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Branche kompakt | Kolumbien | Medizintechnik

Kolumbiens starker Gesundheitsmarkt hat finanzielle Probleme

Kolumbien ist der drittgrößte Medizintechnikmarkt Lateinamerikas. Strukturelle Wachstumstreiber sorgen für Schub. Doch die Branche steht vor unsicheren Zeiten.

Von Janosch Siepen | Bogotá

Ausblick der Medizintechnik in Kolumbien

  • Zahlreiche regionale Modernisierungsprojekte geplant, etwa in den Bundesstaaten Cesar, Tolima, Valle del Cauca und Bolívar.
  • Strukturelle Wachstumstreiber wie eine große Bevölkerung, chronische Krankheiten, hoher Modernisierungsbedarf und Abhängigkeit von Importen.
  • Bürokratischer und unterfinanzierter Gesundheitssektor hindert Wachstum.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Juli 2024

Markttrends

Der kolumbianische Medizintechnikmarkt wird zwischen 2023 und 2028 jährlich um knapp 6 Prozent wachsen und ein Marktvolumen von 2 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen, prognostizieren die Marktforscher von Fitch Solutions. Sie gehen davon aus, dass vor allem der Markt für A-, B- und C-Röntgengeräte sowie Röntgenfilme mit Wachstumsraten von 22 Prozent stark zulegen wird. Bei Bildgebungsprodukten und -zubehör ist Deutschland wichtigster Lieferant Kolumbiens.

Die kolumbianische Regierung plant, den Gesundheitssektor durch ihre nationale Reindustrialisierungspolitik zu stärken. Ziel ist es, die Produktivität zu erhöhen und die nationale Produktion von Arzneimitteln, Medizintechnik und Impfstoffen in entsprechenden Produktionsstätten zu fördern. Geplante Investitionen belaufen sich auf rund 400 Millionen US$. Der Haushaltsplan für 2024 sieht 17 Prozent mehr Ausgaben für das Gesundheitsministerium vor als im Jahr 2023. Doch erwartet das Ministerium über 5 Prozent Budgetkürzungen aufgrund von geringeren Steuereinnahmen.

Ausgewählte Investitionsprojekte im Gesundheitssektor in KolumbienInvestitionssumme in Millionen US-Dollar
Name (Bundesstaat)

Investitionssumme

ProjektstandAnmerkung
Großer Krankenhauspark Engativá (Bogotá)

222

Machbarkeitsphase229 Betten, 32.268 Quadratmeter
Neues Santa Clara Krankenhaus (Bogotá)

138

Vor-Bauphase312 Betten, 38.000 Quadratmeter
Neues Simón Bolívar Krankenhaus (Bogotá)

135

Machbarkeitsphase408 Betten, 49.300 Quadratmeter
Neues Usme Krankenhaus (Bogotá)

76

Im Bau221 Betten, 32.151 Quadratmeter
Citadel Krankenhaus (Buenaventura)

63

Frühe Planung und Entwicklungk.A.
Neues regionales Krankenhaus Fusagasugá (Cundinamarca)

55

Fortgeschrittene Planung und Entwicklung246 Betten, 29.748 Quadratmeter
Modernisierung Universitätsklinikum San Juan de Dios (Bogotá)

28

k.A.Sanierung und strukturelle Verstärkung
Guainía Investitionsplan (Guainía)

24

k.A.Modernisierungsarbeiten, Flussgesundheitszentrum
Cauca Investitionsplan (Cauca)

24

k.A.Neue medizinische Geräte, Bau und Modernisierung von Krankenhäusern
Barranquilla Investitionsplan (Atlántico)

15

k.A.Modernisierung Spezialisiertes Zentrum für komplementäre psychische Gesundheit
Quelle: BNamericas Juni 2024, Recherchen von Germany Trade & Invest

Gesundheitsbranche vor ungewisser Zukunft

Es ist unklar, wie sich der Sektor künftig entwickeln wird. Nachdem die geplante Gesundheitsreform Anfang April 2024 gescheitert ist, beabsichtigt die Regierung, in der nächsten Sitzungsperiode des Kongresses ab Juli einen neuen Reformvorschlag vorzulegen. Das Reformvorhaben hatte in der Vergangenheit für Kritik gesorgt, eine staatliche Zentralisierung von Gesundheitsausgaben würde zu Misswirtschaft führen.

