Wirtschaftsausblick | Kolumbien
Kolumbiens Wirtschaftswachstum gewinnt wieder an Fahrt
Die Aussichten für Kolumbiens Wirtschaft hellen sich auf. Doch strukturelle Probleme wie der Energiemangel bleiben bestehen. Das wird auch ein großer Gasfund vorerst nicht ändern.
13.11.2024
Von Janosch Siepen | Bogotá
Top-Thema: Historischer Gasfund wird Kolumbiens Energieproblem vorerst nicht lösen
Es trägt denselben Namen wie der hellste Stern am Nachthimmel: "Sirius" heißt das Offshore-Feld, in dem der größte Gasfund Kolumbiens seit 45 Jahren gemacht wurde. Anfang Oktober 2024 gaben die Unternehmen Ecopetrol und Petrobras die Entdeckung des 6 Billionen Kubikfuß großen Gasfeldes in der Karibik bekannt. Künftig könnten 5 Milliarden US-Dollar (US$) in die Erschließung des Vorkommens investiert werden.
So wie einst der Himmelskörper Sirius zur Navigation auf den Weltmeeren genutzt wurde, soll nun das gleichnamige Gasfeld Kolumbien den Weg aus seinem Energiedilemma weisen. Beobachter aus Wirtschaft und Politik warnen regelmäßig davor, dass sich Kolumbien künftig nicht mehr selbst mit Gas versorgen kann. Die Gasreserven des Landes sind in den letzten Jahren auf einen besorgniserregend niedrigen Stand gesunken.
Projekt steht vor Herausforderungen
Vorerst bleiben die Energieprobleme Kolumbiens aber bestehen. Das Projekt wird frühestens in vier Jahren in Betrieb gehen. Dabei rechnen Branchenvertreter bereits ab Ende 2024 mit einem Gasdefizit im Land. Zudem bestehen Herausforderungen bei Umweltgenehmigungen und der gesellschaftlichen Akzeptanz des Projekts. Im September ordnete ein Gericht an, die Exploration einzustellen, bis eine vorherige Konsultation mit der lokalen indigenen Gemeinde stattgefunden hat. Laut Unternehmensaussagen müssen außerdem 116 weitere Konsultationen durchgeführt werden, um eine Gaspipeline zu bauen, die das Sirius-Feld mit dem nationalen Gasnetz verbindet.
Dennoch könnte der Fund langfristig größere ausländische Investitionen in die Kohlenwasserstoffindustrie des Landes ziehen, vor allem im Offshore-Bereich, so die Einschätzung des Wirtschaftsinstituts ANIF. Chancen ergeben sich beispielsweise beim Ausbau der Gasinfrastruktur, etwa Pipelines und Aufbereitungsanlagen.
Wirtschaftsentwicklung: Bessere Aussichten im Jahr 2025
Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die kolumbianische Wirtschaft 2024 mit 1,6 Prozent nur moderat wachsen. Danach könnte sich die Dynamik schrittweise erhöhen (2025: +2,5 Prozent; 2026: +2,8 Prozent; 2027: +3 Prozent). Das spanische Kreditinstitut BBVA erwartet 2025 vor allem im verarbeitenden Gewerbe und Bausektor eine kräftige Erholung nach den schwachen Jahren 2023 und 2024.
Konsum profitiert von sinkender Inflation
Die weiter rückläufige Inflation sorgt für höhere Reallöhne, sinkende Zinsen für bessere Kreditbedingungen. Davon profitiert der Privatkonsum. Der britische Informationsdienstleister Economist Intelligence Unit (EIU) rechnet 2025 mit einem Anstieg des Privatkonsums um 2,8 Prozent. Ab 2025 dürfte sich auch der Arbeitsmarkt erholen, was den Privatkonsum zusätzlich stützt.
Investitionen bekommen leichten Schub
Zwar leiden die Privatinvestitionen weiterhin unter dem wirtschaftspolitischen Klima unter Präsident Gustavo Petro. Das Abkommen "Pacto por el Crédito" von August 2024 zwischen der Regierung und dem Bankenverband Asobancaria sieht jedoch zusätzliche Kredite über 18 Monate für knapp 14 Milliarden US$ für ausgewählte Wirtschaftssektoren wie erneuerbare Energien, Industrie und Wohnungsbau vor. Letzterer dürfte BBVA zufolge 2025 die am schnellsten wachsende Investitionskomponente sein (10,4 Prozent).
Die Staatsausgaben bleiben weiterhin ein wichtiger Treiber der kolumbianischen Wirtschaft. Jedoch steht die Finanzierung öffentlicher Programme infrage: Die Haushaltslage ist angespannt. Eine geplante Steuerreform könnte Abhilfe schaffen, kommt aber vermutlich nicht in der ursprünglichen Fassung durch den Kongress.
Handelsdefizit wird größer
Der höhere Konsum führt zu mehr Importen. BBVA geht für das Jahr 2025 von einem Wachstum der Importe von knapp 16 Prozent aus. Da die gedämpfte Weltwirtschaft auf die Nachfrage nach kolumbianischen Exporten drückt, weitet sich das Handelsdefizit aus. Risiken birgt eine längere Schwäche der Ölpreise, denn auf Erdöl entfällt rund ein Viertel der kolumbianischen Exporte.
Deutsche Perspektive: Firmen interessieren sich für erneuerbare Energien in Kolumbien
Das baden-württembergische Unternehmen Viridi und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterzeichneten im Oktober 2024 im Rahmen des Wasserstoffprogramms H2Uppp eine Vereinbarung über rund 600.000 US$ für die Produktion von grünem Wasserstoff und Methanol in La Guajira. Das Geld fließt in das sogenannte AkuaippaHy-Projekt, das eine Fotovoltaikanlage (540 Megawatt Peak), einen Windpark (460 Megawatt) und einen Elektrolyseur (413 Megawatt) umfasst. Daraus sollen dann jährlich 210.000 Tonnen grünes E-Methanol gewonnen werden.
Das Hamburger Unternehmen Crown Photovoltaic Group möchte laut Medienberichten eine Produktionsstätte bei Barranquilla eröffnen, um Fotovoltaikglas, Hochleistungszellen und Fotovoltaikmodule zu produzieren.
Die Projekte stehen beispielhaft für das Potenzial im Bereich grüner Technologien in Kolumbien. Kolumbien stehe vor verschiedenen Herausforderungen, wie etwa der Energiewende und der Wassersicherheit im Land. Hier gebe es definitiv gute Geschäftschancen, so López.
Haushaltsausgaben sind entscheidend
Laut López hängt die Wirtschaftsleistung 2025 maßgeblich vom Abruf der Haushaltsbudgets ab. In den letzten Jahren habe die Regierung nur geringe Summen aus den öffentlichen Haushalten ausgegeben, was sich negativ auf die Industrie ausgewirkt habe, sagt er.
Kolumbien gilt bei deutschen Unternehmen als attraktiver Standort mit stabilen institutionellen Rahmenbedingungen und einem guten Fachkräftepotenzial. Als Schwächen werden strukturelle Korruption und Bürokratie gesehen.
Nähere Informationen zu Kolumbien finden Sie auf der GTAI-Länderseite.