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Anerkennung / Vollstreckung

Überblick

Wer als deutscher Dienstleistungsempfänger in Deutschland oder in den Niederland einen Prozess (zum Beispiel auf Schadensersatz nach einem Gewährleistungsfall) gegen einen niederländischen Dienstleister gewonnen hat, hat noch nicht sein Geld erhalten. Vielmehr muss er die gerichtliche Entscheidung ggf.--gegebenenfalls anerkennen und auch vollstrecken lassen, um das vom Gericht zugesprochene Geld auch tatsächlich zu erhalten. Bei der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen können dem deutschen Dienstleistungsempfänger dabei mehrere Fallkonstellationen begegnen:

MÖGLICHE FALLKONSTELLATIONEN DER ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG

Land der Anerkennung & VollstreckungNiederländisches Urteil (1)Deutsches Urteil (2)
Anerkennung & Vollstreckung in den NiederlandenNur niederländisches Recht, Anerkennung nicht nötig (1a)EuGVVO i.V.m.--in Verbindung mit niederländischem Recht (2a)
Anerkennung & Vollstreckung in DeutschlandEuGVVO i.V.m.--in Verbindung mit deutschem Recht (1b)Nur deutsches Recht; Anerkennung nicht nötig (2b)

vereinfachte Darstellung


So kann zunächst die Entscheidung eines niederländischen Gerichts (1) (siehe hierzu die Rubrik zu zuständigen Gerichten sowie die sich anschließenden Rubriken) vorliegen. Diese kann entweder in den Niederlanden vollstreckt (1a) oder in Deutschland anerkannt und vollstreckt (1b) werden. Der deutsche Dienstleistungsempfänger kann aber ebenso, etwa aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, vor einem deutschen Gericht geklagt haben. Eine solche deutsche Gerichtsentscheidung (2) könnte gleichfalls in den Niederlanden anerkannt und vollstreckt (2a) oder aber in Deutschland vollstreckt (2b) werden.

Umgekehrt kommen auch Fälle in Betracht, in denen sich der deutsche Dienstleistungsempfänger einer Vollstreckung eines Urteils ausgesetzt sieht, das der niederländische Dienstleister erwirkt hat. Dies ist beispielsweise bei Klagen des niederländischen Dienstleisters auf die (bis dahin nicht erfolgte) Zahlung seines Werklohnes möglich. Wenn der niederländische Dienstleister diesen erfolgreich in den Niederlanden eingeklagt hat, kann er entweder dort die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn der deutsche Dienstleistungsempfänger Vermögenswerte in den Niederlanden hat (1a). Alternativ dazu kann er die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung gegen den Dienstleistungsempfänger in Deutschland betreiben (1b). Hat der niederländische Dienstleister dagegen einen Prozess in Deutschland gewonnen, sind die deutschen Regeln für die Zwangsvollstreckung in Deutschland anwendbar (2b). Auch hier kann allerdings die Situation auftreten, dass der niederländische Dienstleister lieber auf in den Niederlanden gelegene Vermögenswerte des deutschen Dienstleistungsempfängers (falls solche bestehen) zugreifen möchte – dies setzt dann die Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils in den Niederlanden (2a) voraus.

Die Anerkennung und Vollstreckung in Deutschland richtet sich grundsätzlich nach deutschem Recht. Dieser Bereich wird von unserem auf ausländisches Recht beschränkten Informationsportal nicht abgedeckt. Der deutsche Dienstleistungsempfänger sollte sich diesbezüglich an einen deutschen Rechtsanwalt wenden oder sonstige Informationsquellen zum deutschen Recht nutzen.

Hilfreich bei der Suche nach einem deutschen Rechtsanwalt:

  • DeutscheAnwaltAuskunft des Deutschen Anwaltvereins (DAV), dort ein Suchformular unter dem Menüpunkt Anwaltsuche oder aber
  • bundesweites amtliches Anwaltsverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer.

Im Folgenden werden die Konstellationen der Anerkennung und Vollstreckung in Niederlanden behandelt. Hierfür sind auch die vorrangigen Regelungen des Europäischen Rechts von Bedeutung, die ebenfalls in ihren wichtigsten Grundzügen dargestellt werden.

Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in den Niederlanden

In den Fällen, in denen nicht lediglich eine niederländische Entscheidung in den Niederlanden vollstreckt wird, sondern eine deutsche Entscheidung in den Niederlanden (2a) anerkannt und vollstreckt werden muss, ist aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters zunächst die europarechtliche Ebene zu berücksichtigen: Die im Abschnitt internationale Zuständigkeit bereits erwähnte EuGVVO, die in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gilt, regelt nicht nur die internationale und teilweise auch die örtliche Zuständigkeit in Streitigkeiten zwischen niederländischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern. Vielmehr bestimmt sich auch die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat nach der EuGVVO. Aufgrund der zum 10.1.2015 in Kraft getretenen Reform der EuGVVO gilt je nachdem, wann das Verfahren eingeleitet wurde, die Fassung der Brüssel-I-Verordnung oder der Brüssel-Ia-Verordnung (Artikel 66 EuGVVO in der Fassung der Brüssel-Ia-Verordnung). Unabhängig von der EuGVVO gibt es bei unbestrittenen Forderungen die Möglichkeit, einen europäischen Vollstreckungstitel zu beantragen.