Seit der fehlgeschlagenen Reform steht die Gesundheitspolitik unter starkem staatlichen Einfluss: Die Regierung stellte unter anderem zwei große private Krankenversicherungen unter ihre Verwaltung. Die Krankenversicherung Sura gab bekannt, sich aus dem Gesundheitssystem zurückziehen zu wollen, da die zugewendeten Mittel der Regierung nicht mehr ausreichend seien. Nach dem Reformscheitern argumentieren Kritiker, dass die Regierung privaten Versicherern die Finanzierung entzieht und andere Entscheidungen trifft, die es für sie unrentabel machen, in Kolumbien tätig zu sein.

Großer Markt mit umfassender Abdeckung

Das Wachstum des Marktes wird durch strukturelle Faktoren wie eine große Bevölkerung, den Anstieg chronischer Krankheiten, eine umfassende Krankenversicherungsabdeckung (rund 95 Prozent), einen hohen Modernisierungsbedarf, einen kleinen, aber fortschrittlichen privaten Gesundheitssektor mit regional führenden Kliniken sowie die Abhängigkeit von Importen angetrieben.

Beim Thema Digital Health gilt Kolumbien als recht weit fortgeschritten. Mit der Resolution 866 von 2021, dem nationalen Telegesundheitsplan 2021-2030, der Roadmap Salud Digital 2022-2031 und dem Plan Estratégico de Tecnologías de la Información 2024-2026 soll der Sektor zunehmend digitalisiert werden.

Gesundheitssektor ist unterfinanziert

Das Gesundheitssystem weist Schwächen auf, insbesondere unzureichende Mittel. Krankenversicherungen haben finanzielle Engpässe und schulden Krankenhäusern hohe Summen. Deutsche Unternehmen kritisieren die finanzielle Verlässlichkeit im Gesundheitssystem sowie mangelnde Rechtssicherheit hinsichtlich des Schutzes von Patenten ausländischer Unternehmen. 

Ein Positionspapier der europäischen Handelskammern gibt einen Überblick über aktuelle technische Debatten in der kolumbianischen Gesundheitswirtschaft.

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Etwa 5 Prozent der Gesundheitsausgaben entfallen laut Fitch Solutions auf Medizintechnik. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Medizintechnik sind gering (30 US$). Verbrauchsmaterialien und andere medizinische Geräte haben den größten Marktanteil, gefolgt von Orthopädie und Prothetik. 

Kolumbiens Medizintechnikmarkt ist auf Einfuhren angewiesen. Die Medizintechnikimporte Kolumbiens beliefen sich 2022 auf 1,3 Milliarden US-Dollar. Verbrauchsgüter, Orthopädietechnik und Prothetik sowie diagnostische Bildgebung haben die größten Importanteile, während zahnmedizinische Produkte der kleinste Produktbereich sind.

Deutschland ist drittwichtigster Lieferant

Die USA sind Kolumbiens Hauptlieferant für Medizintechnik (29 Prozent Anteil), gefolgt von China (20 Prozent Anteil) und Deutschland (8 Prozent Anteil). Deutschland ist bei Lieferungen von Magnetresonanztomographie, Röntgenröhren, zahnmedizinischer Röntgendiagnostik und Kontrastmitteln führend, so die Zahlen von Fitch Solutions für das Jahr 2022. 

Internationale Produzenten und Unternehmen im Bereich der Medizintechnik in Kolumbien sind unter anderem 3M, B.Braun, Baxter, Essity und Johnson & Johnson sowie Siemens Healthineers, GE Healthcare und Philips. Ausführliche Informationen zur Ausstattung und Außenwirtschaft des kolumbianischen Gesundheitsmarktes bietet die kolumbianische Kammer für Medizin- und Gesundheitsprodukte.

