Branchen | Kolumbien | Öl, Gas
Regierungspläne dämpfen Aussichten
Großes Rohstoffpotenzial, guter Ölpreis, steigende Nachfrage - die Aussichten für Kolumbiens Öl- und Gassektor könnten gut sein. Doch die neue Regierung sorgt für Unsicherheit.
19.01.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Kolumbiens Öl- und Gasreserven reichen nur noch für jeweils etwa acht Jahre. Ende 2021 hoffte die Nationale Behörde für Kohlenwasserstoff (ANH) noch auf 3 Milliarden zusätzliche Barrel Öleinheiten bis 2040. Doch die Zukunft der Branche ist nach der Wahl Gustavo Petros zum Präsidenten im Juni 2022 ungewiss.
Offshore könnte für Dynamik sorgen
Zwischen Januar und Oktober 2022 ging die kolumbianische Gasproduktion um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück. Neue Technologien im Gassektor könnten der Branche jedoch mittelfristig einen Schub geben. Das gilt vor allem für Offshore-Bohrungen vor der kolumbianischen Karibikküste.
Der Staatskonzern Ecopetrol und Shell meldeten im August 2022 Gasvorkommen in 2.400 Metern Tiefe beim Projekt Gorgón-2. Einen Monat zuvor hatten Ecopetrol und Petrobras bei ihrem Uchuva-1-Projekt Gas vor der Küste der nordkolumbianischen Stadt Santa Marta entdeckt. Auch beim Projekt Cumbia-1 möchten Shell und Noble Energy (Chevron) künftig nach Rohstoffvorkommen bohren.
Flüssiggas soll Versorgung sichern
Auch Flüssigerdgas (LNG) wird künftig eine wichtigere Rolle spielen. Bisher wird der Rohstoff über das einzige Terminal des Landes in Cartagena an der Karibikküste importiert. Promigas, der Betreiber der Anlage, plant, die Kapazität des Terminals auszubauen.
Doch Kolumbien möchte LNG in Zukunft auch an der Pazifikküste einführen. Dazu beginnt in der Hafenstadt Buenaventura ab Mai 2023 der Bau einer Regasifizierungsanlage für 1 Milliarde US-Dollar (US$). Das Projekt soll Gas speichern können und im Fall von Engpässen eine ausreichende Versorgung in Westkolumbien sicherstellen. Auch das Unternehmen Andes Energy plant ab 2025 einen Flüssiggasterminal am Pazifik betreiben, das ein 400 Megawatt starkes Gaskraftwerk versorgen soll.
Name (Kapazität) | Investitionen (in Mio. US$) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Sebastopol Raffinerie (150.000 Barrel/Tag) | 6.000 | Vergabeverfahren ab Januar 2023; Baubeginn ab März 2025, Betriebsbeginn ab März 2027 | Fünfte Raffinerie des Landes; in Antioquia; Betreiber: Refinería Colombiana Sebastopol |
Sucre LNG Terminal und elektrischer Komplex (550.000 m³ LNG/Jahr) | 4.000 | Betriebsbeginn ursprünglich für Dezember 2022 geplant, seit 2020 keine Neuigkeiten | Bau eines Offshore-Flüssiggaserminals und thermoelektrischen Komplexes an der Karibikküste; Betreiber: GIEPSA |
Buenaventura Regasifizierungsanlage (200.000 m³ Speicherkapazität) | 1.000 | Projektvergabe in der ersten Jahreshälfte 2023, Bau ab Mai 2023, Betrieb ab 2027 | Anlage und Pipeline an der Pazifikküste; Betreiber: Minenergía, Konsortien Sener Pacífico und Delvasto & Echeverría- HNA Ingeniería |
Andes Energy Terminal (400 Megawatt) | 700 | Machbarkeitsstudien, Baubeginn ab Oktober 2023, Betrieb ab Mitte 2025 geplant | Terminal für Import von Flüssiggas und Regasifizierung an der Pazifikküste; Betreiber: Andes Energy Terminal |
Gaspipeline Jobo Station-Medellín (289 Kilometer; 2,3 Mio. m³/Tag) | 433 | Umweltlizenz soll bis Mitte 2023 fertig sein, Setco baut Pipeline ab Juni 2023, Betrieb ab 2024 | Pipeline zwischen der Jobo-Gasanlage nahe der Karibikküste und Medellín, Betreiber: Canacol Energy, Setco |
Ölpipeline Yumbo-Pasto (300 Kilometer, 25.000 Barrel/Tag) | 327 | Machbarkeitsstudie durchgeführt, Projekt vor regionalem Unternehmenssektor vorgestellt, von UPME mit mittlerer Priorität gelistet | Mehrzweckpipeline zur Versorgung der Bundesstaaten Cauca, Nariño und Putumayo, Betreiber: Unidad de Planeación Minero Energética (UPME) |
Gaspipeline Yumbo-Vasconia (7,7 Mio. m³/Tag) | 105 | Projekt im nationalen Gasversorgungsplan 2020 vorgesehen, Betrieb ab 2024 geplant | In den Bundesstaaten Valle del Cauca und Quindío, Betreiber: Minenergía |
Gaspipeline Barranquilla-Ballena (4,8 Mio. m³/Tag) | 90 | Teil des Erdgasversorgungsplans 2020 | Im Bundesstaat Atlántico, Betreiber: Minenergía |
Ausbau der Infrastruktur geht weiter
Zudem bietet der Infrastrukturausbau zwischen den Küsten und dem Landesinneren Chancen. Canacol aus Kanada und Setco aus China bauen eine Gaspipeline zwischen der Karibikküste und Kolumbiens zweitgrößter Stadt Medellín. Eine 120 Kilometer lange Pipeline zwischen Buenaventura an der Pazifikküste und Yumbo (bei Cali) macht das Flüssiggas von der Küste für die Regionen im Westen des Landes zugänglich.
