Spanien treibt die Energiewende voran. Zentrale Bausteine dafür sind staatliche Auktionen. Offshore-Wind sorgt neuerdings für zusätzliche Dynamik.
Energieversorgung
Die spanische Energiewende kommt insbesondere bei der Stromerzeugung auf dem Festland voran. Beim Primärenergieverbrauch dominieren noch Erdöl und Erdgas, da wärmeintensive Zweige wie die Nahrungsmittel- und Papierindustrie noch vielfach fossile Energieträger nutzen. Verglichen mit Deutschland und Italien wird bislang zudem eher wenig Kraft-Wärme-Kopplung genutzt.
Insgesamt hat Spanien in den vergangenen 20 Jahren die Verwendung fossiler Energieträger stark reduziert und auch die Kernkraft zurückgefahren. Der Energiekonzern Endesa will den für 2030 geplanten Kohleausstieg auf 2027 vorziehen. Die letzten fünf Kernkraftwerke sollen planmäßig zwischen 2027 und 2035 vom Netz gehen.
Nach den überraschend ausgerufenen Neuwahlen zum Kongress am 23. Juli könnte über eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke diskutiert werden. Mehrere Parteien aus dem Mitte-Rechts-Spektrum zeigten sich im Vorfeld offen für das Thema.
Stromerzeugung
Insbesondere in der Stromerzeugung auf dem Festland haben sich Windenergie, Wasserkraft und Fotovoltaik fest etabliert. Vorteilhaft für Spanien ist, dass aus Sonne und Wind noch viel mehr Strom gewonnen werden kann als bislang.
Ein neuer maritimer Raumordnungsplan bereitet den Weg für schwimmende Windparks. Diese allein sollen ein Potenzial von 20 Gigawatt besitzen. Bislang war die Windkraft ein Thema für Onshore-Standorte, da die spanischen Gewässer zu tief für fest verankerte Offshore-Windparks waren. Nun haben Unternehmen freie Bahn, um ihre Pläne mit schwimmenden Anlagen voranzutreiben.
60 Gigawatt Zubau vor allem bei den Erneuerbaren
Wichtige Elemente der Energiestrategie sind der Energie- und Klimaplan PNIEC 2030 und das Klimagesetz. Der Energie- und Klimaplan gibt einen Zubau von 60 Gigawatt erneuerbaren Energien bis 2030 vor. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Stromerzeugung.
Der Staat leistet mit einem Mindestausbauziel von 19,44 Gigawatt bis 2025 seinen Beitrag dazu. Die staatlichen Auktionen fanden im Herbst 2022 wegen steigender Kosten für die Anbieter und den niedrigeren Vorstellungen der Regierung ein sehr geringes Echo. Da Energieversorger auch eigene Vorhaben umsetzen, hängt die Energiewende jedoch nicht nur von den staatlichen Auktionen ab.
Von dem Ausbautrend der erneuerbaren Energien können auch deutsche Unternehmen profitieren. Die AHK Spanien empfahl deutschen Technologieanbietern im Mai 2020 eine Kooperation mit im Markt etablierten spanischen Unternehmen. In Frage kommen demnach Vertriebspartnerschaften, gemeinsame technische Entwicklungen, Auftragsfertigung, Joint Venture oder die Ausführung von Teilaufträgen für spanische Generalunternehmer.
Energieeffizienz steigern
Bereits seit mehreren Jahren nimmt die Nachfrage nach Fotovoltaiklösungen für den Eigenverbrauch von Strom zu. Das gilt sowohl für die Industrie als auch für Wohngebäude.
Der Umstieg auf alternative Energiequellen, gegebenenfalls in Kombination mit Speichertechnik, und eine höhere Effizienz bei der Nutzung dürften künftig wichtiger werden. Ansatzpunkte bieten sowohl Gebäude und Anlagen als auch die technische Optimierung und Steuerung von Prozessen.
Viele Wohngebäude und Produktionsanlagen entstanden in Zeiten mit weniger strengen Effizienzvorschriften als heute. Entsprechend bietet auch das Einsparen von Energie ein erhebliches Potenzial.
Auch deutsche Unternehmen könnten von dem nachhaltigen Wandel profitieren. Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel die Rückgewinnung von Energie oder die Umwandlung von Stromüberschüssen in Wärme oder Wasserstoff.
Pläne für Produktion und Transport von Wasserstoff kommen voran
Für erneuerbare Energien und die Produktion und Nutzung von Wasserstoff als Energiequelle hat die spanische Regierung einen eigenen Strategieplan entwickelt. Das spanische Produktionspotenzial und der erwartete Bedarf an grünem Wasserstoff in Europa sorgen dafür, dass das Thema Fahrt aufnimmt.
Der Energiekonzern Repsol hat das Konsortium Shyne gegründet. Zudem fand die erste deutsch-spanische Wasserstoffkonferenz im Februar 2022 mit rund 400 Anmeldungen ein sehr positives Echo. In diesem Rahmen präsentierte sich auch das kürzlich zusammengeschlossene Hyberia-Konsortium. Der Energiekonzern Cepsa investiert 3 Milliarden Euro in Andalusien, um ab 2026 Wasserstoff per Schiff nach Rotterdam liefern zu können.
Dem Vernehmen nach sind die Aussichten für die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff in Spanien so günstig, dass für viele Anbieter Chancen bestehen und sie sich auf kurze Sicht nicht kannibalisieren dürften. Sowohl die technische Ausrüstung für die Produktion als auch die Herstellung von Wasserstoff selbst sowie der Transport zu Endverbrauchern bieten demnach interessante Potenziale, zumal die Erzeugungskosten sinken.
Grüner Wasserstoff ist auch von grenzüberschreitender Bedeutung. Nach wechselhaften Verhandlungen einigten sich Spanien, Portugal und Frankreich auf den Bau einer Wasserstoffpipeline namens H2med. Die Absicht Spaniens ist, Wasserstoff nach beziehungsweise durch Frankreich zu exportieren.
Chemiebranche dringt auf die CO2-Abscheidung
Der Chemieindustrieverband Feique will die Abscheidung und Speicherung von CO2 auf die Agenda setzen. Da in Nordeuropa bereits mehr Dynamik in diesem Bereich herrscht, möchte Feique, dass Spanien den Anschluss behält.
Manche Betriebe der Chemieindustrie benötigen zudem CO2 als Rohstoff. Der Wirtschaftszweig ist also aus mehreren Gründen eine Schlüsselbranche, wenn es um die künftige Strategie für CO2 in Spanien geht.
Das Thema dürfte an Bedeutung gewinnen. Der Umgang mit dem Treibhausgas gehört zu den Vorgaben der Langzeitstrategie bis 2050 im Bereich Industrie.
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Von Oliver Idem
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Madrid