Wirtschaftsumfeld | Niederlande | Wirtschaftsstruktur
Wirtschaftsstruktur zunehmend von Hightech-Sektoren geprägt
Europas wichtiger Handelsplatz setzt auf Innovation. Der Hafen in Rotterdam bleibt Dreh- und Angelpunkt.
26.03.2025
Von Michael Sauermost | Bonn
Die Niederlande haben ihre strategisch günstige geografische Lage genutzt, um zu einer der führenden Handelsnationen der Welt zu werden. Dank hoher Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit erwirtschaftet das Land mit eigenen und Transitwaren hohe Exportüberschüsse.
Drittstärkstes Pro-Kopf-Einkommen in der EU
Die enge Anbindung an die Weltwirtschaft allerdings birgt Chancen und Risiken zugleich, da eine große Abhängigkeit von internationalen konjunkturellen Entwicklungen besteht. Die Niederlande verfügen laut Eurostat mit 1.118 Milliarden Euro über das fünftgrößte Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU. Beim BIP pro Kopf liegen sie mit 62.390 Euro EU-weit sogar auf Rang 3.
Laut vorläufigen Angaben von Eurostat machten die niederländischen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen im Jahr 2024 einen Anteil von rund 84,2 Prozent am BIP aus. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 42,2 Prozent. Ihr Anteil an den Importen lag bei 72,1 Prozent (Deutschland: 38,2 Prozent).
Vorläufigen Zahlen von Destatis zufolge waren die Niederlande im Jahr 2024 mit einem Liefervolumen von etwa 110 Milliarden Euro drittwichtigstes Abnehmerland deutscher Waren. Bei Importen nach Deutschland rangierten die Niederlande 2024 mit einem Einfuhrvolumen von circa 95,2 Milliarden Euro auf Rang 2. Diese bilateralen Warenströme mit Deutschland wie auch alle anderen internationalen Export- und Importvolumen sind jedoch zu einem erheblichen Teil Transitgüter, die über den Hafen in Rotterdam abgewickelt werden.
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Zielmarkt für deutschen Mittelstand
In den Niederlanden gibt es über 1.400 deutsche, oft mittelständische Unternehmen mit insgesamt rund 100.000 Beschäftigten. Unternehmen aus Deutschland schätzen insbesondere die digitale und physische Infrastruktur. Sie sind zunehmend an Smart Industry und an der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie interessiert.
Ein Standortvorteil der Niederlande sind die vielen für ausländische Investoren offenen Innovation Hubs, Campus und Fieldlabs. Forschungsinstitute, Unternehmen und Regierung arbeiten eng zusammen, um diese Stärke auszuweiten. Beispiele sind der Hightech Campus in Eindhoven, das Food Valley in Wageningen und die Zentren für künstliche Intelligenz in Amsterdam.
In den vergangenen Jahren flossen deutsche Investitionen im Nachbarland zunehmend in deren Innovationsaktivitäten. So wurde 2021 der der Deutsch-Niederländische Innovationspakt unterzeichnet. Er soll gemeinsame Innovationen in wichtigen Zukunftsbereichen wie Industrie 4.0, CO2- Reduktion in der Industrie, Mobilität, Gesundheitswirtschaft und bei Schlüsseltechnologien ermöglichen. Die deutschen Investitionen in der Niederlande zielen oft auf das Erproben und Entwickeln neuer Produkte, zum Beispiel in den Bereichen Elektromobilität und autonomes Fahren mit der Integration von Kamera- und Sensortechnik.
"Die Niederlande und Deutschland ergänzen einander, aber dieses Potenzial können wir noch weiter steigern. Deutschlands industrielle Stärke und niederländische Kreativität bilden auf internationaler Ebene eine äußerst wettbewerbsfähige Kombination",
erläutert Elmar Bouma, Senior Project Manager Europe and Finance, NFIA.
