unterlegen, könnte aber mittelfristig eine Alternative werden.

    CCSU könnte als Ausgleich für Produktionsprozesse eine Rolle spielen, die nicht CO2-frei möglich sind, wie zum Beispiel bei der Produktion von Ruß- und Maleinsäurehydrid. Die Chemiefirmen Cabot, Polynt, Versalis und Yara beteiligten sich am CCSU-Projekt von ENI in Ravenna. 

    Zementindustrie braucht Carbon-Capture-Storage-Infrastruktur 

    In der Zementindustrie werden sich höhere Kosten für Zertifikate oder Emissionssenkungen laut Fachverband Federbeton schnell auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, denn in der Branche sind die operativen Margen niedrig und die Konkurrenz aus anderen Mittelmeeranrainerstaaten groß. Etwa die Hälfte des CO2-Einsparpotenzials sieht der Verband beim CCSU. Hinzu komme der Ersatz schwerer fossiler Brennstoffe durch Gas und Wasserstoff sowie durch alternative Brennstoffe wie Biomasse.

    Im CCSU-Projekt von Ravenna sieht der Verband eine Chance für die Branche. Gleichzeitig weist er aber auf die hohen zusätzlichen Kosten für Infrastruktur und Transport von CO2 sowie auf die komplexen Genehmigungsprozesse hin. Auch sollte das C02-Grenzausgleichssystem (CBAM) schnell in Kraft treten. Ein Pilotprojet einer Power-to-Gas-Anlage für die Zementindustrie mit CCSU mittels Calcium Looping führt Italgas mit dem Zementhersteller Buzzi Unichem bei Piacenza durch. Beim Calcium Looping wird ein Teil des im Rohzement enthaltenen Branntkalks als CO2-Absorber eingesetzt.

    Stahlindustrie: Problemfall Taranto als Chance

    Italiens einziges Primärstahlwerk in Taranto ist für 2 Prozent der italienischen CO2-Emissionen verantwortlich. Nach mehreren Eigentümerwechseln soll nun unter staatlicher Regie die Umwandlung in eine gas- und später wasserstoffbetriebene Direct Reduced Iron (DRI)-Anlage erfolgen. Dafür stehen bis zu 2,7 Milliarden Euro öffentliche Gelder bereit. Mit Danieli gibt es in Italien einen Technologieführer für die DRI-Technik.

    Auch die meist in der Lombardei angesiedelten Spezialstahlhersteller wollen COsparen, zum Beispiel durch den Einsatz von Wasserstoff oder Biogas bei der Beheizung von Industrieöfen, unter anderem beim Warmwalzen. Der Gasnetzbetreiber Snam mischte 2021 in Kooperation mit der Giva-Gruppe Erdgas erfolgreich 30 Prozent Wasserstoff zur Beheizung eines Industrieofens bei. Das Nationale Forschungsinstitut ENEA arbeitet im Rahmen des Projekts Zecomix daran, gespeicherte CO2-Rückstände der Stahl- und Zementindustrie zur Produktion von Bau- und Straßenbaustoffen wiederzuverwenden. 

    Geplante grüne Investitionen in der Industrie

    Projekt

    Investitionssumme

    (Mio. Euro)

    Anmerkung

    Schrittweise Umwandlung des Stahlwerks Taranto (Ilva) in eine grüne Produktion

    8.000

    "Sorgenkind" der italienischen Industrie, zum Teil in den Staatsbesitz übergegangen, soll aber Rolle beim grünen Wandel spielen, Engineeringkonzern Danieli laut Pressemeldungen interessiert an einer Beteiligung beim Umbau zur Direkteisenerzreduzierung (DRI)

    Ravenna CCS

    k.A.

