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Branchenbericht Marokko Energie

Viel Wind in Marokkos Energiesektor

Aktuell werden in Marokko vier große Windparks auf dem Festland gebaut. Bis 2030 sollen zwölf weitere hinzukommen. Das richtig große Geschäft kündigt sich aber vor der Küste an.

Von Ullrich Umann | Casablanca

Ausbauarbeiten finden derzeit in den Onshore-Windparks Boujdour (angestrebte Kapazität: 300 Megawatt), Tarfaya (100 Megawatt), Midelt (210 Megawatt) sowie Jbel Lahdid bei Essaouira (270 Megawatt) statt. Die beiden letztgenannten Windparks sind sogar schon an das Stromnetz angeschlossen. Damit wären die Ziele des Ausbaus unter staatlicher Regie erfüllt.

Privatsektor soll übernehmen 

Die Ausbauziele der marokkanischen Regierung reichen sogar noch weit über diese Projekte hinaus. Allerdings sollen neue Vorhaben privat geplant, gebaut und die Anlagen auch privat betrieben werden: Mittelfristig sollen auf diese Weise zwölf Windparks an Land entstehen. Derzeit wartet die Regierung auf entsprechende Bauanträge beziehungsweise verhandelt aktuell mit privaten Projektträgern, bevor nähere Informationen bekannt gegeben werden. Noch mehr Anlagen kündigen sich langfristig im Offshore-Bereich an. Auch hier sollen private Investoren den Ausbau vorantreiben und damit den staatlichen Energieversorger ONEE sowie die Marokkanische Agentur für erneuerbare Energien (MASEN) als Hauptakteure ablösen.

Der Staat zieht sich somit aus der Rolle des Projektentwicklers Schritt für Schritt zurück und konzentriert sich stärker auf die Förderung privater Initiativen: Neben kostenlosem Bauland und steuerlichen Anreizen im Rahmen der Großausschreibung "Offre Maroc" wird der Zugang zum Stromnetz für unabhängige Erzeuger liberalisiert.

Obwohl "Offre Maroc" primär auf die Erzeugung von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten abzielt, regt die Ausschreibung Investitionen auch in die Windenergie an: Jeder Bewerber muss nämlich über ausreichend grünen Strom aus eigenen Quellen verfügen, um CO₂-freien Wasserstoff produzieren zu können. Ein Beispiel hierfür ist das Solar-Wind-Hybridkraftwerk von TotalEnergies, das in der Region Guelmim-Oued Noun errichtet werden soll.

Beteiligung deutscher Technologieanbieter

Deutsche Firmen sind in marokkanische Windkraftprojekte eingebunden. So lieferte die deutsche Tochter von GE Renewable Energy mit Sitz im niedersächsischen Salzbergen 40 Windturbinen für den Windpark Aftissat. Siemens Gamesa steuerte ebenfalls Anlagen bei, darunter für Boujdour II, Aftissat und Tiskrad.

Feste und schwimmende Windparks im Atlantik

Besonders im Offshore-Bereich eröffnen sich künftig große Wachstumschancen. So haben Windmessungen entlang der Atlantikküste ein Potenzial von bis zu 200 Gigawatt ergeben. Davon sind 22 Gigawatt für Anlagen mit festem Fundament geeignet, während der Rest durch schwimmende Windturbinen erschlossen werden könnte. MASEN baut eigens eine Pilotanlage vor Essaouira, die von der Europäischen Investitionsbank (EIB) mit einem Zuschuss von 2 Millionen Euro mitfinanziert wird.

Eine Analyse der Weltbank bestätigt die Offshore-Strategie von MASEN: An der Atlantikküste wurden sowohl in flachen als auch in tiefen Gewässern hervorragende Windbedingungen gemessen. Besonders geeignet für fest verankerte Turbinen sind die südlichen und zentralen Küstenabschnitte, die jeweils Potenziale von 11 beziehungsweise 10 Gigawatt aufweisen.

In tieferen Gewässern, wo der Meeresgrund bis auf 1.000 Meter abfällt, herrschen Windgeschwindigkeiten von über 9 Metern pro Sekunde. Dort könnten schwimmende Windturbinen mit einem Potenzial von 135 Gigawatt installiert werden. Auch an der Nordküste wären schwimmende Anlagen mit einer Kapazität von bis zu 43 Gigawatt wirtschaftlich nutzbar.

Werk für Windturbinenblätter

Ab 2025 soll im Industriegebiet von Nador eine Fabrik für Windturbinenblätter in Betrieb gehen. Das chinesische Unternehmen Aeolon investiert hier 220 Millionen Euro in die Produktion von jährlich 600 Blattsätzen. Allerdings zeigt das Beispiel Siemens Gamesa, dass solche Vorhaben nicht automatisch Erfolg garantieren: Nach einem zwischenzeitlichen Aufbau einer Rotorblattfertigung in Marokko stellte Siemens Gamesa die Produktion aus technischen und wirtschaftlichen Gründen wieder ein.

Herausforderungen bei Windprojekten

Rückschläge gibt es gelegentlich auch bei der Entwicklung der Windprojekte. So kündigte das US-Unternehmen Soluna Technology 2018 den Bau des 900-Megawatt-Windparks Harmattan in Dakhla an, wobei der Fokus auf der Kombination von Energieproduktion und Blockchain-Technologie lag. Obwohl bereits Genehmigungen vorlagen, ist der Baubeginn bis heute verschoben. 2021 wurde das Unternehmen in Harmattan Energy umbenannt, nachdem es von Mechanical Technology, Inc. übernommen worden war.

Auch das ambitionierte Xlinks-Projekt, das mit einem Investitionsvolumen von 20 Milliarden britischen Pfund kalkuliert wurde, sieht sich Herausforderungen gegenüber. Geplant ist, 3,6 Gigawatt Wind- und Solarstrom aus der marokkanischen Provinz Tan-Tan über vier Unterseekabel auf einer Strecke von 3.800 Kilometern nach Großbritannien zu transportieren.

Xlinks: Ein Projekt von hoher Bedeutung

Sir Lewis Dave, Vorstandsvorsitzender von Xlinks, betonte die Komplexität der Umsetzung. Trotz der Herausforderungen versichert er: "Es gibt kein technologisches Risiko." Die britische Regierung hat dem Projekt den Status "von nationaler Bedeutung" verliehen, wodurch Verwaltungsprozesse beschleunigt und Partner wie TotalEnergies, Octopus Energy und die UK Infrastructure Bank gewonnen werden konnten.

Ein nächster entscheidender Schritt wird der Abschluss eines "Contract for Difference" (CFD) mit der britischen Regierung sein. Ein solcher Vertrag würde einen garantierten Festpreis für den erzeugten Strom bedeuten und somit die Finanzierung des Projekts endgültig sichern.
 

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