Wirtschaftsumfeld | Litauen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Die Gehälter in Litauen steigen deutlich. Das dürfte sich in Zukunft nicht ändern. Ein guter Lohn allein reicht jedoch nicht mehr, um Arbeitskräfte zu locken.
09.03.2023
Von Niklas Becker | Vilnius
Löhne und Gehälter
Litauen hat in den vergangenen Jahren deutliche Steigerungen der Löhne verzeichnet. Die gute wirtschaftliche Entwicklung und eine steigende Zahl von ausländischen Investoren haben diesen Trend zusätzlich verstärkt. Vor allem in der IT-Branche gab es zuletzt einen starken Lohndruck für die Unternehmen. Valentas Gailius, General Manager beim Personalvermittler HR factory in Litauen, spricht bei Gehaltsverhandlungen in bestimmten Fällen gar von einem Überbietungswettbewerb.
Weiter führt er aus: "Viele Kandidaten, die wir für einen unserer Kunden abwerben wollten, erhielten als Reaktion von ihrem bisherigen Arbeitgeber ein höheres Gehaltsangebot. Teilweise folgten mehrere Gegenangebote von beiden Seiten." Zum Jahresbeginn 2023 hat sich die Situation laut dem Experten, auch aufgrund der ökonomischen Abkühlung, jedoch etwas beruhigt.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
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nominal (in Euro) | 1.296 | 1.429 | 1.579 | 1.785 |
nominale Veränderung (in %)* | 40,3 | 10,3 | 10,5 | 13,0 |
Für Audronė Gurinskienė, Büroleiterin der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK Baltikum) in Litauen, ist nach den Entwicklungen auf dem litauischen Arbeitsmarkt klar: "Litauen ist kein Billiglohnland mehr." Nur auf niedrigere Lohnkosten ausgelegte Investitionen werden es nach Einschätzung der Expertin in Zukunft schwieriger haben im Land. Stattdessen rückten Produkte mit höherer Wertschöpfung in den Fokus.
Zustimmung gibt es von ausländischen Investoren im Land: "Wer nach Litauen kommt, um 5 Euro pro Arbeitsstunde zu sparen, ist hier falsch." Wie ein Unternehmensvertreter berichtet, nähern sich die Gehälter schrittweise an westeuropäische Standards an. Besonders im IT-Bereich und bei leitenden Angestellten ginge das sehr schnell. "Hier gibt es auf europäischer Ebene fast keine Unterschiede mehr", ergänzt der Manager. Für Litauen sprechen hingegen zunehmende Bestrebungen, das Know-how der Arbeitnehmer im Land an den Bedarf anzupassen. "Die Verschiebung des Augenmerks von gering bezahlter zu hochwertiger Arbeit hat in Litauen definitiv begonnen", berichtet der Unternehmer.
2022 (in Euro) | |
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Geschäftsführerin einer größeren Niederlassung * | 3.936 |
Geschäftsführerin eines kleinen bis mittleren Unternehmens | 3.536 |
Vertriebsleiterin | 2.434 |
Ingenieurin |
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Programmiererin |
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Sekretärin mit Fremdsprachenkenntnissen | 940 |
Buchhalterin | 1.175 |
Ohne Homeoffice geht gar nichts
Einplanen sollten Firmen zudem die starke Nachfrage der Beschäftigten nach Homeoffice-Möglichkeiten. Viele Firmen im Land haben ein Hybrid-Modell aus Tagen im Büro und zu Hause. "Das ist mittlerweile Standard", schildert Adomas Milašiūnas, Partner beim Personalvermittler Amston. Auch viele Vorstellungsgespräche werden mittlerweile online geführt.
"Je mehr Flexibilität Sie haben, desto mehr Talente bekommen Sie", fasst Adomas Milašiūnas, Partner beim Personalvermittler Amston, die Nachfrage nach Home-Office zusammen.
Wie Unternehmensvertreter berichten, verlangen immer mehr Bewerbende die Möglichkeit, ausschließlich im Homeoffice zu arbeiten. "Noch akzeptieren wir das nicht. Aber ich denke, dass wir in Zukunft keine Wahl mehr haben werden", berichtet ein Vertreter.
Regionale Lohnunterschiede nur noch eine Frage der Zeit?
Das wachsende Ausmaß von Homeoffice-Modellen in Litauen hat den großen Vorteil, dass auch Beschäftigte, die weit entfernt vom Büro leben, rekrutiert werden. Zeitgleich steht der Arbeitgeber damit jedoch mit einer größeren Anzahl von Firmen im Konkurrenzkampf um die besten Talente.
Immer mehr litauische Arbeitskräfte bewerben sich bereits auf Stellenausschreibungen in Regionen, die von ihrem Wohnsitz weit entfernt sind. Dabei passen die Bewerber ihre Gehaltsvorstellung nicht immer den örtlichen Gegebenheiten an. So verlangen beispielsweise Bewerber aus Vilnius für Stellen in anderen Städten gleiche Gehälter wie in ihrer Heimatstadt. Unternehmensvertreter erwarten deshalb, dass das Lohnniveau der Hauptstadt in die anderen Regionen des Landes getragen wird und sich die Einkommen regional anpassen werden.