    Energiekonzern ENI, Kooperation mit Saipem und mehreren Industrieunternehmen der Region; Carbon Capture Storage and Reuse in ausgebeuteten Offshore-Gasvorkommen vor der Adriaküste, soll auch ohne europäische Gelder verwirklicht werden

    1. Prototyp Dekarbonisierung Hard-to-abate

    1.400

    Recovery Plan; noch auszuwählen aus energieintensiven Branchen (Zement, Glas, Papier, Stahl, Metall, Keramik), wahrscheinlich Stahlwerk Taranto

    2. Prototyp Dekarbonisierung Hard-to-abate

    600

    Recovery Plan; noch auszuwählen aus energieintensiven Branchen (Zement, Glas, Papier, Stahl, Metall, Keramik)

    Puglia Hydrogen Valley

    60

    Grüne Wassserstoffproduktionen in Brindisi, Taranto und Cerignola/Foggia

    Nextchem CCS Manfredonia (Apulien)

    k.A.

    Machbarkeitsstudie einer Waste-to-Energie mit CCS und nachhaltiger Methanolproduktion

    Dalmine Zero Emissioni (grüner Stahl)

    k.A.

    Stahlhersteller Tenaris in Kooperation mit Snam und Edison; Beimischung von Wasserstoff für die Speisung eines Industrieofens zur Direktreduzierung von Eisenerz (DRI), bei Bergamo (Lombardei)  

    Carbon Capture, Storage and Utilization Sonatrach Augusta (Raffinerie)

    k.A.

    Algerischer Energiekonzern Sonatrach; Machbarkeitsstudie durch Politecnico Turin für Carbon Capture Storage and Utilization in Sizilien

    Keramikwerk Iris Ceramica, Sassuolo

    k.A.

    Fotovoltaikanlagen, Elektrolyseur, Einsatz von grünem Wasserstoff im Produktionsprozess, Region Emilia-Romagna

    Quelle: National Recovery and Resilience Plan (PNNR) 2021; Pressemeldungen 2021, 2022

    Gute Geschäftschancen für deutschen Firmen

    Zu den Technologieführern bei energieeffizienter Ausrüstung für die Industrie gehören in Italien Maire Tecnimont und Danieli. In CCSU sind italienische Dienstleister wie Saipem, Giammarco Vetrocoke oder Rosetti Marino kompetent. Bei wasserstofffähigen Pipelines ist das multinationale Unternehmen Tenaris mit Werk in Bergamo führend.

    Allerdings ist der Bedarf so groß, dass auch für deutsche Anbieter Chancen bestehen. Geschäftsfelder sind: Ausbau erneuerbarer Energiequellen, Monitoring, Messung, Analyse und Optimierung der Produktion mithilfe von Photonik, Automatisierungstechnik und Künstlicher Intelligenz. Hinzu kommen: Industrielle Wärmepumpen mit niedriger Temperatur, Kombinationen aus Wärmepumpen und Heat Boostern, Wärmekraftkessel, befeuerte Erhitzer, elektrische Boiler, Dampfreformer und -kompressoren, Infrarot-Trockner, Industrie-Mikrowellen, Fusionsinduktionsöfen und Plasmatechnologie. 





    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Gebäude: Sanierungsboom

    Italien steckt viel Fördergeld in die Energieeffizienz von Gebäuden. Schwerpunkt sind bestehende Immobilien.

    Für Investitionen in mehr Energieeffizienz bestehender Wohngebäude stehen 2023 mehrere Förderinstrumente bereit. Der Superbonus 90 (vormals 110) ermöglicht eine 90-prozentige Steuergutschrift für Ausgaben für die Gebäudedämmung, den Einbau einer modernen Wärmepumpe oder Anti-Erdbeben-Maßnahmen, sowie für andere Energieeffizienzmaßnahmen, welche die Energieklasse der Wohnung um zwei Klassen erhöhen.

    Förderinstrumente großzügig aber rückläufig

    Auch in den beiden Folgejahren 2024 und 2025 gibt es noch Steuergutschriften von 70 Prozent beziehungsweise 65 Prozent. Als Voraussetzung gilt: Bei Einfamilienhäusern (villette) muss es sich um die Hauptwohnung handeln, zusätzlich gilt ein Einkommensmaximum. Bei Wohnanlagen mehrerer Eigentümer mit teils privaten teils gemeinsamen Flächen (Condomini) müssen mindestens 25 Prozent der Fläche thermisch isoliert werden, um an die 90-prozentige Förderung zu kommen. Die Auflagen sind beim Superbonus laut Branchenkennern recht hoch, unter anderem ist ein Gewinn von zwei Energieklassen (italienischer APE-Energieausweis) durch zertifizierte Fachleute nachzuweisen. 

