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Special | Italien | Wasser - Die knappe Ressource

Italien: Modernisierungsstau führt zu hohem Investitionsbedarf

Der Zustand der italienischen Wassernetze ist vielerorts schlecht. Fördergelder der EU ermöglichen nun jedoch Modernisierungsprojekte. Dies bietet Lieferchancen.

Von Torsten Pauly | Mailand

Italien hat in den letzten Jahrzehnten zu wenig in seine Wasserinfrastruktur investiert. Laut dem europäischen Dachverband EurEau lagen die entsprechenden Ausgaben pro Kopf in Italien von 2015 bis 2020 nur bei 40 Prozent des EU-Durchschnitts. Gleichzeitig waren die Wassergebühren 2020 die viertniedrigsten in der EU. Aus Sicht von Branchenexperten hat dies einen doppelten Nachteil: Zum einen sind die Einnahmen für die Versorger zu gering, um ohne Förderungen ausreichend zu investieren. Zum anderen bieten die niedrigen Wasserkosten für Verbraucher kaum Sparanreize.

Der italienische Versorgerverband Utilitalia beziffert das nötige Investitionsvolumen in die Wasserwirtschaft auf 5 Milliarden Euro oder 80 Euro pro Einwohner im Jahr. Tatsächlich lag diese Pro-Kopf-Summe 2021 jedoch nur bei 65 Euro in Mittelitalien, 48 Euro bis 52 Euro in Nord- und 35 Euro in Süditalien. Das Analyseinstitut Proger schätzt, dass Investitionen von insgesamt 119 Milliarden Euro erforderlich sind, um den Modernisierungsstau zu beheben. Davon sollte die öffentliche Hand 75 Milliarden Euro und private Unternehmen 44 Milliarden Euro aufwenden.

EU-Gelder ermöglichen vor allem in Süditalien Projekte

Die italienische Regierung hat mehrere Investitionsprogramme für den Wassersektor aufgelegt, die sich auf 1,3 Milliarden Euro summieren. Mehr Projekte und damit Lieferchancen ermöglichen nun auch Fördergelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU. Hieraus stehen von 2021 bis 2027 insgesamt 7,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Europäische Investitionsbank kofinanziert ebenfalls Programme in der italienischen Wasserwirtschaft. Diese Darlehen belaufen sich zusammen auf 3,3 Milliarden Euro.

Geförderte Investitionen gibt es insbesondere in Süditalien. Von den 2023 bereits zugesagten EU-Mitteln in Höhe von 4 Milliarden Euro fließen allein 14 Prozent in sizilianische, 12 Prozent in kampanische und jeweils 7 Prozent in apulische und sardinische Wasserprojekte.

Deutsche Lieferanten haben gute Marktposition

Deutschen Firmen ist beim Markteintritt die Kooperation mit italienischen Generalunternehmern anzuraten, wobei die Chancen bei einer Technologieführerschaft in Spezialsegmenten besonders gut sind. Zur Markterkundung und Kontaktaufnahme bietet sich das alle zwei Jahre stattfindende Festival dell’acqua an. Die nächste Veranstaltung ist vom 21. bis 23. September 2024 in Florenz geplant.

Die zuletzt zunehmenden Investitionen zeigen sich an den italienischen Importen von Wassertechnik. So sind allein die Einfuhren von Abwassersieben (HS-Position 7326.90), Wehren und anderen Wasserbaukonstruktionen (7308.90) sowie Pumpen (8413) 2022 um 18,3 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Dabei hatte Deutschland mit einem Anteil von 21,3 Prozent die führende Lieferposition. Italienische Hersteller von Wassertechnik sind ebenfalls wettbewerbsfähig. Italien hat 2022 mit den gleichen Produkten einen weltweiten Exportüberschuss von 4,8 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Für die öffentlichen Wassernetze sind die Kommunen zuständig. Diese schließen sich oft zu Regionalverbänden in Agglomerationen und ländlichen Räumen zusammen. Ein Problem sind lange Genehmigungsverfahren. In Italien dauert die Realisierung eines Projektes für Abwasser im Schnitt 4,9 Jahre und für Trinkwasser 5,3 Jahre. Internationale Ausschreibungen für Beteiligungen an Wasserbetrieben haben in den letzten Jahrzehnten laut Branchenkennern oft nur wenige Angebote ergeben. Dies liegt an niedrigen Gebühreneinnahmen und einem als schwierig empfundenen bürokratischen Umfeld.

Trinkwasserversorgung muss Leitungsnetze verbessern

Der Zustand der italienischen Trinkwasserversorgung ist schlecht. Zwar hatten 96 Prozent der Bevölkerung 2020 Zugang zum öffentlichen Netz. Doch hatten 2022 etwa 29 Prozent aller Haushalte Bedenken, Leitungswasser ungefiltert zu konsumieren. Etwa 60 Prozent des Trinkwassernetzes waren 2020 älter als 30 Jahre. Die ausgebliebenen Investitionen führen zu hohen Leitungsverlusten von 42,2 Prozent (2020). Daher mussten italienische Versorger 2018 etwa 155 Kubikmeter Wasser pro Einwohner einspeisen, was in der EU der nach Griechenland zweithöchste Wert ist.

