Wirtschaftsausblick | Kosovo
Kosovos Wirtschaft wächst weiter auf hohem Niveau
Kosovo bleibt nach den Wahlen auf Kurs nach Westen. Investitionen und der Verbrauch kurbeln das Wachstum an. Deutsche Firmen entdecken mehr und mehr das Potenzial des Landes.
07.02.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Top-Thema: Regierung hat gute Chancen auf Wiederwahl
Bei den anstehenden Parlamentswahlen im Februar 2025 dürfte die aktuelle Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti im Amt bestätigt werden. Umfragen sehen eine Mehrheit von rund 50 Prozent für eine Wiederwahl Kurtis. Dessen von der EU kritisierter Konfrontationskurs gegen die serbische Minderheit im Land dürfte weitergehen. Die Wirtschaftspolitik des Landes wird wahrscheinlich stabil und berechenbar bleiben.
Als Mühlstein der Entwicklung des Kosovo erweist sich hingegen der nach wie vor ungelöste Konflikt mit Serbien. Belgrad weigert sich - wie auch EU-Mitglieder wie Rumänien oder Spanien - die Staatlichkeit des Kosovo nach dessen Unabhängigkeitserklärung 2008 anzuerkennen. Russland und China blockieren die Aufnahme des Kosovo in die Vereinten Nationen, was dem Land wirtschaftliche Nachteile einbringt.
Der Konflikt flammt immer wieder auf: Im November 2024 beschädigte eine Explosion einen Kühlwasserkanal zu einem Kohlekraftwerk. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, für den Anschlag verantwortlich zu sein.
Die EU versucht den Konflikt zu entspannen. Ein Hoffnungsschimmer ist die Aufhebung der Blockade des Freihandelsabkommens CEFTA. Serbische Waren dürfen nun über den Grenzübergang Merdare in den Kosovo importiert werden. Das Land bezieht rund zwei Drittel seiner eingeführten Rohstoffe aus Serbien. Zudem übernahm Kosovo am 1. Januar 2025 erstmals eigenständig den jährlich rotierenden Vorsitz der CEFTA.
Die EU gibt der wirtschaftlichen Entwicklung der Westbalkanstaaten neuen Schwung. Aus einem Wachstumsplan stehen Kosovo bis 2027 rund 880 Millionen Euro in Form von Zuschüssen und Darlehen zur Verfügung. Die Tranchen werden nur ausbezahlt, wenn Reformen umgesetzt werden.
EU und Weltbank forcieren die Aufnahme des Kosovo in die Single European Payment Area (SEPA). Der SEPA-Beitritt bringt enormes Einsparpotenzial. Wenn Kosovo schon 2025 bei SEPA Mitglied werden sollte, könnten bis zu 55 Millionen Euro an Transaktionskosten pro Jahr eingespart werden, schätzen Experten.
Wirtschaftsentwicklung: Kosovo bleibt auf Wachstumskurs
Die kosovarische Wirtschaft wächst 2025 mit real 3,8 Prozent, erwartet das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in seiner Herbstprognose. Für das Vorjahr rechnet das wiiw sogar mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 4,1 Prozent. Wichtige Wachstumstreiber sind staatliche Mittel sowie ausländische Direktinvestitionen (FDI), darunter in den Energiesektor.
In den ersten drei Quartalen 2024 stiegen die FDI um ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf rund 247 Millionen Euro. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt Investitionen in erneuerbare Energien. Die Kosovo Energy Corporation investiert rund 137 Millionen Euro in Erweiterung und Modernisierung des Wärmekraftwerks Kosovo A in Obiliq.
Privater Verbrauch kurbelt Wachstum an
Für Impulse sorgt auch der Konsum. Die Arbeitslosigkeit halbierte sich in den vergangenen fünf Jahren auf rund 11 Prozent im Jahr 2024. Die im Oktober beschlossene Erhöhung des Mindestlohns um ein Drittel auf 350 Euro lässt die Realeinkommen weiter kräftig steigen. Entsprechend wächst der Umsatz im Einzelhandel.
Die rund 600.000 Personen umfassende kosovarische Diaspora in Deutschland lässt bei Heimatbesuchen jährlich rund 1 Milliarde Euro im Land - das sind rund 40 Prozent aller Rücküberweisungen aus dem Ausland.
Die Abwanderung junger Menschen, vor allem nach Mitteleuropa bleibt auf hohem Niveau. Zwischen 2011 und 2024 verlor das kleine Land rund 12 Prozent seiner Bevölkerung, ergab der Zensus. Die Visa-Freiheit mit der EU seit Anfang 2024 dürfte diesen Trend weiter befeuern.
Außenhandel: Handelsbilanzdefizit bleibt hoch
Kosovo gibt im Außenhandel mehr aus, als es einnimmt. Die Ausfuhren des Westbalkanlandes legen zwar zu, doch die Einfuhren steigen noch schneller. Im 1. Halbjahr 2024 wuchsen die Warenexporte um 5 Prozent, getrieben durch eine stärkere Nachfrage aus der EU und den Nachbarländern. Die Warenimporte stiegen jedoch um 8 Prozent, angetrieben durch die Verbrauchernachfrage.
Den Außenhandel weiter beflügeln dürfte künftig das Freihandelsabkommen, das Pristina Mitte Januar 2025 mit den EFTA-Staaten geschlossen hat.
Deutsche Perspektive: Kosovo wird als Investitionsstandort immer beliebter
Die Bundesrepublik ist der größte Handelspartner und wichtigster ausländischer Investor im Kosovo. Deutsche Firmen stehen mit kumuliert 1,2 Milliarden Euro für rund ein Viertel der FDI. Es sind bereits 200 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung im Kosovo aktiv, Tendenz steigend. Aktuell expandiert der zur Schwarz Gruppe gehörende Discounter Lidl und will 2025 drei Filialen eröffnen.
Deutsche Firmen investieren in erneuerbare Energien und die verarbeitende Industrie. Das deutsch-kosovarisch-israelische Joint-Venture SoWi errichtete einen 170 Millionen Euro teuren Windpark in Selaci. Das Orllati-Konsortium, bestehend aus Firmen in Deutschland, der Schweiz und Kosovo, erhielt den Zuschlag für den Bau eines Solarparks in Kramovi. Munda Textile Lichtsysteme betreibt eine Produktion für Textilien für die Kfz-Industrie im Kosovo.
Auch als Standort für IT-Outsourcing macht sich das Land einen Namen. Der ehemalige Bundeswehrstützpunkt in Prizren wurde zu einem deutsch-kosovarischen Innovations- und Trainingspark (ITP) umgewidmet. Dort siedeln sich IT-Firmen an. Die deutschen IT-Unternehmen Axians, Borek Solution Group und Celonis unterhalten Niederlassungen im Kosovo. Der Sportartikelhersteller Adidas verlagerte sein Call-Center in das Westbalkanland.
Doch beim Geschäftsklima gibt es noch Luft nach oben: Unternehmensvertreter bemängeln oftmals, dass die Umsetzung von Reformen zu lange dauern würde. Auch Genehmigungsverfahren sollen oft nur schleppend vorangehen.
Weitere Informationen (zum Beispiel Zoll- und Rechtsinformationen sowie Branchenberichte) finden Sie auf der Länderseite Kosovo.
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