    Daneben existieren mehrere weitere Förderinstrumente (Ecobonus, Bonus Infissi, Bonus Ristrutturazione), die Steuergutschriften zwischen 50 und 65 Prozent für Energieeffizenzmaßnahmen, den Einbau von Solarpanels, neue Fenster und Building Automation Ausrüstung, Biomassekondensatoren, Thermoregulierung, Mikro-Kogeneratoren, Sonnenkollektoren und Wärmepumpen bereitstellen. Über das Instrument Casa Green erhalten Käufer von Häusern der Energieklassen A oder B Steuergutschriften von 50 Prozent, falls direkt vom Bauherrn gekauft wird. 

    Förderprogramme für die energetische Renovierung

    Programm

    Steuerabschreibung

    Zeitraum

    Förderfähig

    Superbonus

    Zurzeit: 110 %, ab 2024: 70 %, 2025: 65 %

    Einfamilienhäuser bis 2022, Sozialbau bis 2023, Mehrfamilienhäuser bis 2025

    Umweltfreundliche Heiz- und Kühlanlagen, Wärmepumpen, Kondenskessel, Hybridanlagen, Fernwärme, als Zusatz: Fotovoltaikanlagen und E-Ladestationen

    Ecobonus 

    50-65 % (in einigen Fällen, zum Beispiel bei zusätzlicher Erdbebensicherung: bis 85 %)

    Vorerst bis Ende 2024

    Fensterrahmen, thermische, Isolierung, Kondenskessel mit Thermoregulierung, Heissluftkondensgeneratoren, Wärmepumpen, Wärmepumpen-Wassererhitzer, Building Automation Systeme, Fernregler für Klimaanlagen und Boiler

    Bonus Casa (auch: Bonus Ristrutturazione)

    50 %

    Vorerst bis Ende 2024

    Energiesparmaßnahmen, Geräte, die sich aus erneuerbaren Energien speisen

    Conto Termico 2.0

    40-65 %, maximal 5.000 Euro

    Dauerhaft

    Energieeffizienzmaßnahmen in bestehenden Gebäuden, Einbau neuer Heizungen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, mit hocheffizienten Systemen, auch für öffentliche Gebäude, Near Zero Emission Buildings

    Quelle: Ministero dello Sviluppo Economico 2021, 2022

    Weitere Instrumente sind der Bonus Verde für Begrünungen in, an und auf Gebäuden, der Bonus Bagno für den Austausch von Badarmaturen und der Bonus Idrico (Acqua Pottabile) für den Kauf von Wasserfiltern. Dazu kommt der Conto Termico 2.0, der Zuschüsse für die Anschaffung energieeffizienter Ausrüstung wie Wärmepumpen, Kondenskessel, Biomassekessel und Solarthermieanlagen bietet. Ein Teil der Mittel ist für öffentliche Gebäude reserviert.  

    Strenge Umweltauflagen für Neubauten

    Beim Neubau sind die Auflagen an die Energieeffizienz in Italien sehr streng. Besonders an die Dämmung und die Heizungsanlagen stellen die öffentlichen Statuten hohe Anforderungen. In Südtirol gilt beispielsweise das Nearly Zero Energy Building-Prinzip als Standard. Im ganzen Land gelten ausformulierte öffentliche Mindeststandards bezüglich Materialien und Umweltstandards. Diese sind in den Mindestumweltkriterien CAM (Criteri Ambientali Minimi) ausformuliert. Bei Vermietung und Verkäufen ist zwingend ein Energieausweis vorzulegen.

    Nachhaltigkeitszertifikate sind grundsätzlich freiwillig und werden besonders im Nichtwohnungsneubau aus Imagegründen gewählt. Im privaten und öffentlichen Wohnbau und auch bei energetischen Renovierungen sind Zertifikate wie zum Beispiel Klimahaus Voraussetzung zum Zugang zu regionalen Fördermitteln, zum Beispiel in Südtirol.  