Innovative Branchen beliebt
Der Dienstleistungssektor ist in den Niederlanden stark entwickelt und macht traditionell einen hohen Anteil von etwas mehr als zwei Dritteln an der BIP-Entstehung aus. Die Industrie hat sich im vergangenen Jahrzehnt zum Hightech-Sektor weiterentwickelt. Neben der Nahrungsmittelindustrie zählten im Jahr 2023 chemische und petrochemische Industrie, Logistik, Maschinenbau, Elektronik und Elektrotechnik sowie der Kfz- und Kfz-Teilebau zu den wichtigsten, das BIP bestimmenden Sektoren.
Ausgesprochen gut entwickelt hat sich in den vergangenen Jahren die - auch für deutsche Zulieferer interessante - niederländische Elektronik- und Halbleiterindustrie. Größte Erfolgsstory ist das niederländische Unternehmen ASML mit seinen Maschinen zur Produktion moderner Chips. Prominente deutsche Zulieferer sind beispielsweise Carl Zeiss und Trumpf.
Im Jahr 2023 stiegen laut dem niederländischen Statistikamt CBS (Centraal Bureau voor de Statistiek) die landesweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung um rund 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf etwa 23,78 Milliarden Euro. Davon entfiel ein Anteil von knapp 70 Prozent in die Sparte Business Development, während der Rest für Forschungsinstitute sowie Ausbildung bestimmt war. Wichtige staatliche Fonds zur Finanzierung sind der National Growth Fund und die Wagniskapitalinitiative Dutch Venture Initiative.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023 |
---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 1,91 |
Verarbeitendes Gewerbe | 12,03 |
Energieversorgung | 2,02 |
Baugewerbe | 5,04 |
Handel. Logistik, Gastronomie | 19,60 |
Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) | 4,85 |
Finanzdienstleistungen | 5,36 |
Immobilienwirtschaft | 7,90 |
Öffentliche Dienstleistungen/Gesundheit | 20,49 |
Sonstige Dienstleistungen | 19,09 |
Rotterdam und Amsterdam internationale bedeutende Umschlagplätze
Die wichtigsten Wirtschaftsstandorte der Niederlande liegen überwiegend in der Metropolregion Randstat im Westen des Landes. Sie umfasst die vier Großstädte Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht. Die Region mit rund 8 Millionen Einwohnern, also etwa 42 Prozent der Gesamtbevölkerung, ist der Motor der niederländischen Wirtschaft. Die industriellen Ballungsgebiete des größten Tiefseehafens Europas in Rotterdam sowie rund um den Flughafen Amsterdam-Schiphol gelten als die Wirtschaftszentren der Niederlande.
Hightech-Hotspot ist das im Süden des Landes liegende Eindhoven, das sich als Brainport Eindhoven vermarktet. Im "niederländischen Silicon Valley" haben sich rund 5.000 Technologie- und IT-Unternehmen angesiedelt, darunter Start-ups bis hin zu multinationalen Playern wie ASML, Signify, Thermo Fisher Scientific, Sioux oder NXP. Als Schlüsseltechnologien der Region gelten unter anderem Mikro- und Nanoelektronik, künstliche Intelligenz, integrierte Photonik, digitale Technologien und Advanced Manufacturing. Der Hightech Campus Eindhoven verfügt über 235 Start-Ups mit mehr als 12.000 Beschäftigten aus Innovation, Forschung und Ingenieurwesen.
Provinzen | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in Euro) | Bevölkerung (in Mio.) |
---|---|---|---|
Groningen | 3,40 | 55.332 | 0,60 |
Friesland | 2,66 | 39.052 | 0,66 |
Drenthe | 1,92 | 37.146 | 0,50 |
Overijssel | 5,55 | 45.476 | 1,19 |
Flevoland | 1,81 | 40.100 | 0,44 |
Gelderland | 9,95 | 45.360 | 2,13 |
Utrecht | 9,25 | 64.928 | 1,39 |
Noord-Holland | 21,26 | 70.285 | 2,95 |
Zuid-Holland | 20,91 | 53.597 | 3,80 |
Zeeland | 1,86 | 46.205 | 0,39 |
Noord-Brabant | 14,95 | 55.475 | 2,63 |
Limburg | 5,64 | 48.433 | 1,13 |