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Kanada spielt bei Quantencomputing in der Premier League
Kanada hat 2023 seine nationale Quantenstrategie gestartet. Das Land investiert dafür stark in Forschung und Entwicklung. Dabei kooperiert es auch intensiv mit deutschen Partnern.
18.12.2024
Von Heiko Steinacher | Toronto
Kanadas Regierung hat von 2012 bis 2022 mehr als 700 Millionen US-Dollar (US$) in Quantentechnologien investiert. Im Rahmen der Nationalen Quantenstrategie kamen 2023 noch einmal 255 Millionen US$ dazu. Darüber hinaus sind laut McKinsey bis 2023 gut 1,2 Milliarden US$ an privatem Beteiligungskapital in kanadische Quanten-Start-ups geflossen.
Technologierennen bleibt offen
Bis Quantenrechner großflächig in industriellem Maßstab zum Einsatz kommen, ist aber noch viel Forschung und Entwicklung (FuE) notwendig. Neben Quantensensorik, Ionenfallen, Photonen und Supraleitern werden noch weitere Konzepte erforscht, um Quantenbits (Qubits) – die kleinsten Informationseinheiten eines Quantenrechners – physikalisch zu realisieren.
Sobald sich solche Technologien einmal durchgesetzt haben, dürfte der Markt exponentiell wachsen: Laut einer vom National Research Council im Jahr 2020 in Auftrag gegebenen Studie wird Quantencomputing in Kanada bis 2045 einen Marktwert von knapp 100 Milliarden US$ erreichen.
McKinsey zufolge haben sich in Kanada bereits um die 50 Start-ups im Bereich Quantencomputing herausgebildet. Noch mehr gibt es nur in den USA (knapp 100).
Finanzierungsrunde beschert Photonic dreistelligen Millionenbetrag
Die größte Finanzspritze erhielt 2023 mit rund 100 Millionen US$ Photonic: Das Unternehmen aus Vancouver, British Columbia, entwickelt eine skalierbare, fehlertolerante Quantencomputing-Plattform auf Basis siliziumbasierter Spin-Qubits. Dabei kooperiert es mit großen Partnern wie Microsoft und Telus.
Weitere bekannte kanadische Player sind Agnostiq, D-Wave Systems, ProteinQure, Xanadu und 1QBit. Xanadu bietet über die Cloud Zugang zu einem photonischen Quantenprozessor. Dafür nutzt das 2016 in Toronto gegründete Start-up die Cloudinfrastruktur von Amazon Web Services (AWS). Darüber hinaus kooperiert es mit Volkswagen, um Quantencomputer zur Batterieentwicklung einzusetzen, und mit BASF, um Materialeigenschaften sowie chemische Reaktionswege zu optimieren. Ende 2022 hat Xanadu eine Bewertung von 1 Milliarde US$ erreicht.
Vorreiter: D-Wave Systems und Xanadu
Neben Xanadu zählt auch D-Wave Systems zu den Wegbereitern: Das bereits 1999 gegründete Unternehmen aus Burnaby, British Columbia, entwickelt Quanten-Annealing-Maschinen. Das sind spezielle Quantencomputer zur Lösung von Optimierungsproblemen. Die Qubits werden dabei über supraleitende Schleifen realisiert. D-Wave Systems kooperiert mit IBM, dessen quantenintegrierte Schaltkreise auf supraleitenden Qubits basieren.
Die meisten Technologieriesen, darunter neben IBM auch Amazon und Google, setzen supraleitende Qubits ein. Anyon Systems aus Dorval, Québec, entwickelt gemeinsam mit SDT ein 20-Qubit-Supraleitungs-Quantencomputersystem mit einem integrierten Nvidia-Superchip für künstliche Intelligenz (KI).
SBQuantum setzt auf Quantensensorik, um die besonderen Eigenschaften von Quantensystemen für extrem präzise Messungen zu nutzen. Das Unternehmen aus Sherbrooke, Québec, entwickelt magnetische Quantensensoren für den Bergbau und andere industrielle Anwendungen. Es kooperiert sowohl mit der CSA als auch der ESA, also der kanadischen und der europäischen Raumfahrtagentur.
Auf sogenannte Ionenfallen, bei denen Ionen mittels Elektro- und Magnetfeldern festgehalten werden, setzt in Kanada dagegen derzeit keine prominente Firma. Diesen ebenfalls vielversprechenden Technologieansatz verfolgen unter anderem das US-Unternehmen IonQ und Quantinuum, an dem Honeywell (USA) mehrheitlich beteiligt ist.
Québec gibt viel für Quantenförderung
Kanada unterstützt die Quanten-FuE mittels zahlreicher Förderprogramme. Die Provinz Québec nimmt dafür viel Geld in die Hand. Das französische Unternehmen Pasqal, das Quantencomputer auf Basis neutraler Atome baut, hat dort zusammen mit Investissement Québec eine 46-Millionen-US$-Initiative gestartet – mit dem Ziel, Sherbrooke zu einem international anerkannten Zentrum für Quantencomputer zu machen.
Die Provinz beherbergt bedeutende Forschungszentren wie den Montreal Quantum Research Hub und die Quebec Digital and Quantum Innovation Platform (PINQ2). IBM Canada und PINQ2 haben 2023 in Bromont, Québec, einen Quantencomputer mit einem 127-Qubit-Prozessor eingeführt. IBM betreibt dort eine der größten Chipmontage- und Testanlagen Nordamerikas.
Am MiQro Innovation Collaborative Centre (C2MI), ebenfalls in Bromont, Québec, entsteht eine Fabrik für supraleitende Quantenchips. Es handelt sich dabei um ein öffentlich-privates Projekt. Das Werk soll Ende 2025 fertig sein. Unternehmen können die Technologie dort in einer realen Produktionsumgebung erproben.
Universitäten Toronto und Waterloo in der Quantenforschung Weltspitze
Darüber hinaus sind die University of Toronto und die University of Waterloo, beide Ontario, weltweit führend in der Quantenforschung. Die meisten Quantentechnologie-Start-ups sind eng mit den Hochschulen verbunden. So hat die University of Toronto mehr als 700 Start-ups hervorgebracht, die mehr als 1,5 Milliarden US$ an Kapital angezogen haben. Mehrere Dutzend davon waren Quantencomputing-Start-ups.
Im Westen des Landes beherbergt die University of Calgary das Institute of Quantum Science and Technology sowie die Initiative Quantum City, eine strategische Partnerschaft zwischen der Universität, der Provinzregierung von Alberta und dem indischen Industriepartner Mphasis.
Starke bilaterale Forschungskooperation
Deutschland und Kanada arbeiten im Quantencomputing-Bereich intensiv zusammen. So entwickeln deutsche Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft, wie DESY und das Forschungszentrum Jülich, gemeinsam mit der Forschungseinrichtung TRIUMF aus Vancouver Quantennetzwerke, vor allem im Bereich maschinelles Lernen. Darüber hinaus organisiert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seit 2022 jährlich einen "German/Canadian Partnering Day", um die deutsch-kanadische Forschungskooperation im Bereich Quantencomputing noch weiterzuentwickeln.