    Smart-Home-Technologien legen zu

    Der große Bestand alter Gebäude in Italien und die umfangreichen Förderinstrumente bieten grundsätzlich ein interessantes Feld für die Gebäudetechnik. Der Ecobonus umfasst auch die Kosten für Kauf, Installation und Inbetriebnahme von Smart-Home-Technologie für mehr Energieeffizienz. Dazu zählen Multimediageräte, mit denen eine Fernregulierung für die Wärmesysteme, die Wassererwärmung und die Klimaanlage erfolgt, beziehungsweise über die das Funktionieren und der Energieverbrauch angezeigt werden. Hier sind bis zu 65 Prozent der Kosten von der Steuer absetzbar.

    Falls zum Beispiel Biomassekondenskessel mit einem Thermostat ausgestattet sind, der eine Fernregulierung ermöglicht, steigt deren Fördersatz von 50 Prozent durch den "normalen" Ecobonus auf 65 Prozent. Die Förderung solcher Multimediageräte gilt unabhängig von einer größeren Renovierung und läuft vorerst bis Ende 2024. Investitionen in Building Automation in öffentlichen Gebäuden sind über das Förderprogramm Conto Termico förderfähig.

    Beim Absatz von Smart Home Devices, also intelligenten IT-Systemen für die eigenen vier Wände, liegt Italien noch deutlich hinter den anderen großen europäischen Ländern. Es könnte aber mit fortschreitender Modernisierung im Rahmen der Förderprogramme bald aufholen. Einer Branchenstudie des Mobilfunkanbieters TIM zufolge soll die Nachfrage nach Smart Home Devices für das Energiemanagement bis 2023 gegenüber 2000 auf 146 Millionen Euro steigen und sich damit etwa verdoppeln. Gefragteste Objekte sind Distanzregler für Wärmesysteme und Beleuchtung, Geräte zur Messung des Energieverbrauchs und smarte Steckdosen. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Land- und Kreislaufwirtschaft: Agrar- und Wasserenergie im Fokus

    Italien muss immer mehr gegen Hochwasser, Überschwemmungen und Trockenheit ankämpfen. 

    Italien muss mit seinen Ressourcen deutlich sparsamer haushalten als andere Länder dieser Größe. Dabei will sich das Land zum einen gegen widrige klimatische Effekte wappnen, aber gleichzeitig auch deren Ursache bekämpfen.  

    Anfällig für Naturkatastrophen

    Aufgrund seiner Topografie ist Italien äußerst anfällig für extreme natürliche Einflüsse. Zu den regelmäßigen Erdbeben kommen Hangabrutsche in den Alpen und in den Abruzzen hinzu. Außerdem leidet das Land unter Trockenheit und Überschwemmungen, besonders im Süden des Landes. Ein teilweise marodes Wassernetz verschärft die Lage. Daher ist das Thema Boden- und Gewässerschutz ein Schwerpunkt von Italiens grüner Revolution und Teil zahlreicher Initiativen im nationalen Recovery Fonds.  

    Mehr Effizienz in der Landwirtschaft

    Italiens Landwirtschaft punktet mit hoher Qualität, hat aber beim Thema Ressourceneffizienz noch größeren Nachholbedarf. Für Biogasprojekte stehen Unternehmen und landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt rund 2 Milliarden Euro aus dem Recovery Fonds zur Verfügung. Damit sollen neue Anlagen gebaut oder bestehende umweltgerecht saniert werden. Ein Fokus liegt hier auf Betrieben der Fleisch- und Käseproduktion. Um an die Fördergelder zu kommen, sind die Nachhaltigkeitsgewinne über Zertifikate unabhängiger Stellen nachzuweisen. Mittel stehen ebenfalls bereit, um Produktion und Logistik der Agrarwirtschaft effizienter und umweltgerechter zu gestalten − sei es über den Einsatz von Precision Farming, Landwirtschaft 4.0 − oder digitaler Logistiktools. 