Vollstreckung eines deutschen Titels in den Niederlanden

Auf Verfahren, die am 10.1.2015 oder danach eingeleitet, förmlich errichtet oder eingetragen bzw.--beziehungsweise gebilligt oder geschlossen wurden oder werden, finden die Vorschriften der EuGVVO in der Fassung der Brüssel-Ia-Verordnung Anwendung, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen.

Der Begriff “Entscheidungen“ umfasst dabei jegliche gerichtliche Entscheidung - ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung als Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid (Artikel 2 lit. a EuGVVO).

Die jeweilige Entscheidung wird im jeweils anderen Land dabei ohne besonderes Verfahren anerkannt (Artikel 36 EuGVVO). Die Partei, die die Anerkennung der Entscheidung erreichen möchte, hat nur eine beweiskräftige Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung sowie die sogenannte "Bescheinigung über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen" vorzulegen (Artikel 37 EuGVVO). Für die Bescheinigung gibt es in Anhang I der EuGVVO ein Formblatt.

Voraussetzung für die Vollstreckung einer anerkannten Gerichtsentscheidung ist, dass sie im Staat der Gerichtsentscheidung (so beispielsweise in Deutschland) vollstreckbar ist (Artikel 39 EuGVVO). Bisher musste darüber hinaus der Vollstreckungsstaat (so beispielsweise in den Niederlanden) einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung stattgeben. Dieses sogenannte Exequaturverfahren wurde durch die Brüssel-Ia-Verordnung zum 10.1.2015 abgeschafft. Auch für die Vollstreckung ist allein die Vorlage einer beweiskräftigen Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung sowie der oben genannten "Bescheinigung über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen" erforderlich. Diese muss insbesondere auch bestätigen, dass die Entscheidung vollstreckbar ist (Artikel 42 Absatz 1 EuGVVO). Es ist klargestellt, dass bei Vorlage einer vollstreckbaren Entscheidung jede Sicherungsmaßnahme, die im Recht des Landes, wo die Entscheidung vollstreckt werden soll (so beispielsweise in den Niederlanden), vorgesehen ist, ergriffen werden kann (vgl. hierzu den Abschnitt Eilverfahren dieses Länderberichts). Wird die Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen angestrebt, gelten besondere Formalitäten (Artikel 42 Absatz 2 EuGVVO).

Die Anerkennung einer Entscheidung kann nur auf Antrag eines Berechtigten versagt werden (Artikel 45 EuGVVO), die Vollstreckung einer Entscheidung nur auf Antrag des Schuldners (Artikel 46 EuGVVO). Das Verfahren zur Versagung der Anerkennung ist mit dem über die Versagung der Vollstreckung identisch (Artikel 45 Absatz 4 EuGVVO). Dem Antrag wird jedoch nur stattgegeben, wenn schwerwiegende Gründe, wie etwa ein der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechendes Urteil, vorliegen (Artikel 45 EuGVVO). Die Gerichtsentscheidung darf im Anerkennungs-/Vollstreckungsstaat (hier beispielsweise die Niederlande) nicht mehr in der Sache selbst nachgeprüft werden (Verbot der révision au fond) (Artikel 52 EuGVVO). Der Antrag ist an das zuständige niederländische Bezirksgericht (rechtbank) (vgl. Abschnitt örtliche und sachliche Zuständigkeit dieses Länderberichts) zu stellen (Artikel 47 Absatz 1 EuGVVO). Gegen die Entscheidung über den Antrag kann jede Partei einen Rechtsbehelf vor dem niederländischen Berufungsgericht (Gerechtshof) einlegen (Artikel 49 EuGVVO). Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf wiederum kann vor dem Obersten Gerichtshof der Niederlande (Hoge Raad der Nederlanden) Revision eingelegt werden (Artikel 50 EuGVVO).

