Special | Kolumbien | Klimawandel lokal
Klimaschutz macht Wind, Solar und Biomasse nötig
Kolumbien ist abhängig vom Wasser. Weniger Regen könnte das Land künftig vor Probleme stellen. Das öffnet Türen für neue Energieträger - und damit für deutsche Unternehmen.
24.03.2022
Von Janosch Siepen | Bogotá
Über 1 Milliarde US-Dollar könnte der Klimawandel Kolumbien jährlich kosten, so eine Studie des kolumbianischen Umweltministeriums. Doch nicht nur die Kassen des Landes dürften künftig belastet werden. In den kolumbianischen Haushalten könnten in den nächsten Jahrzehnten durch den Klimawandel regelrecht die Lichter ausgehen. Das Problem: Das Land ist stark abhängig von Wasserkraft. Der Klimawandel und insbesondere das Wetterphänomen El Niño könnten dazu führen, dass in Zukunft nicht mehr genug Wasser für die Stromproduktion da ist. Doch soweit muss es nicht kommen.
Ausbau von Bioenergie mit deutschem Know-How
Experten zufolge bieten Wind und Solar umweltfreundliche Alternativen, um die Abhängigkeit von Wasserkraft zu reduzieren. Der Schlüssel dabei sei die Diversifizierung der Energiematrix. Dadurch könnte der voraussichtliche Energiemangel während trockenen El Niño-Perioden - rund 20 Prozent landesweit - zukünftig reduziert werden. Das Potenzial ist groß, Wind- und Solarenergie im Land haben beste Voraussetzungen. Daher arbeitet Kolumbien bereits an einer Lösung des Problems. Dem nationalen Energieplan 2020-2050 zufolge, könnte der Anteil der Wasserkraft an der Stromerzeugung bis 2050 auf 36 Prozent sinken. Im selben Jahr könnten nicht-konventionelle erneuerbare Energien wie etwa Wind- und Sonnenkraft dann 44 Prozent ausmachen.
Laut Klimaforscher Benjamin Quesada von der Universidad del Rosario bietet vor allem die Energiegewinnung aus Abfall wie beispielsweise Biomasse oder Biogas großes Potenzial für Firmen aus Deutschland. Hier gebe es bisher kaum Initiativen, obwohl die Technologie viel Energie produzieren könne. Gerade Deutschland habe wertvolles Fachwissen und der Markt sei noch beinahe unerschlossen. Im Bundesstaat Valle del Cauca beteiligte sich Prolignis aus Ingolstadt zwischen 2018 und 2020 an dem Projekt BioCaBa zur Evaluierung von Bioenergie. Der Zuschlag des Projekts kam dabei vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Auch das Hertener Unternehmen BlueSens untersucht seit 2020 das Potenzial von Biogas und -masse im Bundesstaat Atlántico. Die Firma stellt im Rahmen einer deutsch-kolumbianischen Zusammenarbeit ein Umweltlabor zur Verfügung, um Bioenergie in der Region zu erforschen. BlueSens beteiligt sich im Rahmen des Förderprogramms develoPPP des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Ausländisches Fachwissen benötigt
Der Ausbau alternativer Energien erfordert gleichzeitig Investitionen in Übertragungs- und Speichersysteme. Bisher sind Wasserkraftwerke im Land recht breit verteilt. Da die stärkste Wind- und Sonnenenergie allerdings vor allem im Norden an der Karibikküste zu finden ist, wird Kolumbien künftig auf den Ausbau der Energieinfrastruktur angewiesen sein. Denn die Energie aus dem Norden muss vom Netz richtig absorbiert und verteilt werden können. Daher sucht das Land bereits jetzt Investoren im Bereich der Energietransmission.
Auch wird Kolumbien künftig Technik und Fachwissen brauchen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Energie und Landwirtschaft besser überwachen, voraussehen und abmildern zu können. Laut Camilo Herrera vom Regionalen Zentrum für Energiestudien CREE benötigt Kolumbien vor allem Vorhersage- und Frühwarnsysteme.
Kolumbien hat ambitionierte Klimaziele
Der Bedarf passt zu der umfangreichen Klimastrategie des Landes. Mit den Klimaschutzgesetzen 2099 (Juli 2021) und 2169 (Dezember 2021) verpflichtet sich Kolumbien, den Schadstoffausstoß zu reduzieren und schafft dementsprechende Anreize. Damit will der Andenstaat bis 2050 einen Null-Emissionen-Haushalt erreichen. Im Jahr 2020 erhöhte das Land seine national festgelegten Beiträge zum Pariser Klimaabkommen. Damit hat das Land laut Fachleuten inzwischen eines der ambitioniertesten Klimaziele. Kritiker geben allerdings zu bedenken, dass Kolumbiens umfangreiches Konjunkturprogramm eine starke Belastung für das Klima sein wird und in der Praxis immer noch viel Wald abgeholzt wird. Auch Kolumbiens Frackingvorhaben passen nicht ganz zu den Klimazielen des Landes.
Klimawandel birgt Gefahren
Kolumbiens Energiematrix hängt stark von der Wasserkraft ab. Knapp 70 Prozent der Energie des Landes werden durch Wasserkraft gewonnen. Laut Berechnungen des kolumbianischen Instituts für Hydrologie, Meteorologie und Umweltstudien IDEAM werden die Niederschlagsmengen durch den Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten in Kolumbien um 15 bis 36 Prozent abnehmen. Waldabholzung sorgt für weniger Regen im Land, die Erderwärmung für mehr Verdunstung. Damit könnten künftig die Wasservorräte sinken.
Auch Wetterphänomene wie El Niño stellen ein zunehmendes Problem dar. Eine Studie der Universidad Nacional de Colombia kommt zu dem Schluss, dass während El Niño-Phasen die Gefahr von Wassermangel und Temperatursteigerung besonders hoch ist. Der Plan Integral de Gestión del Cambio Climático del Sector Minero Energético 2050 (PIGCCME 2050) beschreibt das El Niño-Phänomen als deutliche klimatische Bedrohung für die Stromerzeugung durch Wasserkraft. Damit bedrohe Kolumbiens Energiemix langfristig die Energiesicherheit des Landes, so die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB). Auch Klimaexperte Quesada ist sich sicher, dass die Energieabhängigkeit vom Wasser und der Klimawandel das Land künftig vor Probleme stellen. "Durch die Energiewende Kolumbiens und mehr elektrische Fahrzeuge wird der Strombedarf des Landes künftig deutlich steigen", sagt er. Dadurch müsse das Land gerade in Zukunft Energiesicherheit gewährleisten.
Kontaktadresse | Anmerkung |
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Instituto de Hidrología, Meteorología y Estudios Ambientales (IDEAM) | Nationales Institut für Hydrologie, Meteorologie und Umweltstudien |
Dirección de Cambio Climático y Gestión del Riesgo (Minambiente) | Abteilung für Klimawandel und Risikomanagement des kolumbianischen Umweltministeriums |
Institut für Umweltstudien |