Kanadas Start-up-Ökosystem bietet Gründern zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten. Viele gehen aber auch in die USA, wo die Risikokapitalmärkte größer und leichter zugänglich sind.
Kanada bietet eine breite Palette an Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups in allen Wachstumsphasen. Einen Überblick zu den Optionen bei der staatlichen Förderung gibt die Regierungswebsite Business Grants and Financing, auf der Gründer unter anderem über den Business Benefits Finder ihre Fördermöglichkeiten einsehen können.
Viele Programme und Netzwerke sind international ausgerichtet und bieten daher auch ausländischen Firmen Zugangsmöglichkeiten. Frühe Phasen werden oft durch spezialisierte Programme und Netzwerke unterstützt, während in späteren global agierende Risikokapitalgeber dominieren.
So konzentriert sich zum Beispiel der Venture-Capital (VC)-Fonds TandemLaunch aus Montreal auf Deep-Tech-Start-ups in der Seed-Phase. Ein weiterer Frühphaseninvestor, ebenfalls mit Sitz in Montreal, ist Diagram Ventures; er konzentriert sich auf die Bereiche Fintech, ClimateTech und Web3. Der Techstars Montreal AI Accelerator dagegen wählt Start-ups aus, die KI in verschiedenen Branchen vorantreiben.
In der Seed-Phase steigen Angel-Investoren, VCs und Inkubatoren ein
Ein führender Seed-Stage-VC-Fonds mit Sitz in Toronto ist Golden Ventures. Ein führender Accelerator ist FounderFuel (Montreal). Die Risikokapitalgesellschaft Relay Ventures (Toronto) konzentriert sich auf Frühphaseninvestitionen in Techunternehmen. Bekannte Business-Angel-Netzwerke, die Start-ups in der Frühphase mit Investoren verbinden, sind:
Eine Reihe von VCs unterstützt und fördert Start-ups auch in der anschließenden Aufbau-, Wachstums- und Reifephase. Zu den bedeutendsten gehören:
Inovia Capital hat unter anderem in Lightspeed (cloudbasierte Point-of-Sale- und E-Commerce-Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen/KMU), Sonder (Travel Tech) und BenchSci (KI-Lösungen für die Arzneimittelforschung) investiert.
Zu den Portfoliounternehmen von Real Ventures gehören unter anderem XpertSea (Technologie zur Verbesserung der Aquakulturindustrie), Mejuri (Direct-to-Consumer-Schmuckunternehmen) und Tenstorrent (Entwicklung von Hochleistungscomputern für KI).
BDC, Omers und Inovia haben auch in internationale Start-ups investiert, darunter einige in Deutschland. Teachers’ Venture Growth (TVG) hat sogar in mehrere deutsche Jungfirmen investiert, darunter in DeepL, Instagrid, Trade Republic und Taxfix.
Die Zugangschancen zu Kapital variieren je nach Wachstumsphase eines Start-ups. Ausländische Start-ups haben in der Pre-Seed- und Seed-Phase oft Zugang zu einer Vielzahl von Programmen und Netzwerken, die speziell darauf ausgelegt sind, internationale Talente anzuziehen. Auch in den späteren Phasen (Series A bis E) können gute Zugangschancen bestehen, da viele kanadische Risikokapitalgeber in vielversprechende Start-ups weltweit investieren.
Kanada bietet mehrere Gründerzentren und Förderprogramme
Der MaRS Discovery District (Toronto) ist eines der größten Innovationszentren der Welt und bietet eine Vielzahl von Programmen und Ressourcen für Start-ups, einschließlich Finanzierung, Mentoring und Zugang zu einem umfangreichen Netzwerk. Die E-Commerce-Plattform Shopify hatte dort ihre Anfänge.
Neben Acceleratoren und Inkubatoren gibt es in Kanada auch viele Gründungsprogramme und -wettbewerbe. Dazu gehört das staatliche Industrial Research Assistance Program (IRAP), das Forschungs- und Entwicklungs(FuE)-Projekte von KMU unterstützt. Über IRAP hat zum Beispiel D-Wave Systems Fördermittel erhalten; das Unternehmen aus Burnaby, British Columbia, entwickelt spezielle Quantencomputer zur Lösung von Optimierungsproblemen.
Ein weiteres öffentliches Programm, Sustainable Development Technology Canada (SDTC), bietet Unterstützung für Projekte, die zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen; einer der prominentesten Nutznießer ist CarbonCure Technologies, das für seine Technologie zur Reduzierung von CO2-Emissionen in der Betonproduktion bekannt ist.
In Kanada existiert auch ein Ableger der ursprünglich britischen Fernsehshow Dragons' Den, in der Unternehmer ihre Geschäftsideen einer Gruppe von wohlhabenden Investoren (den "Drachen") präsentieren. Die Investoren entscheiden dann, ob sie in die vorgestellten Unternehmen investieren möchten. Es gibt auch eine Québec-spezifische Version namens "Dans l'oeil du Dragon".
Heimische Geldgeber erwarten oft schnelle Renditen
Nach Angaben der Canadian Venture Capital and Private Equity Association (CVCA) erreichten die Wagniskapitalinvestitionen 2024 zwar beachtliche 5,5 Milliarden US$. Obwohl sich die Situation für Jungunternehmen in frühen Phasen insgesamt etwas gebessert hat, beklagt die Szene weiterhin mangelhafte Finanzierungsmöglichkeiten durch heimische Business Angels und Wagniskapitalgeber. Diese erwarten oft schnelle Renditen.
Auch risikobehaftete Start-ups stoßen mitunter schnell an ihre Grenzen: So kann zum Beispiel ein Biotech-Start-up, das sich auf die Entwicklung innovativer medizinischer Geräte spezialisiert hat, Schwierigkeiten bei der Kapitalgebersuche bekommen, da Forschung und Entwicklung in der Gesundheitsbranche oft mit hohen Risiken verbunden ist.
BDC Capital kündigte im Februar 2025 fast 0,7 Milliarden US$ an neuen Mitteln für kanadische Technologieunternehmen in der Spätphase an. Damit soll sichergestellt werden, dass kanadische Top-Start-ups in späteren Finanzierungsphasen ihr Geschäft innerhalb Kanadas skalieren und ihre Investoren nicht im Ausland suchen.
Dennoch sind viele aufstrebende Firmen auf ausländische Geldgeber angewiesen. So suchen kanadische Start-ups oft nach Finanzierungsmöglichkeiten in den USA, wo die Risikokapitalmärkte größer und leichter zugänglich sind. Das führt häufig dazu, dass diese Start-ups auf dem US-Markt wachsen und skalieren und so ihre Aktivitäten möglicherweise südlich der Grenze verlagern.
Von Heiko Steinacher
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Toronto