Special | Kasachstan | Schiffsverkehr
Ambitionierte Exportpläne erfordern Ausbau der Schiffsflotte
Kasachstan will unter Umgehung Russlands mehr Erdöl und andere Rohstoffe über das Kaspische Meer exportieren. Eine zu kleine und veraltete Flotte steht dem noch entgegen. (Stand: 08.08.2023)
Von Edda Schlager | Berlin
Das zentralasiatische Kasachstan will künftig deutlich mehr Rohstoffe über den Seeweg nach Europa liefern. Während Kasachstan gerade seine Häfen für die erhöhten Transportbedarfe fit macht, hinkt die Ausstattung der eigenen Schiffsflotte hinterher.
Ölexport per Tanker statt per Russland-Pipeline
Rund 84,2 Millionen Tonnen Erdöl exportierte das Land im Jahr 2022 laut der kasachischen Statistikagentur. Rund 80 Prozent dieser Exporte werden aber bisher über die von Kasachstan nach Russland verlaufende Pipeline des multinationalen Unternehmens Caspian Pipeline Consortium (CPC) ausgeführt.
Um die Abhängigkeit von Russland zu verringern, soll nun mehr Öl per Tanker aus dem kasachischen Aktau über das Kaspische Meer nach Baku in Aserbaidschan verschifft werden. Dort wird es in die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) eingespeist und von dort bis in die Türkei weitertransportiert. Künftig sind jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Ölexporte auf diesem Wege geplant. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 hatte Kasachstan auf dem Seeweg 1,8 Millionen Tonnen Erdöl exportiert, im Jahr zuvor nur 0,6 Millionen Tonnen. KazMorTransFlot (KMTF) ist die größte Reederei des Landes und hat Stand Juli 2023 auf dem Kaspischen Meer 17 Schiffe im Einsatz.
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Flotte für steigende Transportmengen nicht gerüstet
Kasachstan will die transkaspische Seeroute aber auch für andere Rohstoffe wie Uran, Kupfer sowie grünen Wasserstoff und Containerfracht nutzen. Dafür ist die Flotte des Landes laut Askhat Kabashev, Vorstandsvorsitzender der Hafengesellschaft Aktau, nur ungenügend ausgestattet. "Den Transport von Containern, Stückgut und Massengütern wickeln fast ausschließlich Schiffe aus Aserbaidschan ab", so Kabashev. "Diese wurden teilweise noch in den 1980er, 1990er Jahren gebaut und entsprechen technisch nicht mehr heutigen Ansprüchen." Gebraucht würden moderne Mehrzweck-Trockenfrachtschiffe, Containerschiffe sowie Eisenbahn- und Autofähren.
Für die Beschaffung neuer Schiffe hat Kasachstans Erdöl- und Gaskonzern KazMunayGas (KMG, Mutterkonzern von KMTF) im Februar 2023 mit der Abu Dhabi Ports Group ein Joint Venture gegründet: Caspian Integrated Maritime Solutions plant noch im Jahr 2023 zwölf Öltanker mit einer Tragfähigkeit von jeweils 8.000 bis 12.000 Tonnen zu kaufen. Im Juli 2023 hat es bereits die ersten zwei Tanker für rund 30 Millionen US-Dollar (US$) erworben: Die beiden 8.000-Tonnen-Öltanker kommen aus der Werft des niederländischen Damen-Konzerns im rumänischen Galati.
Ambitionierte Pläne im Schiffbau
Laut KMTF ist Kasachstan derzeit in Verhandlungen mit südkoreanischen Werften über den Kauf von bis zu 20 Frachtschiffen für diverse Transportgüter. Diese sollen in Südkorea vormontiert und in Kasachstan endgefertigt werden. Für die Finanzierung des geschätzt 500 bis 800 Millionen US$ teuren Projekts kämen KMTF zufolge unter anderem die Asiatische Entwicklungsbank und die Islamische Entwicklungsbank in Frage. Konkrete Vereinbarungen gibt es bisher nicht.
Pläne für eine eigene Werft für den Bau neuer Schiffe diskutiert Kasachstan seit Jahren – konkret wurden sie nie. Jetzt könnte der Ausbau des Mittleren Korridors mit einem wachsenden Bedarf an Handelsschiffen neue Impulse setzen. Der kasachische Projektentwickler Semurg Invest erwägt den Bau einer Werft am gerade entstehenden Hafenstandort Kuryk. Semurg Invest rechnet mit Investitionen von rund 300 bis 400 Millionen US$ für eine Werft und verhandelt mit möglichen Investoren. Konkrete Pläne und Kalkulationen stehen noch aus.
Maritime Besonderheiten erschweren Anschaffungen
Für eine eigene Werft sprechen auch die besonderen maritimen Bedingungen am Kaspischen Meer, das als Binnenmeer keinen direkten Zugang zu den Weltmeeren hat. Kasachstans Kaspi-Flotte stammt teilweise von Werften im Norden Russlands, teilweise aus Südosteuropa. Die Schiffe wurden über das sogenannte einheitliche Tiefwassersystem des europäischen Teils von Russland ins Kaspische Meer gebracht. Das System aus Binnenwasserstraßen schränkt die mögliche Größe der Schiffe stark ein. Aufgrund der Abmessung der Schleusen am Wolga-Don-Kanal von 145 Metern Länge und 18 Metern Breite müssen Schiffe diese Größe unterschreiten, der Tiefgang darf nicht mehr als 3,35 Meter betragen.
Dass der Bedarf an einer modernen Flotte insbesondere in Kasachstan und Aserbaidschan steigen wird, sieht man auch beim deutschen Logistikdienstleister Rhenus Group so. Das Unternehmen nutzt den Mittleren Korridor bisher kaum für Transporte zwischen Europa und Asien. Heinrich Kerstgens, verantwortlich für Entwicklungsprojekte, ist aber überzeugt: "Im Südkaukasus und in Zentralasien leben rund 90 Millionen Menschen. Das sind aufstrebende Volkswirtschaften mit positiven Wachstumsraten und die brauchen Logistik."
Deutsches Pilotprojekt für emissionsarme Kaspi-Flotte
Deshalb hat das Unternehmen eine Arbeitsgruppe mit Partnern aus Kasachstan, Aserbaidschan und Deutschland gegründet, um gemeinsam Schiffe für das Kaspische Meer zu bauen. "Sowohl seitens der zuständigen Ministerien in Kasachstan und Aserbaidschan, als auch bei den Hafenbetreibern und Reedereien beider Länder besteht Interesse", so Kerstgens. Ihm schweben Containerschiffe vor, wie sie in der Binnenschifffahrt in Europa zum Einsatz kommen. Diese hätten eine optimale Breite und Länge, um möglichst viele Container aufzunehmen, ermöglichten aber dennoch kurze Ladezeiten. Zudem sei ihr geringer Tiefgang angepasst an das Kaspische Meer. Dieses hat eine durchschnittliche Tiefe von nur 5 bis 6 Metern.
Für die europäische Binnenschifffahrt hat die Rhenus Group mit Partnern einen besonders emissionsarmen Schiffsantrieb entwickelt – eine Kombination aus Lithium-Ionen-Batterie, Dieselmotor der emissionsärmsten Schadstoffklasse Euro VI und Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis. Gebaut werden könnten die Schiffe in der aserbaidschanischen Werft Baku Shipyard. Bis zu 40 Schiffe solchen Typs könnten laut Rhenus in den kommenden Jahren gebraucht werden.