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Wirtschaftsumfeld | Italien | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist im wirtschaftsstarken Norden sehr viel höher als im Süden Italiens. Das Bildungssystem erhält Bewertungen im OECD-Mittelfeld.

Von Torsten Pauly | Mailand

Arbeitskräftemangel in einigen Regionen und Sektoren

Der Dachverband der italienischen Industrie Confindustria erwartet, dass sich die Beschäftigung 2024 um 0,7 Prozent und 2025 um 1 Prozent ausweitet. Damit wächst die Nachfrage nach Arbeitskräften etwas langsamer als die Wirtschaftsleistung. Die Europäische Kommission schätzt, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Italiens im laufenden Jahr um 0,9 Prozent und 2025 um 1,1 Prozent steigt. Bereits zwischen 2021 und 2023 war die Beschäftigungsquote kontinuierlich von 58,2 auf 61,5 Prozent gestiegen.

Diese Entwicklung verstärkt den Mangel an Fachkräften, den die Alterung der Gesellschaft in den kommenden Jahren zusätzlich verschärfen wird. Bis 2030 werden in Italien 6 Millionen Personen das Renteneintrittsalter erreichen, aber nur 4 Millionen Jugendliche die Volljährigkeit. Die Knappheit an Arbeitskräften konzentriert sich allerdings auf einige Gebiete und Branchen.

Die insbesondere in Nord- und Mittelitalien beheimateten Maschinen- und Fahrzeugbauer, die dortige Chemie-, Mode- und Möbelindustrie, die im ganzen Land tätigen Werften sowie die Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeiter haben einen hohen Bedarf an Facharbeitern, Ingenieuren und Führungskräften, den sie nur schwer decken können. Auch der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie kann viele freie Stellen nur schwer besetzen, genau so wie das in ganz Italien bedeutende Gast- und Baugewerbe und der Gesundheitssektor.

Generell gestalten sich Stellenbesetzungen im Norden jedoch erheblich schwieriger als im Süden des Landes. Im Jahr 2023 war die Beschäftigungsquote in den nordöstlichen Gebieten etwa anderthalbmal so hoch wie im Mezzogiorno, der die sechs südlichsten Regionen des Festlands sowie Sizilien und Sardinien umfasst.

Die Arbeitslosenquote ist in Italien von 9,7 Prozent im Jahr 2021 kontinuierlich auf 7,8 Prozent 2023 gesunken. Die Europäische Kommission erwartet weitere Rückgänge auf 7,5 Prozent (2024) und 7,3 Prozent (2025). Auch bei der Arbeitslosigkeit gibt es jedoch ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle, denn die Rate war 2023 im Mezzogiorno etwa dreimal so hoch wie im Norden.

Bildungssystem schneidet in der Pisa-Studie im Mittelfeld ab

In Italien hatten 2023 etwa 65,6 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren einen mittleren oder gymnasialen Schulabschluss. Eine Hochschul- oder sonstige tertiäre Ausbildung hatten 21,6 Prozent absolviert. In der Pisa-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erzielte das italienische Bildungssystem 2022 bei den Mathematikkenntnissen Ergebnisse im Mittel aller OECD-Länder. Beim Leseverständnis schnitt Italien leicht über- und bei den Naturwissenschaften geringfügig unterdurchschnittlich ab.

Eine duale Ausbildung ist in Italien nur in der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol gängig. Es gibt jedoch in der Privatwirtschaft sowohl bei deutschen Investoren als auch bei italienischen Unternehmen viele Initiativen zur dualen Berufsausbildung. Diese unterstützt auch die Deutsch-Italienische Handelskammer, die hierfür eine eigene Tochtergesellschaft unterhält.

Brain Drain in Süditalien

In Sizilien, Kampanien, Kalabrien und Apulien haben 2023 mehr Studierende einen Hochschulabschluss mit Auszeichnung erlangt als in der Lombardei, Piemont, Ligurien und Venetien. Dennoch ist der Bevölkerungsanteil der auf tertiärem Niveau Ausgebildeten im Süden des Landes etwa 10 Prozent geringer als im Norden.

Der Grund sind die schlechteren Beschäftigungsaussichten aufgrund der geringeren Wirtschaftskraft. Das BIP pro Kopf war 2022 im Nordwesten um 84 Prozent und im Nordosten um 77 Prozent höher als im Süden Italiens. Zwischen 2012 und 2021 sind über 1,1 Millionen Menschen aus den südlichen italienischen Regionen in den Norden abgewandert. Im gleichen Zeitraum zogen 157.000 Hochschulabsolventen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren aus Süditalien in die nördlichen Landesteile oder ins Ausland.

Regierung steuert Arbeitskräfteknappheit entgegen

Um Langzeitarbeitslosen im Alter von bis zu 35 Jahren eine unbefristete Anstellung zu erleichtern, hat die Regierung im Mai 2024 ein vom EU-Kohäsionsfonds gefördertes Programm aufgelegt, das die Sozialabgaben der Mitarbeiter für zwei Jahre übernimmt. Im Mezzogiorno können davon auch ältere Arbeitnehmer profitieren. Ferner sind Abschreibungen auf Lohnzahlungen möglich.

Italien hat 2023 auch die Blue Card der EU zur Arbeitserlaubnis für qualifizierte Staatsangehörige anderer Länder eingeführt und damit die Richtlinie EU 2021/1883 umgesetzt. Seit 2024 vergibt Italien zudem erleichterte Arbeitsvisa an hochqualifizierte, im Homeoffice arbeitende IT-Fachkräfte, sogenannte Digital Nomads, die weder aus der EU noch aus der Schweiz stammen.

Italien zieht seit Jahren ausländische Arbeitskräfte an. Im Jahr 2022 sind 261.000 Menschen mehr nach Italien gekommen als von dort ausgewandert sind. Etwa 59 Prozent der Einwanderer waren zwischen 20 und 39 Jahren alt. Italien will außer in der EU unter anderem in Lateinamerika Fachkräfte gewinnen.

Italien im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

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