3. Quartal 2022 (in Euro) | nominale Veränderung 3. Quartal 2022/3. Quartal 2021 (in %) | |
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Insgesamt | 1.787 | 12,7 |
Bauwirtschaft | 1.533 | 9,4 |
Bergbau | 1.815 | 8,3 |
Verarbeitendes Gewerbe, darunter | 1.751 | 11,2 |
Nahrungsmittel-/Getränkeindustrie | 1.639 | 10,5 |
Textilindustrie | 1.314 | 9,2 |
Holz- und Papierindustrie | 1.625 | 10,5 |
Chemische Industrie | 2.372 | 10,5 |
Gummi- und Kunststoffindustrie | 1.876 | 10,7 |
Maschinenbau | 2.044 | 11,8 |
Metallbranche | 1.822 | 12,1 |
Elektronische Erzeugnisse | 2.851 | 6,9 |
Elektrische Ausrüstung | 1.674 | 9,4 |
Fahrzeugbau | 1.801 | 15.4 |
Handel, Reparaturen | 1.671 | 14,5 |
Hotel und Gastronomie | 1.230 | 14,2 |
Transport und Lagerei | 1.586 | 13,6 |
Telekommunikation | 3.328 | 18,8 |
Finanzwesen, Banken, Versicherungen | 2.909 | 11,0 |
Immobilienbranche | 1.458 | 7,5 |
Weitere Lohnbestandteile
Schnelle Arbeitsplatzwechsel sind in Litauen nicht ungewöhnlich. Aber auch hier lässt sich laut Milašiūnas nicht generalisieren. Wie schnell Beschäftigte sich nach einer neuen Stelle umschauen, hänge von ihrem Tätigkeitsfeld ab. "Mitarbeitende in leitenden Positionen und Spezialisten wechseln seit der Coronakrise nicht mehr so schnell ihre Stelle", ergänzt der Experte. Ein Unterschied zwischen den Generationen gebe es dabei weniger. "Auch die Generation Z will Stabilität", erklärt Milašiūnas.
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Geld allein reicht nicht
Wettbewerbsfähige Löhne und Gehälter sind in Litauen daher entscheidend, um neue Arbeitskräfte zu gewinnen und aktuelle zu halten. Das allein reicht jedoch nicht. Teilweise können Lohnzusatzleistungen helfen. Nach Einschätzung von HR factory ist ihre Wirkung aber auch begrenzt. "Teilweise sind sie heute einfach ein Muss und keine Zusatzleistung mehr", berichtet Gailius.
Stattdessen spielen Faktoren wie die Unternehmenskultur und das Firmenbranding eine große Rolle. Für neue Investoren in Litauen sei deshalb eine entsprechende Strategie sehr wichtig, erklärt der Personalexperte. "Senden Sie eine lautstarke Botschaft, dass Sie in den litauischen Markt eintreten. Dies wird den Einstellungsprozess erleichtern", empfiehlt Gailius.
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Organisierter Transport für Beschäftigte
Sammelfahrdienste für Arbeitskräfte in Produktionsunternehmen sind in Litauen nichts Ungewöhnliches. Besonders in der Region Klaipėda ist dies nach Aussage von Aurelija Maldutyte, Präsidentin des Litauischen Verbands der Personalvermittlungsagenturen (LĮĮA), weit verbreitet. Der Automobilzulieferer Hella bietet seinen Beschäftigten am litauischen Standort Kaunas einen Sammelfahrdienst an. Das Angebot von Fahrdiensten hängt laut Maldutyte jedoch vom Niveau des öffentlichen Personen- und Nahverkehrs vor Ort ab.
2022 (in Euro) | |
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Angelernte Arbeiterin (Tätigkeiten, die in wenigen Tagen zu erlernen sind und für die keine spezielle Berufsausbildung notwendig ist) * | 1.070 |
Mitarbeiterin, die unter Aufsicht Tätigkeiten ausführt, für die eine mehrjährige Berufsausbildung erforderlich ist | 1.610 |
Ausgebildete Mitarbeiterin mit mehrjähriger, praktischer Berufserfahrung, die Aufgaben zuverlässig ohne Aufsicht durchführen und Fertigungsprozesse einrichten kann | 1.733 |
Mitarbeiterin mit mehrjähriger Erfahrung und Leitungsbefugnis, die als Vorarbeiterin die Arbeit von Produktionsbereichen verantwortet | 2.028 |
Sozialversicherungsbeiträge
Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 8,72 |
Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 6,98 |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (Arbeitgeberanteil) | 1,99 |
Abgabe für Lohnfortzahlung für den Mutterschaftsschutz (Arbeitgeberanteil) | 1,81 |
Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) |
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Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Arbeitgeberanteil) | 0,14 |
Langfristiger Beschäftigungsfonds (Arbeitgeberanteil) | 0,16 |