    Geplante Investitionen in der Agrar- und Kreislaufwirtschaft (Auswahl) *)

    Segment

    Geplante Investitionssumme (in Mio. Euro)

    Anmerkung

    Resilienz der Infrastruktur gegen umweltbedingte Ereignisse

    2.487

    Stärkung und Schutz gegen Überschwemmungen, Erdrutsche etc.

    Neue Abfall- und Recyclinganlagen

    1.500

    Waste-to-Energy, Mülltrennungs- und -vorbehandlungsanlagen für organischen Müll und Verpackungen

    Bewässerungssicherheit

    1.780

    Monitoring, digitale Messinstrumente, Ausbesserung von Bewässerungsleitungen, Verlustreduzierung

    Moderne Agrarmaschinen

    500

    Precision Farming 4.0-Ausrüstung, Verarbeitungsanlagen, Schwerpunkt Olivenöl

    Effiziente Agrarlogistik

    500

    Modernisierung der Lager, Zurückverfolgbarkeit, digitale Logistik

    Dekontaminierung verlassener Industrieareale

    500

    Sanierungsmaßnahmen für Altlasten öffentlicher Böden

    Monitoringsysteme für klimabedingte Ereignisse

    500

    Sensoren, integrierte IT-Systeme zur Frühwarnung klimatischer Veränderungen

    Grüne Inseln und Green Communities

    335

    Modellprojekte für integrierte Müll-, Energie- und Wassersysteme auf 19 Inseln und in 30 Kommunen 

    * für Agroenergie/Biomethan: siehe Kapital Energie.Quelle: National Recovery und Resilience Plan (PNRR) 2021

    Neue Anlagen für Abfallwirtschaft

    Vor allem im Süden des Landes fehlen Anlagen zur Mülltrennung und -vorbehandlung. Das soll sich ändern: Neue Anlagen, aber auch Equipment, mit dem austretendes Methan sowie Wärme und Dampf bei der Verfeuerung von Reststoffen stärker zur Energiegewinnung genutzt werden können, sind gefragt. Entsprechende innovative Waste-to-Fuels-Anlagen baut zum Beispiel der Engineeringkonzern Maire Tecnimont/Nextchem in Porto Marghera und Livorno im Auftrag des Energiekonzerns ENI.  

    Monitoring wird intensiviert

    Italien will weniger Wasser verlieren, weniger Pestizide verwenden, die Umwelt vor illegalen Mülldeponien schützen und frühzeitig über klimatische Veränderungen informiert sein. Deshalb plant das Land, das territoriale Monitoring über Sensoren, Kameras, Drohnen und Informationstechnologie auszuweiten. Es fördert die Anschaffung entsprechender Ausrüstung. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Fachkräfte für den Klimaschutz: Größere Engpässe

    Das eher klassische Bildungssystem Italiens schafft es noch nicht, Umweltkompetenzen in ausreichender Menge bereitzustellen. Firmen investieren verstärkt selbst in die Ausbildung. 

    Der grüne Wandel erfordert nicht nur neue Technologie, sondern auch entsprechend geschulte und ausgebildete Arbeitskräfte. Hier ergibt sich in Italien, wie in vielen anderen Ländern, ein kritisches Bild. Selbst bei sinnvollem Einsatz der EU-Gelder wird sich hier in Kürze ein größerer Mangel zeigen.  

    Fachkräfte mit grünem Wissen gefragt

    Der angestrebte radikale grüne Wandel der Wirtschaft spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider. Rund 20 Prozent der in den kommenden Jahren in Italien entstehenden Arbeitsplätze sollen laut verschiedenen Studien grün sein. Bis 2026 gehen die Studien von einem Bedarf von rund 2,4 Millionen bis 2,7 Millionen Arbeitskräften mit grünen Kompetenzen aus, davon 1,5 Millionen bis 1,6 Millionen mit fortgeschrittenen grünen Kompetenzen und Erfahrungen. 

