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Marokkos Markt für Medikamente wächst
Marktwachstum soll vor allem durch Produktionssteigerungen bei Generika erzielt werden. Örtliche Hersteller nutzen unter anderem Lizenzen aus dem Ausland.
20.08.2024
Von Ullrich Umann | Casablanca
Das in Rabat ansässige Policy Center for the New South (CNS) bescheinigt dem marokkanischen Pharmamarkt ein großes Entwicklungspotenzial. Das quantitative Wachstum des Pharmamarktes wird von CNS mittelfristig auf das Vier- bis Fünffache geschätzt. Diese Prognose basiert auf der verbesserten allgemeinen medizinischen Versorgung und auf der Senkung der Medikamentenpreise, speziell durch den verstärkten Verkauf kostengünstiger Generika.
Nach den jüngsten statistischen Daten hat das Marktvolumen 2023 circa 1,94 Milliarden Euro betragen - im Jahr zuvor waren es 1,3 Milliarden Euro. Die Herstellerzahl für pharmazeutische Waren wird mit 56 beziffert sowie die Zahl privater Apotheken mit 11.500. Letzte beziehen ihre Waren von 66 lizenzierten Großhändlern sowie von autorisierten Generalimporteuren.
Von ausländischen Direktinvestitionen zur Auftragsproduktion
Marokko gehört zu den ersten Ländern Afrikas, das vor mehr als 70 Jahren mit dem Aufbau einer pharmazeutischen Industrie begonnen hatte. "Unser Erfolg beruhte auf den damaligen Lokalisierungsbestimmungen, wonach Pharmaunternehmen vor Ort produzieren mussten. Dies führte zu Investitionen in die örtliche Fertigung", erklärt Mohamed Houbachi, Präsident sowohl des Herstellers Polymédic Maroc als auch von AMMG, dem marokkanischen Verband für Generika. Die erste Direktinvestition aus dem Ausland kam vom französischen Unternehmen Sanofi. Heute kontrolliert es nach eigenen Angaben 20 Prozent des lokalen Marktes.
Das Geschäftsmodell hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Mittlerweile bevorzugen ausländische Pharmaunternehmen die Auftragsproduktion - vor allem von Generika - bei einem marokkanischen Pharmaunternehmen, anstatt in eine eigene Produktion zu investieren. Der lokale Auftragnehmer liefert die Medikamente anschließend an Apotheken und Krankenhäuser aus. Diese Vorgehensweise erklärt unter anderem, warum inländische Produzenten bis zu 90 Prozent ihres Ausstoßes auf dem lokalen Markt absetzen.
Doch bemühen sich marokkanische Hersteller in den letzten Jahren, ihre Exportquote von lediglich 10 Prozent auszuweiten. Für diese Zwecke schließen sie Liefervereinbarungen mit Abnehmern im Ausland, vorwiegend in Afrika, ab. Letzteres könnte für deutsche Pharmaunternehmen interessant sein, um durch Auftragsproduktionen in Marokko oder andere Kooperationen mit marokkanischen Pharmaunternehmen auf weiteren afrikanischen Märkten Fuß zu fassen.
2021 | 2022 | 2023 | |
---|---|---|---|
Insgesamt | 48.378 | 62.851 | 72.921 |
Arzneiwaren, nicht für den Einzelverkauf | 89 | 166 | 9 |
Arzneiwaren, dosiert oder für den Einzelverkauf | 43.320 | 58.405 | 65.032 |
Watte, Gaze, Binden, Verbandszeug und Pflaster | 521 | 328 | 788 |
andere pharmazeutische Waren | 4.448 | 3.952 | 7.092 |
Aktuell liegt der wertmäßige Anteil von Generika am Pharmamarkt nach Angaben des Verbands für Generika (AMMG) bei 40 Prozent. Bis 2025/2026 sollen diese Anteile mit Hilfe der Politik auf 60 Prozent ansteigen. Auf diese Weise könnte das staatliche Gesundheitsbudget, insbesondere die gesetzliche Krankenkasse (Couverture Santé Universelle/CSU), finanziell weniger stark belastet werden.
Gesundheitspolitiker unterstützen die Initiative von AMMG, soll doch der gesetzliche Versicherungsschutz bis 2025 auf alle Einwohner ausgeweitet werden. Nach Berechnungen der mit der Gesundheitsreform beschäftigten Nationalen Agentur für die Krankenversicherung (Agence national de l'assurance maladie/ANAM) verdreifachen sich durch die Ausweitung des Versicherungsschutzes die staatlichen Zuschüsse für Medikamente von bisher 280 Millionen auf mindestens 830 Millionen Euro pro Jahr.
Den Anteil von Generika zu erhöhen setzt nach Meinung der ANAM aber auch voraus, dass sich die Inlandsproduktion erhöht und die Importe von Originalmedikamenten gekürzt werden - in der Pharmaindustrie würden 6.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Den Apothekern sollen für den Verkauf von Generika wiederum unabhängig vom Endabgabepreis Mindestmargen garantiert werden, um das Interesse am Absatz von Generika zu wahren.
Verbände, AHK und Messen als Anlaufstellen für den Markteintritt
Marokkanische Pharmaunternehmen haben sich zu drei Berufsverbänden zusammengeschlossen: dem marokkanischen Verband der pharmazeutischen Industrie (AMIP), dem marokkanischen Verband für Generika (AMMG) und dem marokkanischen Verband für Innovation und Gesundheit (MIS). Deutsche Unternehmen mit Interesse am marokkanischen Markt sollten diese Berufsverbände kontaktieren und detaillierte Informationen einholen. Ebenfalls wird die Kontaktaufnahme zur Deutsch-Marokkanischen Auslandshandelskammer (AHK) in Casablanca empfohlen. Die Abteilung Business Development der AHK bietet Marktstudien, Kontaktanbahnungen zu Entscheidungsträgern und Geschäftspartnersuchen an.
Ein Besuch beziehungsweise eine aktive Teilnahme an Fachausstellungen ist ebenfalls empfehlenswert. Ausstellungen und Messen finden in der Regel in der Wirtschaftsmetropole Casablanca statt. Zu den bekanntesten Branchenveranstaltungen gehören die Maghreb Pharma Horizon (29. und 30.10.2024), das International eHealth Forum (30. und 31.10.2024) sowie die Morocco Medical Expo 2025 (17.04. bis 20.04.2025).
Bei der Qualitätskontrolle in der Produktion durchläuft die pharmazeutische Industrie nach Angaben der Behörden vier Stufen. Die erste erfolgt durch den Hersteller selbst, die zweite durch den Lizenzgeber gemäß seinen spezifischen Anforderungen. Weiterhin kontrolliert die Abteilung für Medizin und Pharmazie des Gesundheitsministeriums (Ministère de la Santé, Direction du médicament et de la pharmacie/DMP) die Qualität und die Produktionsbedingungen, bevor eine Zulassung erteilt wird.
Zusätzlich führt das Gesundheitsministerium unangekündigte Inspektionen in den Produktionsstätten durch. Dabei prüft DMP, ob die in Marokko geltenden Standards auch nach der Marktzulassung eingehalten werden. Das Gesundheitsministerium weist darauf hin, dass man sich an den in den USA und der EU geltenden Standards orientiert.