Branche kompakt | Indien | Kfz-Industrie
Branchenstruktur
Die Produktionsmenge in der volkswirtschaftlich wichtigen Kfz-Branche nimmt immer weiter zu. Die Unternehmen investieren derweil in neue Kapazitäten.
02.04.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Der Automobilsektor ist von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung für Indien. Nach offiziellen Angaben trägt er rund 7 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Die Branche beschäftigt – optimistisch geschätzt – zwischen 35 Millionen bis 37 Millionen Menschen direkt und indirekt. Geht es nach dem "Automotive Mission Plan" der Regierung, sollen die Werte bis 2026 auf mindestens 12 Prozent Anteil am BIP beziehungsweise 65 Millionen Beschäftigte steigen.
Im Land ansässig sind sowohl heimische als auch internationale Hersteller. Zudem gibt es eine leistungsfähige Zulieferindustrie. Es werden alle wichtigen Bereiche der Wertschöpfungskette vor Ort abgedeckt. Die Zentren der Kfz-Branche sind in und um Pune, Chennai, Bengaluru sowie New Delhi. Auch im Bundesstaat Gujarat sind Kfz-Unternehmen in größerem Umfang anzutreffen. Kleine Zulieferer sind aber im ganzen Land verteilt.
Die Unternehmen produzieren überwiegend für den lokalen Markt. Insbesondere für Zweiradhersteller ist aber auch der Export wichtig. Zahlreiche Zulieferer orientieren sich ebenfalls über die Landesgrenze hinaus und streben eine stärkere Einbindung in internationale Lieferketten an.
Produktionsvolumen steigt weiter
Kfz-Hersteller freuen sich derzeit über eine wachsende Produktion. Im Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) wurden rund 4,6 Millionen Pkw produziert.
Branchenvertreter zeigen sich zuversichtlich, dass die Produktion von Pkw auch im nächsten Finanzjahr weiter wachsen wird. Allerdings weisen sie darauf hin, dass der Schwung durch nachgeholten Konsum im Nachklang der Coronapandemie aufgebraucht ist. Dementsprechend geringer dürften die Wachstumsraten 2024/2025 ausfallen.
Dennoch sorgt die gute Binnenkonjunktur für eine weiterhin gute Fahrzeugnachfrage in Indien. Der Fokus der Regierung auf Infrastrukturinvestitionen könnte ebenfalls belebend wirken, da er die Nachfrage nach Lkw weiter stützt.
Mittelfristig wird die Fahrzeugflotte deutlich größer. Laut Branchenangaben gibt es derzeit 340 Millionen Fahrzeuge im Land. Bis 2028 sollen es jährlich 8 Prozent mehr werden.
Kategorie | 2023 | 2028*) |
---|---|---|
Zweiräder | 257 | 365 |
Pkw | 47 | 72 |
Lkw und Busse | 13 | 19 |
Traktoren | 14 | 19 |
Hersteller investieren in neue Fertigung
Das Industriekonglomerat JSW steigt groß ins Automobilgeschäft ein. Ende 2023 kaufte sich das Unternehmen einen 35 Prozent-Anteil an MG Motor India. Anfang 2024 folgte die Ankündigung, groß im Bereich Elektromobilität zu investieren. Umgerechnet 4,8 Milliarden US-Dollar (US$) sollen in den Bau zweier Werke in Odisha fließen. Neben einem Werk für E-Fahrzeuge soll auch eine Batteriefertigung mit einer Kapazität von 50 Gigawattstunden entstehen. Zudem ist eine Kupferschmelze und eine Lithiumraffinerie geplant.
Maruti Suzuki investiert ebenfalls kräftig. Mit 4,2 Milliarden US$ will die Firma ein neues Werk im Bundesstaat Gujarat errichten. Zudem soll mit dem Geld die bereits dort vorhandene Fabrik um eine 4. Produktionslinie erweitert werden. Damit dürften die Produktionskapazitäten von rund 750.000 Einheiten jährlich auf geschätzt 2 Millionen Einheiten wachsen. Die Erweiterung der bestehenden Anlage soll bis Frühjahr 2027 abgeschlossen sein. Die Finalisierung des Fabrikneubaus ist für Frühjahr 2029 eingeplant. Insgesamt strebt Maruti Suzuki eine Produktionskapazität von 4 Millionen Pkw bis 2031 an.
