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Markets International 6/23 I Mongolei I Wirtschaftsumfeld

"Mit einem „schnell, schnell“ kommt man nicht ans Ziel"

Laurenz Melchers ist Gründer und Vorsitzender der MSM Group LLC. Der Schwerpunkt des Mittelständlers liegt auf Ausrüstungen und Services für den Bergbau. Im Interview spricht er über seine 25-jährige Erfahrungen auf dem mongolischen Markt.

Von Christiane Süßel | Bonn

Laurenz Melchers, Gründer/Inhaber, Star Melchers LLC, Mongolei Laurenz Melchers, Gründer/Inhaber, Star Melchers LLC, Mongolei | © Herrn Melchers/privat

Wie kam es dazu, dass Sie in der Mongolei Fuß gefasst haben?

Nach einer Reise ins Land waren meine Frau und ich fasziniert von der Mongolei und haben uns kurz entschlossen in Ulan Bator niedergelassen. Wir wollten zunächst Luxusreisen im Land anbieten. Es stellte sich bald heraus, dass der Markt dafür noch nicht reif war. Mir ist aber aufgefallen, dass es erst kurz nach der Öffnung des Landes Ende der 1990er Jahre noch wenige westliche Konsumprodukte gab. Das hat mein Händlerherz geweckt. Wir haben also Artikel wie Windeln und Kosmetika importiert und vertrieben. Ich bin auch mit einem Katalog über Baustellen getingelt und habe zunächst vergeblich hochwertige deutsche Werkzeuge feilgeboten. Irgendwann traf ich einen Bauherren von Einzelhäusern, den ich dann mit Bosch-Werkzeugen beliefert habe. In den ersten zwei, drei Jahren war das Geschäft klein und wir haben sehr bescheiden gelebt. Nach ungefähr sechs Jahren war klar: Das Geschäftsmodell trägt sich und wir machen weiter.

Wie ging es weiter?

Wir haben mit vielen Leuten geredet. Irgendwann kam die Idee auf, deutsche Pkw in die Mongolei zu holen. Die hatten auch hier einen guten Ruf. Damals gab es kaum private Autos auf den Straßen. Über einen Mechaniker von Daimler, der zur Reparatur der Regierungsautos eingeflogen werden musste, bekamen wir in Stuttgart einen Fuß in die Tür. Seither vertreiben wir Mercedes-Benz in der Mongolei und haben auch Reparaturwerkstätten aufgebaut. Der Mercedes-Stern auf unseren Visitenkarten hat uns viele Türen geöffnet. Inzwischen zählen auch andere Marken wie etwa der chinesische E-Auto-Hersteller BYD zu unserem Portfolio.  

MSM ist auch im Bergbau aktiv. Wie kam es dazu?

In den Gesprächen mit potenziellen Geschäftspartnern fiel auf, dass es einen Bedarf an Technik vor allem für den Bergbau gibt. Das ist der größte Wirtschaftssektor der Mongolei. Die Bestellungen in diesem Bereich sind immer weiter gewachsen und damit auch unser Angebot. Wir liefern Maschinen und Ausrüstungen etwa für Tiefbohrungen, Gestänge, Flüssigkeiten sowie Kompressoren und Generatoren. Zur Palette gehören aber auch Sicherheitsanzüge für Bergleute und sogar Toiletten. Zu unseren Partnern zählt unter anderem die größte Kupfermine des Landes, Oyu Tolgoi. Hier bieten wir neben Ausrüstungen auch technisches Know-how: Rund 150 MSM-Mitarbeiter sorgen in der Mine dafür, dass das von uns gelieferte deutsche Untertage-Equipment reibungslos läuft. 

Sie sind also über den Vertrieb hinaus gewachsen?

Ja, vor allem im Bergbau haben wir auch eigene Lösungen entwickelt. Dazu zählen etwa Chemikalien für den Tunnelbau, die wir in einer eigenen Mischanlage herstellen. Mit dem australischen Bergbaukonzern Rio Tinto, der an Oyu Tolgoi beteiligt ist, haben wir in einem über zehn Jahre laufenden Entwicklungsprojekt eine Lösung für den Untertagetransport mit Lkw von Daimler ausgearbeitet. Die Lkw sind für den Einsatz in den Minen mit Radarsystemen so ausgestattet, dass sie sicher und effektiv funktionieren – eine einzigartige Lösung.

Sie haben also einen breiten Überblick über unterschiedliche Marktsegmente. Was charakterisiert den mongolischen Markt?

