Wirtschaftsumfeld | Litauen | Investitionsklima
Investitionsklima im Wandel
Immer mehr ausländische Firmen zieht es nach Litauen. Auch ein deutscher Finanzdienstleister kündigt sich an. Doch es gibt auch Herausforderungen.
17.10.2024
Von Niklas Becker | Helsinki
Litauen verzeichnet einen deutlichen Anstieg der Arbeitskosten. Ausländische Unternehmen scheint das jedoch nicht abzuschrecken: Das baltische Land verzeichnet seit vielen Jahren einen konstanten Zufluss von Investitionen aus dem Ausland.
Deutschland ist vor Estland und Schweden größter ausländischer Investor in Litauen. Auch die USA spielen bei Investitionen eine große Rolle. Da die amerikanischen Firmen die Vorhaben über Tochterfirmen in Europa finanzieren, tauchen die USA aber in der Liste der wichtigsten Investitionsländer nicht auf. Die Litauische Zentralbank beziffert das gesamte amerikanische Investitionsvolumen bis Ende 2022 auf 5,6 Milliarden Euro.
Ausländische Direktinvestitionen flossen bisher vor allem in den litauischen Finanzmarkt. Mit 10,5 Milliarden Euro entfällt rund ein Drittel aller Investitionen auf den Sektor. Besonders Banken aus Skandinavien haben in Litauen investiert. Im verarbeitenden Gewerbe summieren sich die Investitionsprojekte auf rund 5 Milliarden Euro. Vor allem die Hersteller von Erdöl, chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen stechen dabei hervor. Der polnische Mineralölkonzern Orlen besitzt in Litauen eine Raffinerie. Auch der litauische Handel hat mit fast 3,5 Milliarden Euro bereits eine Reihe von ausländischen Investitionen verzeichnet. Mit Lidl ist auch ein deutsches Unternehmen vertreten.
Deutsche Investoren sind in vielen Branchen vertreten
Auch andere deutsche Firmen zeigen Interesse am litauischen Investitionsstandort. So gab im Sommer 2024 der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall bekannt, ein Werk in Litauen zu bauen. Die Commerzbank will im Dezember 2024 eine Repräsentanz in Litauen eröffnen, auch um von hier aus den estnischen und lettischen Markt bedienen.
Zu den größten ausländischen Investoren in Litauen zählt der deutsche Automobilzulieferer Continental. Das Unternehmen hat seine Produktionsstätte in Kaunas in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut und betreibt dort auch ein Shared-Service-Centre.
Auch andere deutsche Investoren schätzen den Standort Litauen. Das zeigt die Konjunkturumfrage der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK Baltikum): 89 Prozent der befragten Unternehmen würden wieder in Litauen investieren. An Attraktivität könnte der Standort ihrer Meinung nach durch eine bessere Erreichbarkeit auf dem Luftweg sowie eine Senkung der Besteuerung der Arbeitskosten gewinnen.
Steigende Lohnkosten sind nicht das einzige Problem
Die stark gestiegenen Arbeitskosten sind das bestimmende Thema unter den ausländischen Investoren. Laut AHK-Konjunkturumfrage ist das Problem für den Großteil der deutschen Investoren handhabbar. Rund 8 Prozent gaben jedoch an, dass die steigenden Lohnkosten ein sehr großes Problem für sie seien und man deshalb einen Standortwechsel erwäge.
Steigende Lohnkosten sind nicht die einzige Herausforderung. Der deutsche Produzent von Holzfaserplatten Homann Holzwerkstoffe hat nahe Vilnius eine Fabrik errichtet. Ursprünglich sollte die Produktion Ende 2023 beginnen. Doch die aktuelle Genehmigung ist für das Unternehmen nicht robust genug, um eine "ökonomisch tragfähige und konkurrenzfähige Produktion" zu gewährleisten. Auch die Bauabnahme durch die Behörden zieht sich länger hin als geplant. Jetzt will Homann im 1. Quartal 2025 mit der Produktion beginnen.
Litauen braucht eine neue Investitionsstrategie
Nach Einschätzung von Audronė Gurinskienė, Büroleiterin der AHK Baltikum in Litauen, hat sich das Investitionsprofil Litauens geändert. Für ausschließlich auf kostengünstige Produktion ausgelegte Vorhaben wird es aus ihrer Sicht schwieriger. Zukünftig liege der Schwerpunkt auf Produkten mit größerer Wertschöpfung. Deshalb sei Litauen aus Sicht der Expertin aber kein uninteressanter Investitionsstandort für deutsche Firmen. "Die Ankündigungen von Rheinmetall und der Commerzbank machen das deutlich. Und auch die Stationierung der Brigade der Bundeswehr in Litauen wird viele Chancen bieten", sagt Gurinskienė.
Für deutsche Investoren dürfte der Arbeitskräftemangel nach Einschätzung von Gurinskienė beherrschbar sein. "Wer ausreichend Werbung macht und attraktive Arbeitsplätze anbietet, findet weiterhin Fachkräfte", ergänzt die Expertin. Firmen auf der Suche nach Mitarbeitern empfiehlt sie die aktive Teilnahme an Veranstaltungen, Präsenz in sozialen Netzwerken sowie die Zusammenarbeit mit Hoch- und Berufsschulen.
Unternehmen | Branche |
---|---|
Homanit | Holzprodukte |
Continental | Automobilzulieferung |
Lidl | Einzelhandel |
birkle IT | IT |
Ergo | Versicherung |
Investitionsförderung: Grüner Korridor für Großinvestoren
Für Großinvestoren gibt es in Litauen besondere Steuervorteile. Der "grüne Korridor" soll für Großprojekte eine schnellere und einfachere Ansiedlung ermöglichen. Er ist nicht speziell für grüne Investitionen gedacht. Zielgruppe sind Projekte im verarbeitenden Gewerbe, der Datenverarbeitung und des Hostings. Voraussetzung für die Förderung ist eine Investition von mindestens 20 Millionen Euro. Zudem müssen für mindestens 5 Jahre wenigstens 150 Vollzeitstellen geschaffen werden. Für Projekte in Litauens Hauptstadt Vilnius gelten höhere Anforderungen. Hier sind mindestens 30 Millionen Euro zu investieren und 200 Arbeitskräfte einzustellen. Investoren müssen einen Vertrag mit der litauischen Regierung unterzeichnen, so erhält das Investitionsprojekt den Status "von nationaler Bedeutung". Dieser Status befreit den Investor für 20 Jahre von der Körperschaftsteuer.
Zudem gibt es im Land gibt es sieben Sonderwirtschaftszonen. In diesen freien Wirtschaftszonen (FEZ) stehen schlüsselfertige Industrieflächen mit entsprechender Infrastruktur sowie Immobilien zum Mieten bereit. Zudem erhalten Investoren auch hier besondere Steuervorteile. Hier wird die Körperschaftsteuer für die ersten zehn Jahre erlassen, anschließend wird der Satz für die nächsten sechs Jahre um 50 Prozent auf 7,5 Prozent reduziert. Auch die Kapitalertragsteuer und die Immobiliensteuer entfallen in den FEZ.
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