Besonderheit: Europäischer Vollstreckungstitel

Hat eine Partei in der Gerichtsverhandlung die Forderung der anderen Seite ausdrücklich anerkannt oder haben sich die Parteien vor Gericht gütlich geeinigt und einen Vergleich geschlossen, gibt es bereits seit 2005 ein vereinfachtes Vollstreckungsverfahren. Denn bei unbestrittenen Forderungen (wie den eben genannten Anerkenntnissen vor Gericht oder gerichtlichen Vergleichen) kann ein Europäischer Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG--Europäische Gemeinschaft) Nr.--Nummer 805/2004 beantragt werden. Das bedeutet für den oben dargestellten Fall des deutschen Dienstleistungsempfängers, wenn er mit dem niederländischen Dienstleister wegen seiner Schadensersatzforderung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hat Folgendes: Mit der durch das deutsche Gericht auszustellenden Bestätigung des Vergleiches als Europäischer Vollstreckungstitel kann in den Niederlanden ebenfalls ohne den Zwischenschritt der Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden. Den gleichen Vorteil hat natürlich auch der oben angesprochene niederländische Dienstleister, wenn er und der deutsche Dienstleistungsempfänger im Prozess in den Niederlanden einen Vergleich schließen. Weiterführende Informationen zum Europäischen Vollstreckungstitel bietet das EU-Portal mit Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung.

Die Niederlanden haben ein Ausführungsgesetz zum Europäischen Vollstreckungstitel (Uitvoeringswet verordening Europese executoriale titel) erlassen.

Vollstreckung niederländischer Entscheidungen in den Niederlanden

Die Zwangsvollstreckung (tenuitvoerlegging) nach niederländischem Recht fußt vor allem auf den Artikeln 430 ff.--folgende der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering - im Folgenden: "WBR").

Voraussetzung für die Durchführung der Zwangsvollstreckung ist, dass der Zwangsvollstreckungsgläubiger einen vollstreckbaren Titel (executoriale titel) hat. Vollstreckbare Titel sind Entscheidungen von niederländischen Gerichten (z.B.--zum Beispiel Urteile (vonnis) und Beschlüsse (beschikking)), öffentliche Urkunden (authentieke akte) sowie sonstige Dokumente, die laut Gesetz vollstreckbar sind (Artikel 430 Absatz 1 WBR). Hierzu zählen beispielsweise Schiedssprüche mit Vollstreckungsbewilligung (Artikel 1062 Absatz 1 WBR) (vgl.--vergleiche Abschnitt Außergerichtliche Streitbeilegung dieses Länderberichts). Die beglaubigte Abschrift (grosse) des vollstreckbaren Titels muss am oberen Rand den Wortlaut "Im Namen des Königs" ("In naam des Konings") tragen (Artikel 430 Absatz 2 WBR). Der vollstreckbare Titel muss dem Zwangsvollstreckungsschuldner zugestellt (betekening) werden (Artikel 430 Absatz 3 WBR).

Gegenstand der Zwangsvollstreckung kann grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners sein - sowohl bewegliche als auch unbewegliche Vermögenswerte sowie Forderungen. Es sind jedoch Beschränkungen im Hinblick auf die Vollstreckung zu beachten (Artikel 447 f WBR).

Das niederländische Zwangsvollstreckungsrecht kennt als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Vollstreckungspfändung (executoriaal beslag). Hiermit können nicht nur bewegliche Gegenstände (roerende zaken) (Artikel 439 ff. WBR), sondern beispielsweise auch Rechte (rechten) (Artikel 474a ff. WBR), AG- und GmbH-Anteile (aandelen op naam in N.V. en B.V.) (Artikel 474c ff. WBR) (vgl. Abschnitt Gesellschaftsrecht dieses Länderberichts), Forderungen (onder derden) (Artikel 475 ff. WBR) sowie Immobilien (onroerende zaken) (Artikel 502 ff. WBR) gepfändet werden. Darüber hinaus kann auch ein Zwangsgeld (dwangsom) (Artikel 611 ff. WBR) und Ordnungshaft (lijfsdwang) (Artikel 585 ff. WBR) verhangen werden.

Vollstreckungsorgan ist der Gerichtsvollzieher (deurwaarder) (Artikel 434 WBR). Übergibt der Zwangsvollstreckungsschuldner die beglaubigte Abschrift des vollstreckbaren Titels an den Gerichtsvollzieher, so ermächtigt er diesen die Zwangsvollstreckung durchzuführen (Artikel 434 WBR). Allein für die Ordnungshaft muss separat die Genehmigung des Gerichts eingeholt werden (Artikel 434 in Verbindung mit Artikel 585 WBR).

Der Zwangsvollstreckungsschuldner kann vor dem Bezirksgericht (rechtbank) gegen die angeordneten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vorgehen. Die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts richtet sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. Abschnitt Zuständige Gerichte dieses Länderberichts). Es kann aber auch das Gericht angerufen werden, in dessen Bezirk die Pfändung durchgeführt wurde oder werden wird, der betroffene Besitz belegen ist oder die Vollstreckung erfolgen wird (Artikel 438 Absatz 1 WBR). Die Vollstreckungsstreitigkeit kann sich allein auf den Gegenstand der Vollstreckung beziehen. Bei materiellen Einwänden gegen den der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden Anspruch muss der Zwangsvollstreckungsschuldner die normalen Rechtsmittel anstrengen (vgl. Abschnitt Zuständige Gerichte dieses Länderberichts).

Germany Trade & Invest (Stand: September 2022)

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