Zukunft des Sektors unter Petro unklar
Trotz der positiven Trends steht Kolumbiens Öl- und Gasbranche nach der Wahl Gustavo Petros vor unsicheren Zeiten. Eines seiner zentralen Wahlversprechen war, die Vergabe von neuen Explorations- und Förderlizenzen für fossile Energien zu stoppen. Laut Beobachtern könnte das zu einer enormen Währungsabwertung führen und Kolumbiens Energiesicherheit gefährden. Denn laut der Nationalen Planungseinheit für Bergbau und Energie (UPME) wird die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen im Land bis 2036 um rund 9 Prozent jährlich steigen.
Seit seinem Amtsantritt im August 2022 sendet Petros Kabinett widersprüchliche Signale, inwieweit das Versprechen umgesetzt werden soll. Medienberichten von Ende Oktober 2022 zufolge überdenke die Regierung Petros den Plan, keine neuen Ölverträge zu genehmigen. Zudem sagte Finanzminister José Antonio Ocampo, dass Ölexporte weitergehen müssten.
Neue Steuerreform setzt erstes Zeichen
Petros neue Steuerreform sieht allerdings schon jetzt deutliche Belastungen für den Sektor vor. Die Reform beinhaltet zusätzliche Steuerzuschläge (siehe Tabelle) und beseitigt Steuerabzüge für bereits gezahlte Förderabgaben. Der prominente Thinktank Fedesarrollo schätzt, dass sich dadurch der effektive Steuersatz bei einem Ölpreis über 82 US$ pro Barrel beinahe verdoppeln könne. Zwar gab Ecopetrol an, die Reform habe minimale Auswirkungen auf den Betrieb des Unternehmens. Allerdings könnten zahlreiche Firmen aus den USA gegen die Regierung Petros klagen, so der Unternehmensverband US-amerikanischer Firmen in Kolumbien (CEA). Laut CEA könnten US-Firmen die Steueränderungen als "Vertragsbruch und Verstoß gegen das Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern" sehen.
Preis pro Barrel (in US-Dollar) | Steuerzuschlag (in Prozent) | Gesamtsteuersatz (in Prozent) |
---|---|---|
unter 67,3 | 0 | 35 |
67,3 und 75 | 5 | 40 |
75 und 82,2 | 10 | 45 |
über 82,2 | 15 | 50 |
Über 100 Abgeordnete reichten im August zudem bereits zum vierten Mal einen Gesetzentwurf zum Verbot von Fracking im Kongress ein. Ecopetrol bestätigte im November, dass es die Vereinbarungen mit ExxonMobil über zwei Pilotprojekte zur Kohlenwasserstoffexploration mit Fracking in Kolumbien rückgängig mache.
Importe aus Venezuela möglich
Sollte die kolumbianische Regierung an ihren bisherigen Plänen festhalten, wäre das Land ab Ende der Dekade auf Importe von fossiler Energie angewiesen, so der Branchenverband ACP. Ein potenzieller Gaslieferant ist Venezuela. Zwischen den beiden Ländern existiert bereits eine 224 Kilometer lange inaktive Pipeline. Das venezolanische Unternehmen Prodata Energy erhielt eine Genehmigung, ab Ende 2023 rund 25 Millionen Kubikfuß Gas täglich nach Kolumbien zu exportieren. Allerdings könnten sich die Gasrechnungen der kolumbianischen Haushalte verfünffachen, sollte das Land künftig nur noch Gas importieren, anstatt selbst zu produzieren, warnt Ecopetrol.
Deutsche Firmen genießen hervorragende Reputation
Die politische Situation in Kolumbien mache es schwierig, Vorhersagen für den Sektor zu treffen, sagt Angel Sosa, Verkaufsleiter für Lateinamerika bei Pepperl+Fuchs. "Kurzfristig dürfte das Investitionsklima stabil bleiben". Doch dämpfe sich die Investitionsfreude bei neuen Projekten.
In Zukunft würden dennoch neue Technologien in der Branche an Bedeutung gewinnen. Systeme, die die Sicherheit von Anlagen erhöhen, sowie Advanced Physical Layer-Technologie für die Prozessindustrie und Interprozesskommunikation seien besonders interessant, so Sosa. "Kolumbien ist offen für innovative Technik." Und die Reputation deutscher Firmen sei ein enormer Vorteil im Markt.
Kolumbien ist stark abhängig von seiner Öl- und Gasbranche: Der Sektor macht rund 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, und auf Öl allein entfiel 2021 mehr als ein Viertel der gesamten Exporte des Landes.
Bezeichnung | Anmerkung |
---|---|
Nationale Behörde für Kohlenwasserstoff | |
Kolumbianischer Öl- und Gasverband | |
Cámara Colombiana de Bienes y Servicios de Petróleo, Gas y Energía (Campetrol) | Kolumbianische Kammer für Öl, Gas und Energie |
Bergbau- und Energieministerium | |
Nationale Planungseinheit für Bergbau und Energie |