Leitungsverluste sollen auch durch Digitalsteuerung reduziert werden, etwa im lombardischen Brianza. Dort beteiligen sich 21 Kommunen an einem EU-geförderten Programm, das sich auf 60 Millionen Euro beläuft. Digitale Technik kommt auch im piemontesischen Alpental des Orcaflusses zum Einsatz. Ein 250 Millionen Euro teures Projekt hilft dabei, Wasser in 43 Gemeinden besser zu speichern und zu verteilen. Auch Entsalzungsanlagen entstehen. Das mit 100 Millionen Euro größte Vorhaben läuft bis 2026 im apulischen Tarent.

Neue Technologien in der Abwasserentsorgung

In Italien waren 2020 etwa 89 Prozent aller Einwohner an öffentliche Abwassernetze angeschlossen. Diese Rate schwankt zwischen 94 Prozent im Nordwesten des Landes und 77 Prozent auf Sizilien. Italien hat 2022 jedoch nur 56 Prozent seiner Abwässer nach geltenden EU-Standards gereinigt. Weil EU-Vorgaben wiederholt nicht umgesetzt wurden, muss der italienische Staat jährlich 60 Millionen Euro an die Europäische Kommission überweisen. Lediglich 44 Prozent aller Abwässer wurden 2020 mit einer biologischen Stufe geklärt. Beim Rest erfolgte dies nur mechanisch.

In Italien entstehen auch neue Technologien. In Porto Marghera nahe Venedig will der Konzern Eni 140 Millionen Euro investieren, um aus Klärschlamm Phosphor und Energie zu gewinnen. Eine neue Klärtechnik erforscht das Projekt VisioNing, an dem die Universität Mailand beteiligt ist. Agrarabwässer sollen mittels Photokatalyse so von Antibiotika und anderen Schadstoffen gereinigt werden, dass die Nährstoffe erhalten bleiben. Die Metropolregion Mailand plant 90 Projekte für nachhaltige Drainage.

Landwirtschaft muss Bewässerung ausbauen

Der Agrarsektor hat 2021 etwa 14,3 Milliarden Kubikmeter oder 55 Prozent des in Italien insgesamt verbrauchten Frischwassers bezogen. Eine veraltete Speicher- und Damminfrastruktur ist mit dafür verantwortlich, dass sich sowohl Dürreperioden als auch Überschwemmungen in den letzten Jahren häuften. Der Verband der Konsortien zum Management der Wasserläufe und -wege ANBI beziffert die Dürreschäden 2021 und 2022 auf insgesamt 14 Milliarden Euro.

Der Niederschlag summierte sich in Italien 2020 laut Weltbank auf 832 Millimeter. Das war mehr als in Deutschland (700 Millimeter). Doch der Niederschlag verteilt sich in Italien regional und jahreszeitlich ungleich und geht zudem langfristig zurück. Von 1986 bis 2020 war die Menge im Schnitt um 5,7 Prozent geringer als in den 35 Jahren zuvor.

Digitalisierung soll die Effizienz der Bewässerung steigern. Im Programm TRAS.IRRE.MA in der süditalienischen Region Basilikata konnten erste Projekte den Wassereinsatz im Obstanbau um 23 Prozent verringern. Ein weiteres Pilotprojekt betreibt der Unileverkonzern mit den Universitäten in Turin, Mailand und Pavia. Das Programm BuonCibo Knorr will den Wasserverbrauch im Reisanbau um 30 Prozent senken und die Artenvielfalt auf den Feldern erhöhen. Insgesamt laufen in Italien 139 Deichprojekte und 60 Meliorationsvorhaben.

In der Industrie laufen Großprojekte

Die verarbeitende Industrie verbrauchte im Jahr 2021 rund 27 Prozent des gesamten Frischwassers und war damit der zweitgrößte Verbraucher vor den Haushalten und Kommunen. Größter Verbraucher ist die chemische Industrie, gefolgt von der Metallindustrie, der Kunststoff- und Gummiindustrie, der Textilindustrie und der Nahrungsmittelindustrie.

In Ferrara in der Emilia Romagna läuft ein Programm der Unternehmen Eni, Versalis, LyondellBasell und Yara, das den industriellen Wasserbezug aus dem Fluss Po halbieren soll. Auch im sizilianischen Augusta will die Raffinerie Sonatrach bis zu 3 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr einsparen. Beide Projekte unterstützt das italienische Wirtschaftsministerium.

Kontaktanschriften

Ministero dell'ambiente e della sicurezza energetica (MASE)

Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit

Istituto superiore per l’ambiente e la ricerca (ISPRA)

Höheres Institut für Umweltschutz und -forschung
UtilitaliaVerband der Wasserwirtschaft

Associazione nazionale consorzi gestione e tutela del territorio e acque irrigue (ANBI)

Verband der Konsortien zur Bewirtschaftung von Wasserläufen und -wegen
Acqua ItaliaVerband der Ausrüster von Wassertechnik

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