Special | Kolumbien | Klimaschutz im Dialog
"Ausländische Investitionen belegen das Potenzial Kolumbiens"
Kolumbien will sich als Produzent und Exporteur von grüner Energie etablieren – aber fossile Rohstoffe weiter fördern. Ein Interview mit dem Noch-Energieminister Diego Mesa.
20.07.2022
Von Janosch Siepen | Bogotá
Der scheidende Minister für Bergbau und Energie, Diego Mesa, hat die Energiewende in Kolumbien deutlich vorangetrieben. Zwischen 2018 und 2022 hat sich die installierte Leistung von nicht-konventionellen erneuerbaren Energien vor allem dank des massiven Ausbaus von Solarenergie verdreißigfacht, von 28 auf aktuell 880 Megawatt. Bis Ende 2022 sollen es insgesamt 2.500 Megawatt werden. Das kolumbianische Zertifizierungsinstitut Icontec zeichnete das Ministerium unter Diego Mesa im Jahr 2021 als erstes klimaneutrales Ministerium in Kolumbien aus. Am 7. August 2022 wird Mesa sein Amt an einen Nachfolger aus der neu gewählten Regierung übergeben. Im Interview erklärt der Noch-Minister, was der Klimawandel für Kolumbien bedeutet und wie sich das Land den Herausforderungen stellen will.
Welche Probleme verursacht der Klimawandel in Kolumbien?
Obwohl Kolumbien nur 0,6 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht, gehört es zu den 20 Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Zu den größten Bedrohungen für unser Land zählt das zunehmende Phänomen El Niño, da es sich stark auf den Stromsektor auswirkt. El Niño führt zu immer längeren Dürreperioden und reduziert dadurch die Wasserressourcen. Das wiederum mindert die Kapazitäten im Stromsektor, schließlich trägt Wasserkraft in unserem Land 70 Prozent zur Stromerzeugung bei. Wir müssen den Sektor deshalb weiter auf mögliche Extremwetterereignisse vorbereiten, indem wir Wind- und Solarenergie massiv ausbauen.
Welche Ziele haben sich Kolumbien und Ihr Ministerium im Kampf gegen den Klimawandel gesetzt?
Kolumbien hat sich dazu verpflichtet, seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 51 Prozent zu reduzieren [gegenüber 2015, Anm. d. Red.] und bis 2050 klimaneutral zu werden. Für den Energie- und Bergbausektor bedeutet das Einsparungen von 11,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid bis 2030. Der Integrierte Klimaschutzplan für den Bergbau- und Energiesektor mit der Vision 2050 (PIGCCme) soll das Gesetz 2099 zur Umsetzung der Energiewende unterstützen. Unser Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Energie- und Bergbausektors zu stärken und gleichzeitig bis 2050 kohlenstoffneutral zu werden. Bislang haben wir aber keine Ziele festgelegt, wie wir das konkret erreichen können, weil wir heute noch nicht wissen, welche Technologien dafür erforderlich sein werden.
Wo sehen Sie Hindernisse und Risiken für den Klimaschutz in Ihrem Land?
Der Klimawandel wird in Kolumbien allmählich auch als ein Problem der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung verstanden. Die Einbeziehung dieses Themas in die Planungs- und Investitionsprozesse fängt daher gerade erst an. Beim Energie- und Bergbausektor muss berücksichtigt werden, dass er nicht die meisten Emissionen ausstößt. Ein drastischer Verzicht auf fossile Brennstoffe wäre daher nicht der effizienteste Weg, um Kontinuität und wettbewerbsfähige Strompreise für die Bürger zu gewährleisten. Wir müssen das Bergbau- und Energiepotenzial Kolumbiens auf eine saubere Weise nutzen, indem wir stärker diversifizieren und neue Technologien fördern. Es ist eine große Herausforderung, die Stigmatisierung von Technologien und Prozessen zu beenden, die die kolumbianische Wirtschaft maßgeblich stützen und zur Entwicklung des Landes beitragen.
"Ein drastischer Verzicht auf fossile Brennstoffe wäre nicht der effizienteste Weg, um Kontinuität und wettbewerbsfähige Strompreise für die Bürger zu gewährleisten."
Welche Chancen ergeben sich für Kolumbien und die Außenwirtschaft aus dem Klimaschutz?
Die wachsenden ausländischen Direktinvestitionen in erneuerbare Energien belegen das große Potenzial Kolumbiens als Produzent und Exporteur von emissionsarmer Energie. Im Jahr 2022 wurde die Roadmap für Offshore-Wind in Kolumbien veröffentlicht, die ein Potenzial von 50 Gigawatt identifiziert hat. Zudem wollen wir uns zu einem Exporteur von Wasserstoff entwickeln. Gleichzeitig fördern wir Technologien, die Kohlenstoff in den verschiedenen Wirtschaftssektoren einfangen, speichern und nutzbar machen.
Ein weiterer Aspekt: Mehr als 50 Prozent des kolumbianischen Territoriums bestehen aus Wäldern und etwa 57 Prozent der nationalen Emissionen sind auf Entwaldungsprozesse zurückzuführen. Kolumbien versteht sich daher als strategischer Akteur auf den Kohlenstoffmärkten. Zum einen, weil das Land seine eigenen Emissionen reduzieren kann, zum anderen, weil wir uns als weltweiter Anbieter für die Speicherung von Kohlenstoff etablieren können. Nicht zuletzt ist Kolumbien das erste Land in der Region, das einen Plan für Grüne Taxonomie auf den Weg gebracht hat, und das vierte weltweit. Die Grüne Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für wirtschaftliche Aktivitäten und dient als Leitfaden für Investitionen und nachhaltige Entwicklung.
Welche Rolle spielt Deutschland für Kolumbiens Klimaschutz?
Die deutsche Bundesregierung setzt sich weltweit für Umweltschutz, Energiekooperation und umweltschonende Entwicklung ein. Dank dieser Selbstverpflichtung verbindet Deutschland und Kolumbien eine mehr als fünfzigjährige Zusammenarbeit beim Thema Klimaschutz. Sie war entscheidend, um in Kolumbien Umweltprojekte zu fördern, erneuerbare Energien auszubauen und einen grünen Wasserstoffmarkt zu entwickeln. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz der Bundesrepublik Deutschland unterstützt die kolumbianische Regierung über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit bei der Erreichung unserer nationalen Klimaziele und bei unserem Integrierten Klimaschutzplan für den Bergbau- und Energiesektor.
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