Er ist mit nur gut drei Millionen Einwohnern zunächst ein sehr kleiner Markt. Dabei ist das Gefälle zwischen Arm und Reich hoch. Die Mittelschicht ist nicht ausgeprägt. Inzwischen ist der Konsumgütermarkt gut abgedeckt. Alle großen westlichen Anbieter sind in der Hauptstadt Ulan Bator vertreten. Das Niedrigpreissegment wird oft von asiatischen Konzernen bedient. Auch im Markt für Luxusgüter gibt es nur wenige weiße Flecken. Wir hatten Glück, dass wir mit unseren Alkoholika und anderen Produkten sehr früh aber auch nicht zu früh präsent waren und nun im Markt etabliert sind.

Gibt es Hürden, die Unternehmen beim Markteintritt überwinden müssen?

Es gibt natürlich Standards, die Anbieter erfüllen müssen, wenn sie Produkte vertreiben wollen. Für bestimmte Waren braucht man Lizenzen, wie etwa für den Verkauf von Alkoholika. Wir arbeiten hier mit Dienstleistern zusammen, die die bürokratischen Verfahren für uns erledigen. Aber die Hürden sind nicht höher als in anderen Ländern auch. Im Gegenteil: Die Digitalisierung greift. Vieles kann online beantragt werden. So ist das ganze Steuerverfahren inzwischen digital und auch die Zollabfertigung funktioniert weitgehend ohne Zettelwirtschaft. Die Mongolei ist in dieser Hinsicht nicht kompliziert.

Was prägt die mongolische Geschäftspraxis?

Ich würde sagen, dass wir Deutschen beim Aufsetzen von Verträgen akkurater arbeiten. Wir sind da eher risikoscheu und wollen uns absichern. Unsere mongolischen Partner hingegen blicken weniger auf mögliche Gefahren und streben danach, Geschäfte relativ schnell abzuschließen.

Was ist ihr Erfolgsrezept für den mongolischen Markt?

Geschäfte in der Mongolei zu machen, ist leichter als man vielleicht auf den ersten Blick denkt. Ich habe selbst 16 Jahre in Ulan Bator gelebt und rate jedem, selbst Zeit im Land zu verbringen, um den Markt zu verstehen. Und man braucht einen langen Atem: Ein „schnell, schnell“ bringt keinen Erfolg. Entscheidend für den Erfolg ist vor allem die Auswahl der lokalen Mitarbeiter und Partner. 

Wie sieht es mit dem Personal aus?

Anfangs hatten wir Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das technische Know-how war gering, der Geschäftssinn wenig ausgeprägt und die Arbeitsmoral schlecht. Doch mittlerweile arbeiten unsere Mitarbeiter hart und sind sehr wissbegierig. Dennoch ist es schwer, vor allem gut ausgebildete Angestellte zu finden. Findet man sie, sind sie recht teuer. Da es im Bildungsbereich noch Nachholbedarf gibt, bilden wir selbst Techniker aus. Wir verstehen uns also nicht als reiner Importeur und „Geldverdiener“ sondern auch als verantwortungsvolles Unternehmen.

 

LESETIPP:  Lesen Sie den ausführlichen Artikel "Wunschpartner" zur Mongolei in der aktuellen Ausgabe der Markets International.

 

Spielt Korruption eine Rolle?

Korruption gibt es – wie fast überall – auch in der Mongolei. Wir haben aber immer darauf geachtet, sie zu umgehen. Zu Beginn unserer Tätigkeit sollten wir „Nebengebühren“ für einen Container zahlen, der beim Zoll festhing. Wir haben uns so lange geweigert zu zahlen, bis der Container zum Platzproblem wurde und von der Gebühr keine Rede mehr war. Generell fokussieren wir uns auf den Privatsektor und umgehen die Zusammenarbeit mit staatlichen Unternehmen, wo Korruption eher eine Rolle spielt. Dass wir „sauber“ arbeiten, trägt auch zu unsrem guten Ruf bei, der uns auch für Angestellte attraktiv macht. 

Es heißt, für den Markteintritt braucht man Netzwerke?

Ja, das ist wie in anderen Ländern auch in der Mongolei so. Unser Netzwerk sind unsere Angestellten mit ihren Beziehungen. Entscheidend für Geschäfte ist der Ruf, der einem vorauseilt. Wir haben immer Fehler eingestanden und Probleme gelöst. Das trägt zu unserem guten Renommee bei. 

In welchen Branchen bieten sich deutschen Unternehmen Chancen?