    Besonders gefragt sind laut Experten Nachhaltigkeitsarchitekten, Spezialisten für nachhaltige Baustoffe und neue Materialien, Installationstechniker für nachhaltige Heizungsanlagen sowie für Fotovoltaik und solarthermische Anlagen. Auch folgende Berufsgruppen werden stärker gesucht werden: nachhaltig geschulte Anlagentechniker, Umweltingenieure für die Kreislauf- und Wasserwirtschaft, Umweltinformatiker, Umweltanwälte, Ökodesigner, Experten für das Thema nachhaltige Beschaffung, Umweltmarketingexperten, Umweltlehrer, grüne Mechatroniker, Umwelt-Risk-Manager, unabhängige Zertifizierer und -berater. Unternehmen ab einem Energiejahresverbrauch von 10.000 Tonnen Erdöläquivalent sind verpflichtet, einen Energiemanager zu ernennen. Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitenden an einer Betriebsstätte müssen einen Mobility-Manager beschäftigen. 

    Bei der Zahl der direkt in der Windkraftbranche beschäftigten Mitarbeitenden lag Italien 2020 in Europa nur auf Platz 11, mit weniger als einem Zehntel des Vergleichswertes der Beschäftigten in Deutschland in der Windbranche. Bei Wärmepumpen lag Italien hingegen hinter Frankreich auf Platz 2.

    Künftig besonders gefragte Qualifikationen
    • Nachhaltigkeitsarchitekten
    • Ökoindustriedesigner
    • Umweltingenieure
    • Installateure nachhaltiger thermischer Anlagen
    • In Nachhaltigkeit geschulte Agrartechniker
    • Experten innovativer Baustoffe
    • Grüne Mechatroniker
    • Software- und künstliche Intelligenzexperten
    • Energiemanager für Industrieanlagen

    Viele Ausbildungswege in Italien

    Auch wenn der Bedarf an Akademikern bei grünen Jobs höher ist als im Durchschnitt, rekrutierten sich im Jahr 2020 erst rund 15,7 Prozent dieser neuen Profile aus Hochschulabsolventen. Das ergab die Studie "Die grünen Kompetenzen" des Bildungsinformationssystems Sistema Informativo Excelsior. Beispiele der noch raren, aber dennoch langsam zunehmenden grünen Hochschulstudiengänge in Italien sind die Abschlüsse in Umweltagrartechnologie (Mailand), Ingenieurswissenschaften für eine nachhaltige Landwirtschaft (Modena), Nachhaltiges Tourismusmanagement (Trient), Nachhaltiges Management der Bergregionen (Bozen), Sustainable Architecture and Landscape Design (Politecnico Mailand), Ökodesign (Politecnico Turin) und Umweltingenieurswissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung (La Sapienza Rom).

    Laut der Datenbank des Bildungsministeriums schlossen zwischen 2015 und 2020 etwa 37.000 Studenten ein Hochschulstudium mit explizitem Umweltbezug ab, davon 1.387 in nachhaltiger Architektur, 1.213 in Industrie- und Umweltdesign, 264 in nachhaltigem Tourismus, 2.283 in nachhaltiger Landwirtschaft, 19.018 in Ingenieurswissenschaften für Bau und Umwelt sowie 12.611 in weiteren Fächern. 

    Von den Fachhochschulen (Istituti Tecnici Superiori) kamen 2020 erst 4,7 Prozent der neu eingestellten grünen Arbeitskräfte. Zwar sind dort arbeitsmarktorientierte Studiengänge wie Energieeffizienz (an 15 Instituten) und Nachhaltige Mobilität (an 20 Instituten) im Angebot, aber die Zahl der Absolventen war zwischen 2015 und 2021 für diese beiden Fächer mit 1.634 und 2.662 noch niedrig und weit unter dem Bedarf.

    Etwa 29,3 Prozent der grünen Jobs gingen an Absolventen der einfachen Berufsschulen, rund 28,4 Prozent an Absolventen der Sekundarschulen und 21,9 Prozent an Personen ohne Bildungsabschluss. In den meisten Fällen findet die grüne Ausbildung erst in den Unternehmen statt. Schon jetzt ist der Bedarf an Schulungen und Weiterbildungen nach der Einstellung im grünen Bereich höher als in anderen Sparten der Unternehmen.

