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Kfz-Zulieferer investieren kräftig
Die Automobilproduktion in Mexiko hat noch nicht das Niveau von vor der Coronapandemie erreicht. Dennoch planen zahlreiche Zulieferer neue Werke im Land.
30.09.2022
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Die Logistikprozesse in Mexikos Automobilindustrie laufen wieder runder, nachdem sie durch die Lockdowns ins Stocken geraten waren. Auch die Versorgung mit Halbleiterchips hat sich stabilisiert. Im 1. Halbjahr 2022 liefen in den Kfz-Werken des lateinamerikanischen Landes rund 1,7 Millionen Pkw vom Band, 3,9 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Allerdings droht dem Sektor eine sinkende Nachfrage aus den USA, aufgrund des dort nachlassenden Wirtschaftswachstums. Im Jahr 2021 wurden rund 91 Prozent der in Mexiko hergestellten Fahrzeuge ins Ausland verkauft, der größte Teil davon in die USA.
Sektor hat Vorkrisenniveau noch nicht erreicht
Die gestiegene Inflation und die hohen Zinssätze in Mexiko und vielen Absatzmärkten wirken sich negativ auf die Nachfrage aus, schreibt der Verband der Automobilindustrie AMIA (Asociación Mexicana de la Industria Automotríz). Entsprechend stagnierten die Exporte mexikanischer Pkw zwischen Januar und Juni 2022; die Inlandsverkäufe reduzierten sich um 0,4 Prozent. Die mittelfristigen Aussichten sind verhalten. Zudem liegen sowohl die Automobilproduktion als auch die Ausfuhren weiterhin rund ein Fünftel unter dem Vorpandemie-Niveau des Jahres 2019.
Ein ähnliches Bild bietet sich bei Nutzfahrzeugen (Nfz): Gemäß dem Branchenverband ANPACT (Asociación Nacional de Productores de Autobuses, Camiones y Tractocamiones) lag die Produktion zwischen Januar und Mai 2022 mit knapp 74.000 Einheiten zwar leicht über dem Niveau vom Vorjahr, jedoch immer noch 14 Prozent unter dem Niveau von 2019.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 *) | |
---|---|---|---|---|
Pkw | 3,8 | 3,0 | 3,1 | 1,7 |
Lkw und Busse | 0,2 | 0,14 | 0,17 | 0,07 |
Vor allem Zulieferer investieren in Mexiko
Kein Sektor in Mexiko zieht mehr ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment; FDI) an als die Automobilindustrie. Im Jahr 2021 investierten ausländische Kfz-Unternehmen rund 5,5 Milliarden US-Dollar (US$) im Land, so das Wirtschaftsministerium (Secretaría de Economía). Dies entsprach 17,4 Prozent des gesamten FDI-Zuflusses und war etwa ein Viertel höher als der Wert 2020. Das bisherige Rekordjahr 2017 mit FDI in Höhe von 7,9 Milliarden US$ erscheint jedoch in weiter Ferne.
Da inzwischen fast alle großen Automobilhersteller Werke in Mexiko eröffnet haben, konzentrieren sich die neuen Investitionen auf Ausbauprojekte und die Tier-1- und Tier-2-Zulieferer. Auch die Herstellung von Kfz-Teilen für Elektrofahrzeuge gewinnt an Bedeutung, wie Investitionspläne von LG Magna e-Powertrain und ZF Friedrichshafen zeigen. Mexiko verfügt mit rund 1.300 produzierenden Teileherstellern zwar über ein gut ausgebautes Lieferantennetz, Produkte für Elektro- und Hybridautos liefern bislang aber nur rund 50 Unternehmen zu, meldet der Branchenverband Industria Nacional de Autopartes (INA).