Natürlich ist das in erster Linie der Bergbau mit den reichen Vorkommen an Kohle, Kupfer und auch Gold. Dort ist deutsche Ausrüstung gefragt. Nicht umsonst sind wir mit MSM hier breit aufgestellt. Aber auch im Agrarbereich sehe ich Potenzial. Hier liefern wir etwa Landmaschinen, die zum Teil komplett per Satellit gesteuert die enorm großen Felder bearbeiten. Allerdings sind das Klima und die Bewässerung limitierende Faktoren. Mit fortschrittlichen Bewässerungssystemen könnte sich der Anbau von Weizen und Raps noch stärker lohnen. Und auch die Viehwirtschaft wird wachsen. Wenn die Halter der mehr als 70 Millionen Tiere deren Mehrwert entdecken, wird die Fleisch- aber auch die Molkereiwirtschaft florieren. Das mongolische Fleisch hat in meinen Augen im Bio- und Halal-Segment Chancen, sich gegen andere asiatische Anbieter zu behaupten. 

Wie sieht es mit Infrastrukturprojekten aus?

In der Tat muss die Mongolei ihre Infrastruktur ausbauen; vor allem Straßen und Schienen. Doch hier hat der Staat die Oberhand, was solche Projekte anfällig für Korruption macht. 

Die Wüste Gobi und viele Steppenlandschaften bieten sich als Standorte für Wind- und Solarkraft an. Welche Entwicklungen erwarten Sie im Energiebereich?

Die Kohlevorkommen der Mongolei gelten auch im globalen Vergleich als groß. Das heißt, dass die Kohle im Land billig zu haben ist und daher bislang die Strom- und Wärmeerzeugung klar dominiert. Für den Bau von erneuerbaren Anlagen sind zunächst Investitionen nötig. Das Einspeisen grünen Stroms in die Netze, die ohnehin wenig ausgebaut sind, kann den Strompreis deutlich anheben. Das wiederum dürfte bei der Bevölkerung nicht gut ankommen. Um die Energieversorgung auch der zahlreichen Rohstoffprojekte abzusichern, baut die Regierung eher auf Kohlekraftwerke.

Haben die Erneuerbaren damit keine Chancen sich durchzusetzen?

Die Frage ist, wer agiert als Treiber hierfür? Entscheidend dürfte sein, ob andere Länder der Mongolei Subventionen zahlen, damit die Regierung die Dekarbonisierung vorantreibt. Ein anderer Hebel wäre es, wenn große Konzerne, wie etwa Rio Tinto, beschließen, keinen fossilen Strom mehr anzukaufen. 

Die Regierung versucht mit der Ende 2021 ausgerufenen New Revival Policy bestehende Hürden abzubauen und das Land für ausländische Investoren attraktiver zu machen. Hat die Mongolei damit den richtigen Weg eingeschlagen? 

Leider ist das Bild der Mongolei im Ausland derzeit nicht gut. Dazu beigetragen hat auch eine über Jahre andauernde schlechte Regierungsarbeit. Bis in das Jahr 2012 war das Land in der sogenannten „Boom- und Bust-Zeit“ im Ausland ein begehrter Partner. Als die Regierung dann den zunehmenden Einfluss Chinas begrenzen wollte, fuhr sie einen harten Kurs und erschwerte ausländische Engagements. Das traf auch andere ausländische Investoren. Vertrauen ging verloren und einige große Konzerne kehrten dem Land den Rücken. Um das Vertrauen wieder aufzubauen, muss die Mongolei ihre Politik langfristig ausrichten und Verlässlichkeit beweisen. 

Die Mongolei ist sowohl beim Im- als auch dem Export in hohem Maß von China abhängig. Was bedeutet das für das Land?

In der Tat strebt die Regierung in Ulan Bator eine einerseits partnerschaftliche aber andererseits auch distanzierte Beziehung zum Riesennachbarn an. Eine Entkopplung ist nur begrenzt möglich. Doch die Mongolei hat gute Diplomaten und wirbt um so stärker um gute Beziehungen zu den USA, zu Japan und Südkorea aber auch zu Europa und damit zu Deutschland. 

Können deutsche Unternehmen auch vom guten Ruf ihrer Produkte profitieren?

Auch in der Mongolei hat „Made in Germany“ ein gutes Standing. Aber auch die asiatische Konkurrenz hat attraktive Produkte zu bieten. Und: Sie werden immer besser. Deutsche Anbieter können sich also nicht auf ihrem guten Ruf ausruhen. 

Sie haben im Mongolei-Geschäft viel einzigartiges Know-how erworben. Wollen Sie diese Lösungen auch über die Mongolei hinaus verkaufen?

Nein, wir sind und bleiben auf unser Mongoleigeschäft konzentriert. Schließlich sind wir mit unserem Werdegang auch ein Teil der mongolischen Wirtschaftsgeschichte.

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