    Schwierigkeiten bei der Besetzung grüner Stellen

    Laut der Studie "Green Italy" des Kammerdachverbands Unioncamere haben 37,9 Prozent der Firmen Schwierigkeiten bei der Besetzung grüner Stellen. Zum Vergleich: Bei den anderen Stellen berichten nur 25,2 Prozent über zu wenig Bewerber. Bei Installationstechnikern für Energieanlagen ist mehr als jede zweite Stellenbesetzung problematisch, bei Energiespartechnikern sind es 36 Prozent, bei Fachkräften in der Abfall- und Recyclingwirtschaft 32 Prozent, bei Umwelttechnikern 25 Prozent und bei Umwelt- und Bauingenieuren 19 Prozent. 

    Unternehmen werden in den kommenden Jahren verstärkt um Arbeitnehmer mit grünen Kompetenzen konkurrieren. Im Jahr 2025 werden voraussichtlich 741.000 entsprechende Arbeitskräfte fehlen. Dies besonders in den Berufsgruppen Industriedesigner, Hydrauliker und Rohrleger, Handwerks- und Industrielackierer, Energieingenieure und -mechaniker sowie Techniker für Arbeitssicherheit. 

    Von Oliver Döhne | Mailand

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    AHK Italien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Studie Green Italy

    Studie zum grünen Wandel der italienischen Wirtschaft (Unioncamere)

    Ministero dell'Ambiente e della Sicurezza Energetica

    Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit

    L'Autorità di Regolazione per Energia Reti e Ambiente (ARERA)

    Regulierungsbehörde für Energie und Umwelt

    Agenzia nazionale per le nuove tecnologie, l'energia e lo sviluppo economico sostenibile (ENEA)

    Italienische Nationalagentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung

    Ambiente - Istituto Superiore per la Protezione e la Ricerca Ambiental ISPRA)

    Nationales Forschungsinstitut Umwelt und Ressourcen

    Gestore Servizi Energetic (GSE)

    Regulierungsbehörde Energiedienstleistungen

    Klimahaus

    Agentur Klimahaus - Energieeffizienzberatung und -zertifizierung

    Federazione di Produttori di Energia da Fonti Rinnovabili (FIPER)

    Verband der Energieerzeuger aus Erneuerbaren Energien

    H2IT-Associazione Italiana Idrogeno e Celle a Combustibile

    Verband für Wasserstoff und Brennstoffzellen

    L’Associazione Energia da Biomasse Solide (EBS)

    Verband der Erzeuger von Energie aus fester Biomasse 

    Umweltwirtschaftsmesse Ecomondo

    7. bis 10. November 2023, Rimini

  • AHK-Angebote

    AHK Italien

    Die AHK Italien führt seit 2009 jährlich die Exportinitiative Energie durch. Die Themen wechseln regelmäßig und die AHK Italien hat sich mit jedem Projekt intensiv beschäftigt, Know-how und ein landesweites Partnernetzwerk aufzubauen. Thematisiert wurden dabei vor allem die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz. 

    Die AHK Italien unterstützt deutsche Unternehmen der Bereiche Erneuerbare Energien und Energieeffizienz auch mit individuellen Projekten. Durch die Exportinitiativen ist die AHK Italien gut vernetzt und kann Kontakte zu Fach- und Wirtschaftsverbänden, Banken und Regionen nutzen, um innovativen Unternehmen den Markteintritt nach Italien zu erleichtern – zum Beispiel mit Marktrecherchen, Geschäfts- und Vertriebspartnervermittlungen.  

    Das Thema Wasserstoff ist für die AHK Italien von strategischer Relevanz. Die AHK Italien kennt die Besonderheiten beider Märkte und engagiert sich, den bilateralen Wissensaustausch zu fördern. Zu Beginn des Jahres wurde bereits ein erstes Projekt ins Leben gerufen, um das Zusammenwirken deutscher und italienischer Akteure zu ermöglichen und Synergieeffekte auszuschöpfen.

    Kontakt


    Telefon: +39 02 679131

    E-Mail: info@ahk.it

    Homepage: http://www.ahk-italien.it

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