Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Marokko | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Arbeitgeber können bei Stellenbesetzungen aus einer Vielzahl von Bewerbern auswählen. Doch nur die wenigsten sind auf Anhieb geeignet. Meist fehlt es an praktischer Erfahrung.

Von Ullrich Umann | Casablanca

Marokko gehört zu den Ländern, in denen aktiv nach Fachkräften für den Einsatz in Deutschland geworben wird. Gleich mehrere Gründe sprechen dafür: Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 39,5 Prozent exorbitant hoch. Die schulische, berufsschulische und universitäre Ausbildung beruht mit Französisch, Arabisch und Englisch auf drei Sprachen. Dadurch sind marokkanische Fachkräfte flexibel in vielen Ländern einsetzbar. Eigentlich liegt es auf der Hand, dass auch deutsche Firmenniederlassungen in Marokko relativ leicht Fachkräfte für den Eigenbedarf rekrutieren können.

Im Grunde genommen ist es auch so. Jedoch können Arbeitgeber bei Neueinstellungen nicht auf Weiterbildungsmaßnahmen verzichten. Hier muss jeder Arbeitgeber investieren, insbesondere wenn es um technische Berufe und Tätigkeiten im unmittelbaren Produktionsprozess geht. Selbst wenn die Neueinsteiger eine formale Berufs- oder Hochschulausbildung absolviert haben und damit über ein solides theoretisches Rüstzeug verfügen, fehlt es ihnen nicht selten an praktischen Erfahrungen. Auch ist den neuen Mitarbeitenden die aus Deutschland in die marokkanische Niederlassung transferierte Unternehmenskultur anfangs gänzlich unbekannt. Befristete Schulungen im deutschen Mutterhaus können dafür eine Lösung bieten. 

Vertriebs- und Produktionsniederlassungen zeigen unterschiedlichen Personalbedarf

Die in Marokko niedergelassenen deutschen Firmen teilen sich je nach Geschäftsmodell in zwei Lager auf. Die mit 270 Unternehmen übergroße Mehrzahl konzentriert sich ausschließlich auf den Vertrieb importierter Industriewaren und Dienstleistungen. Für sie ist die Absatzentwicklung in Marokko ausschlaggebend. Niedrige Löhne spielen für sie eine untergeordnete Rolle, zumal die Gehälter für qualifiziertes Vertriebspersonal im Vergleich zu anderen Berufsgruppen höher ausfallen. Beim Führungspersonal orientieren sich die Gehälter sogar am internationalen Durchschnitt. Erfahrene Niederlassungs- und Vertriebsstellenleiter müssen teilweise aus dem Ausland abgeworben werden. 

Geringe bis moderate Lohnkosten sind dagegen das einzig ausschlaggebende Investitionsmotiv für etwas mehr als 30 deutsche Firmen. Diese fertigen in Marokko industrielle Vor- und Zwischenprodukte beziehungsweise erstellen Dienstleistungen, unter anderem für den Export nach Deutschland oder in andere Länder. Einige von ihnen haben sogar ehemalige Standorte in Mittel- und Osteuropa wegen der dort gestiegenen Lohnkosten verlassen.

Neben Herstellern von Kabelbäumen und Kfz-Bordelektrik gehören dazu Produzenten von Komponenten für die Luft- und Raumfahrtindustrie, von Pumpen und Ventilen für die Wasserwirtschaft, von qualitativ hochwertigen Baustoffen sowie chemischen Produkten. Logistiker und IT-Dienstleister sind ebenfalls vertreten. Deutsche Betreiber von Callcentern sind zwar an Investitionen interessiert, haben aber Schwierigkeiten, genügend Bewerber mit Deutschkenntnissen zu finden. 

Mitarbeitende mit Kenntnissen in Arabisch, Französisch oder Englisch sind dagegen relativ leicht zu rekrutieren. Hochschulabsolventen verfügen in der Regel über Englischkenntnisse auf A2- bis B1-Niveau. Arabisch bezeichnen 99,2 Prozent der Bevölkerung als ihre Muttersprache, weitere 57,7 Prozent beherrschen Französisch. Darüber hinaus kommunizieren die Menschen in einigen Regionen in den Berbersprachen Tamazight, Tachelhit und Tarifit, die unter dem Oberbegriff Amazigh zusammengefasst werden. Im Norden Marokkos ist Spanisch als Fremdsprache verbreitet, vor allem in der Großstadt Tanger. Die Analphabetenquote liegt derzeit bei 24,8 Prozent. Zehn Jahre zuvor lag der Vergleichswert noch bei 32,2 Prozent. 

Drei Säulen der Berufsausbildung

Die berufliche Ausbildung in Marokko basiert auf drei Säulen. Dabei handelt es sich erstens um staatliche Ausbildungsstätten, zweitens Berufsschulen regionaler Handwerkskammern sowie drittens private Bildungsträger. Die staatlichen Einrichtungen bieten Kurse in verschiedenen Berufen an. Allerdings bemängelt die Wirtschaft, dass die Lehrinhalte oft theorielastig ausfallen und nicht in jedem Fall den praktischen Anforderungen der Unternehmen entsprechen. Die zweite Säule bildet in handwerklichen Berufen für kleine und mittlere Betriebe aus und ist in Ansätzen mit dem deutschen dualen System vergleichbar. Private Bildungsträger verdienen ihr Geld mit kostenpflichtigen Kursen. Zugang haben hier ausschließlich Jugendliche aus Familien, die sich die Ausbildungsgebühren leisten können. Aber auch in den privaten Einrichtungen liegen die Schwerpunkte auf der Vermittlung von Wissen und weniger auf berufspraktischen Erfahrungen.

Die Verfügbarkeit von Fachkräften hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Branche und spezifischen Anforderungen der Unternehmen sowie der Region. So herrscht innerhalb des Landes ein starkes Entwicklungsgefälle. Der mit 80 Prozent übergroße Anteil an Unternehmen befindet sich in der Metropolregion Casablanca-Settat, in der mehr als 30 Prozent des Brutoinlandsprodukts erwirtschaftet wird. Es folgen die aktuell schnell wachsenden Industriezone in der Region Tanger, aber auch die Städte Kénitra, Fès-Meknès, Marrakesch und Agadir. Künftig dürfte Nador für die Unternehmensansiedlung interessant werden. Dort entsteht gerade ein moderner Mittelmeerhafen.

Die Arbeitslosenquote fällt regional äußerst unterschiedlich aus. Zwar befinden sich die meisten Unternehmen in den Städten, doch leben hier gleichzeitig auch die meisten Arbeitssuchenden. So fiel die amtliche Arbeitslosenrate im 4. Quartal 2024 in den Städten mit 16,9 Prozent wesentlich höher aus als auf dem Land, wo ein Vergleichswert von 6,8 Prozent errechnet wurde. Ein Grund dafür ist in der Binnenmigration vom Land in die Städte, ein weiterer in der sicherlich regional qualitativ unterschiedlichen Datenerhebung zu finden, die beide zu diesem amtlichen Ergebniss geführt haben.

Marokko im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.