Lokale Produktion fokussiert sich auf einfache Produkte

Die lokale Herstellung konzentriert sich auf technologiearme Produkte. Verbrauchsmittel machen den Großteil der Produktion aus, vor allem Spritzen, Nadeln und Katheter. Bei den meisten Unternehmen handelt es sich um Kleinbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigten. 

Die meisten Hersteller befinden sich in Bogotá und im Bundesstaat Antioquia. Zu wichtigen Produzenten gehören Procaps (Pharma, Medizintechnik), New Stetic (Dentalprodukte), Eterna (Gummi- und Plastikprodukte) sowie Industrias Metálicas Los Pinos (Krankenhausbetten).  

Aufsichtsbehörde in der Kritik

Öffentliche Ausschreibungen finden sich unter anderem unter Colombia Compra Eficiente. Die Nationale Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Lebensmittel (INVIMA) reguliert Medizinprodukte. Deutsche Unternehmensvertreter bemängeln fehlende Klarheit und Standardisierung in Prozessen und Verfahren, Mangel an Personal und Effizienz sowie langwierige Registrierungsverfahren. 

Mithilfe von Resolutionen (zuletzt Resolution 641 von 2024) werden im kolumbianischen Gesundheitssystem fortlaufend Dienstleistungen und Technologien überprüft und im Zweifel von der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens ausgeschlossen.

"Was auch passiert, der Patient wird immer eine Gesundheitsversorgung haben"

Juan Salcedo ist Direktor für Marktzugang für die Andenländer, Mittelamerika und die Karibik sowie Vertriebsleiter in Kolumbien, Ecuador und Peru beim deutschen Chemieunternehmen Bayer. Im Interview spricht er über Chancen und Herausforderungen in der kolumbianischen Gesundheitsbranche.

Herr Salcedo, welche Vorteile bietet das kolumbianische Gesundheitssystem?

Das Versicherungsmodell des kolumbianischen Gesundheitssystems sieht eine universelle und solidarische Versorgung vor. Die Gesundheitsversorgung ist Verfassungsrecht. Das bedeutet, dass alle Patienten unabhängig von den gesellschaftspolitischen Umständen das Recht auf Gesundheitsversorgung haben. So hat das System beispielsweise eine Abdeckung von über 99 Prozent erreicht und ist damit einer der Benchmarks in der Region.Zudem will ich betonen, dass Kolumbien ein sozialer Rechtsstaat ist. Die starke Regierungsführung und Institutionen zielen darauf ab, die Interessen der Bevölkerung zu schützen.

Welche Herausforderungen bestehen?

Trotz seiner Erfolge steht das System vor mehreren Herausforderungen. Erstens steht die nachhaltige Finanzierung unter Druck, da das System öffentlich ist. Zweitens sind die Ressourcen begrenzt und es werden derzeit mehr Patienten subventioniert als Beiträge geleistet. Drittens erschwert die geografische Lage des Landes den Zugang zu Dienstleistungen in ländlichen Gebieten im Vergleich zu Großstädten. 

Was empfehlen Sie deutschen Firmen?

Deutsche Unternehmen sollten den Herausforderungen des Gesundheitssystems in Kolumbien zuvorkommen und sich auf diese vorbereiten. Eine strategische Zusammenarbeit mit wichtigen Akteuren wie Krankenkassen, Ärzten und Kliniken ist dabei unerlässlich. Aus Sicht von Bayer bedeutet das, dass wir uns nicht nur auf unser Arzneimittelportfolio fokussieren, sondern auch auf die administrativen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Akteure in der Branche. Unternehmen sollten zudem langfristig denken und sich auf geschäftliche Nachhaltigkeit und Patientenversorgung konzentrieren. Das epidemiologische Profil der kolumbianischen Bevölkerung bietet große Chancen für Innovation und Gesundheitsverbesserung.

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