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. US$)*) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Zwei Fertigungen im Bereich Elektromobilität durch JSW in Odisha | 4.804 | Absichtserklärung unterzeichnet | Rund 3 Milliarden US$ sollen in die Herstellung von E-Fahrzeugen und Batterien fließen. Die restlichen 1,8 Milliarden US$ gehen in den Bau einer Fabrik für Komponenten im Bereich Elektromobilität |
Bau eines neuen und Erweiterung eines bestehenden Werkes durch Maruti Suzuki | 4.202 | Angekündigt | Es handelt sich um das 2. Werk von Maruti Suzuki in Gujarat |
Umbau und Erneuerung eines alten Werkes durch Hyundai Motors India | 721 | Absichtserklärung unterzeichnet | Es handelt sich um das alte Werk von General Motors in Talegaon nahe Pune |
Bau eines Werkes durch Toyota Kirloskar Motor | 396 | Inbetriebnahme geplant für 2026 | Es ist das 3. Werk am Standort Bidadi nahe Bengaluru |
Bau von zwei Fabriken für Elektrofahrzeuge durch Omega Seiki Mobility | 200 | Angekündigt | Wahrscheinlicher Standort der Fabriken wird in Südindien sein |
Investitionen von Mahindra & Mahindra in das Zweiradgeschäft | 150 | Angekündigt | Investitionen unter der Dachmarke Classic Legends, zu der Mahindras Beteiligung an den Marken Java, Yezdi und BSA gehört |
Bau von zwei Fabriken für Komponenten im Bereich Elektromobilität durch Omega Seiki Mobility | 96 | Angekündigt | Unter anderem sollen Batterien und Antriebsstränge gefertigt werden |
Toyota investiert fast 400 Millionen US$ in eine weitere Fabrik in der Nähe von Bengaluru. Dem Vernehmen nach ist eine Kapazität von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr angepeilt. Die Anlage – Toyotas dritte in der Region – soll ab 2026 in Betrieb gehen.
Hyundai steckt ebenfalls Geld in die Fertigung in Indien. Nachdem die Koreaner das ehemalige Werk von General Motors in der Nähe von Pune erworben haben, wurden nun Pläne für die weitere Entwicklung des Standortes bekannt. Demnach will Hyundai 721 Millionen US$ in die Anlage stecken. Älteren Meldungen zufolge sollen bereits 2025 erste SUV-Modelle vom Band laufen.
Weiterhin viel Aufmerksamkeit erregen mögliche Investitionen von Tesla in Indien. Die Regierung umwirbt das Unternehmen offen und hofft auf eine Gigafabrik. Elon Musk drängt aber zunächst auf Senkung der hohen Einfuhrzölle für elektrische Pkw, um die Nachfrage vor Ort realistisch testen zu können. Lokale Automobilproduzenten positionieren sich jedoch gegen niedrigere Einfuhrzölle. Momentan ist unklar, wie sich die Lage entwickeln wird.
Zulieferer sind optimistisch
Nach einem erfolgreichen Jahr 2022/2023 mit Umsätzen in Höhe von fast 70 Milliarden US$ blicken die Automobilzulieferer optimistisch in die Zukunft. Die Umsätze im 1. Halbjahr des laufenden Finanzjahres 2023/2024 deuten darauf hin, dass ein noch besseres Ergebnis erzielt werden wird. Die zunehmende Kundennachfrage nach margenstärkeren Kfz hilft den Zulieferern genauso wie ein steigendes Geschäft mit Ersatzteilen, denn auch der Gebrauchtwagenmarkt wächst.
Kategorie | Wert | Veränderung zum Vorjahr |
---|---|---|
Branchenumsatz 2022/2023 | 69,7 | 23,2 |
Lieferungen an Hersteller (Original Equipment Manufacturers; OEM) | 59,3 | 39,5 |
Importe | 20,3 | 10,9 |
Exporte | 20,1 | 5,2 |
Verschleiß-, Reparatur-, Zubehör- und Tuningteile (Aftermarket) | 10,6 | 6,6 |
Branchenumsatz 1. Halbjahr 2023/2024 | 36,1 | 6,5 |
Lieferungen an Hersteller (Original Equipment Manufacturers; OEM) | 30,8 | 7,7 |
Importe | 10,6 | 3,6 |
Exporte | 10,4 | 2,7 |
Verschleiß-, Reparatur-, Zubehör- und Tuningteile (Aftermarket) | 5,5 | 1,7 |
Wenngleich die Umsätze der heimischen Zulieferer weiter zunehmen, ist Indien nach wie vor auf Importe angewiesen, um die Nachfrage zu decken. Sowohl 2022 als auch im Folgejahr bis einschließlich November 2023 legten diese insgesamt deutlich zu. Lediglich Kfz-Elektrik bildete im Jahr 2022 eine Ausnahme, Motoren zeigten im Jahr 2023 ein Ausreißer nach unten. Nach Angaben des Branchenverbandes der Zulieferindustrie spielen Einfuhren aus anderen asiatischen Ländern eine deutlich größere Rolle als Importe aus Europa.
HS-Kategorie | Jan.-Nov. 2023 | Veränderung | aus Deutschland Jan.-Nov. 2023 |
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HS 8511, 8512 Kfz-Elektrik | 766,9 | 2,7 | 52,7 |
HS 8706, 8707, 8708 Karosserien, Stoßstangen etc. | 5.622,3 | 10,8 | 849,4 |
HS 8544.30 Zündkabelsätze | 115,5 | 18,4 | 12,9 |
HS 8407.31-34, 8408.20 Motoren | 514,1 | -12,6 | 19,2 |
HS 8483.40 Getriebe und Getriebeteile | 550,9 | 9,4 | 83,5 |
Summe | 7.569,7 | 8,0 | 1.017,7 |
(Stand: Februar 2024)