Unternehmen | Beschreibung | Investitionen (in Mio. US$) | Anmerkung |
---|---|---|---|
Nissan | Investitionen in die Automatisierung des Werks in Aguascalientes | 700 | Ankündigung von Mai 2022 |
Michelin | Phase 2 des Ausbaus des 2019 in León (Bundesstaat Guanajuato) eröffneten Werks | 400 | Soll 2024 in Betrieb gehen; insgesamt sechs Ausbaustufen geplant |
ZF Friedrichshafen | Neue Produktionsstätte und Entwicklungszentrum in Monterrey (Nuevo León) | 300 | Entwicklungszentrum für elektrische Fahrzeuge und autonomes Fahren; Baubeginn Mai 2022 |
Metalsa | Neues Werk in Apaseo el Grande (Guanajuato) | 170 | Produktionsstart im November 2023 geplant; jährliche Produktion von 270.000 Chassis für Toyota |
Faurecia | Neues Werk für Innenraumkomponenten und Autositze in Monterrey (Nuevo León) | 147 | Ansiedlung im Industriepark Nexxus |
Bosch | Ausbau des Werks in Querétaro | 146 | Herstellung u.a. von Electronic power steering-System (EPS) |
ZKW | Ausbau des Werks in Silao (Guanajuato) zur Produktion von Autoscheinwerfern | 102 | Beliefert unter anderem Ford, BMW und General Motors |
LG Magna e-Powertrain | Neues Werk in Ramos Arizpe (Coahuila) für Wechselrichter, Elektromotoren und integrierte Ladegeräte | 100 | Produktionsstart 2023; soll General Motors beliefern |
Flex | Neues Werk für elektronische Komponenten in Guadalajara (Jalisco) mit 3.000 Mitarbeitern | 100 | Im Juni 2022 angekündigt |
Bosch | Neue Produktionslinie in Aguascalientes | 84 | Ausbau des Werks für die Produktion verschiedener Bremstechnologien (iBooster, ABS, ESP) |
Mexiko überholt Deutschland bei der Produktion von Kfz-Teilen
Im Jahr 2021 produzierte die mexikanische Kfz-Zulieferindustrie Autoteile im Wert von 94,8 Milliarden US$. Diese Zahl verkündete Francisco González, Präsident des Autoteileverbandes INA bei der Messe Automechanika Mexico im Juli 2022. Damit habe Mexiko Deutschland zum ersten Mal überholt und gelte nun als viertgrößter Hersteller von Kfz-Teilen weltweit. Für 2022 erwartet der Autoteileverband INA einen Produktionswert von über 100 Milliarden US$. Zahlreiche deutsche Zulieferer sind in Mexiko vertreten, darunter Continental, ZF Friedrichshafen, Bosch, Dräxlmaier, Schaeffler, Mahle, Brose und ThyssenKrupp.
Stadtgeländewagenmodelle führen Produktion an
In den vergangenen Jahren haben sich die Automobilwerke an die starke US-Nachfrage nach Sport Utility Vehicle (SUV), Pick-ups und Geländewagen angepasst. Dementsprechend führen nicht Klein- oder Kompaktwagen die Produktionszahlen an, sondern die Modelle Toyota Tacoma (138.000 hergestellte Einheiten im 1. Halbjahr 2022), General Motors Equinox SUV (101.000), General Motors Silverado Doble Cabina (92.000) und Audi Q5 (87.000). Neben den USA ist aufgrund des United States-Mexico-Canada-Agreements (USMCA) auch Kanada ein bedeutender Absatzmarkt für mexikanische Kfz.
Die Hersteller richten ihren Fokus auf E-Mobilität. General Motors kündigte bereits 2021 an, das Werk in Ramos Arizpe für 1 Milliarde US$ auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umzustellen. Ford startete im November 2020 mit der Produktion des Mustang Mach-E, das erste in Mexiko gefertigte Elektroauto. Im 1. Halbjahr 2022 produzierte Ford rund 34.000 Mustang Mach-E in Mexiko.
Kapazität nur zu 70 Prozent ausgelastet
Mexiko stand 2021 mit 3,1 Millionen produzierten Fahrzeugen auf Platz sieben der weltweit größten Herstellerländer, nur knapp hinter Deutschland. Die Produktionskapazität liegt jedoch sogar bei 5 Millionen Fahrzeugen jährlich, so der Branchenverband AMIA. Sie verteilt sich auf landesweit 22 Werke, von denen einige bereits in den 1960er Jahren errichtet wurden. Dazu gehört das Volkswagen-Werk in Puebla (Eröffnung 1964) mit einer Kapazität von rund einer halben Million Fahrzeuge. Die Auslastung der Werke lag vor der Pandemie laut AMIA bei rund 90 Prozent, im Jahr 2021 erreichte sie jedoch nur 70 Prozent. Hinzu kommen landesweit zehn Werke für Motoren und sieben Produktionsstätten für Getriebe.
Geografisch konzentriert sich die Kfz-Industrie auf die zentrale Bajió-Region um die Bundesstaaten Aguascalientes, Jalisco, Guanajuato, San Luis Potosí und Querétaro. Auch die an die USA angrenzenden Bundesstaaten wie Coahuila und Nuevo León sind attraktiv, ebenso México und Puebla. In Letzterem befinden sich die Werke von Volkswagen und Audi. Größte Hersteller waren 2021 mit jeweils drei Werken im Land General Motors und Nissan, gefolgt von Stellantis, Volkswagen, Toyota, KIA und Ford. Eine geografische Übersicht über die Automobilwerke in Mexiko bietet AMIA.
Auch die Herstellung von Nfz ist bedeutend. Mexiko ist der weltweit viertgrößte Exporteur von Lkw, Sattelschleppern und Bussen. Insgesamt sind zwölf Werke für Nfz in Mexiko vorhanden, eine Übersicht bietet der Branchenverband ANPACT. Wichtigste Hersteller sind Freightliner, International und Kenworth.
Verband der Automobilindustrie | |
Verband der Autokonzessionäre | |
Asociación Nacional de Productores de Autobuses, Camiones y Tractocamiones (ANPACT) | Verband der Nutzfahrzeughersteller |
Verband der Kfz-Teilehersteller |