Wirtschaftsumfeld | Rumänien | Wirtschaftsstruktur
Rumäniens Wirtschaft profitiert von der EU
Internationale Unternehmen betreiben in Rumänien bereits hochmoderne Produktionsanlagen. Die heimische Industrie hingegen hat oft noch Nachholbedarf an Ausrüstung.
17.03.2025
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Rumänien ist Teil des europäischen Binnenmarktes, der rund 450 Millionen Konsumenten zählt. Rumäniens Wirtschaft profitiert von der bis heute fortschreitenden Integration in die EU und in den europäischen Markt. Mit dem vollständigen Beitritt des Landes seit Anfang 2025 in den Schengenraum fällt eine weitere Marktbarriere: die Personenkontrollen an den EU-Binnengrenzen. Das macht Warentransporte reibungsloser und kosteneffizienter für Unternehmen.
Wirtschaft hofft auf Zugewinne durch offene Binnengrenzen
Ohne Binnengrenzkontrollen hat die rumänische Wirtschaft nun das Potenzial, bis zu 2,5 Milliarden Euro an Folgekosten einzusparen, rechnet der Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vor. Dabei nimmt der EWSA an, dass Unternehmer die nicht mehr anfallenden Personal- und Kraftstoffkosten an die Verbraucher weiterreichen.
Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.
Rumäniens BIP pro Kopf in Kaufkraftstandard liegt bei 78 Prozent vom Durchschnitt der gesamten EU. Mit diesem Wert zählt Rumänien im EU-weiten Vergleich zu den Ländern mit dem größten Wachstumspotenzial. Dies wissen deutsche Unternehmen und andere ausländische Investoren zu schätzen. Der Kaukraftstandard ist eine fiktive Geldeinheit, die hilft, den Wohlstand und die Wirtschaftsleistung in den EU-Ländern besser zu vergleichen.
Deutsche Unternehmen sind die größten Handelspartner und Investoren am rumänischen Markt. Sie prägen etwa die rumänische Energiewirtschaft (u.a. E.ON, WPD, Siemens), den Einzelhandel (u.a. Lidl/Kaufland, Metro, Rewe) oder die Branchen Automotive (Star Assembly, Bosch, Continental) und Elektronik (Miele, Kärcher, Sennheiser).
Die meisten deutschen Unternehmen, die vor Ort aktiv sind, schätzen den rumänischen Markt insgesamt. Für sie sind Löhne und Unternehmensbesteuerung sind im EU-Vergleich vergleichsweise niedrig. Allerdings bemängeln die meisten Unternehmen die politischen Rahmenbedingungen und den Fachkräftemangel, wie aus der aktuellen Konjunkturumfrage der Außenhandelskammer Bukarest hervorgeht.
Der Investitionsbedarf in Straßen-, Schienen- und Energieinfrastruktur ist außerdem hoch. Für diese Vorhaben stehen aber EU-Fördermittel bereit.
Rumänien entwickelt sich zu Hochtechnologie-Standort
Rumänien hat sich innerhalb der vergangenen 20 Jahre zu einem Standort mit hochtechnologischer Produktion entwickelt. Das Land gewinnt zunehmend Investitionsprojekte im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E).
Die Industrie hat mit gut 20 Prozent einen vergleichsweise hohen Anteil an der Wertschöpfung des Landes. Das verarbeitende Gewerbe besteht aus hochproduktiven Unternehmen (oft Töchter ausländischer Firmen) und aus heimischen Unternehmen mit niedrigerer Produktivität. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen haben Schwierigkeiten, Investitionen in neue Ausrüstungen zu finanzieren.
Sektoren | Anteil an der/ Bruttowertschöpfung 2023 1) | Anteil an den Beschäftigten 2023 2) |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 4,2 | 20,9 |
Bergbau | 1,3 | 2,8 |
Verarbeitendes Gewerbe | 13,8 | 20,4 |
Energieversorgung | 4,8 | 1 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 1 | 1,4 |
Baugewerbe | 8,3 | 9,2 |
Dienstleistungen | 66,6 | 44,3 |
Rumänien ist interessanter Beschaffungsmarkt
Dabei bergen besonders die rumänischen kleinen und mittelständischen Unternehmen ein großes Potenzial, für Beschaffungsaufträge aus dem Ausland, wenn sie eine moderne Produktionsstätte betreiben. Für deutsche Kooperationen ist hierfür die Metall- und Gummiverarbeitung interessant.
Die verarbeitende Industrie exportiert rund drei Viertel ihrer Erzeugnisse. Die am stärksten exportorientierten Branchen sind die Automobilindustrie, die Elektroindustrie und die Metallverarbeitung. Hier sind überwiegend ausländische Unternehmen präsent, die hochmoderne Produktionsanlagen einsetzen. Autos, Maschinen und Geräte machen etwa die Hälfte der gesamten Ausfuhren Rumäniens aus.
Weitere wichtige Exportwaren sind Produkte aus Eisen, Gusseisen und Stahl sowie Software, Kraftstoffe, Reifen, Möbel und Tabak. Dazu trägt eine sich dynamisch entwickelnde Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche und der wachsende Markt für Transportdienstleistungen sowie für den Onlinehandel bei.
Zugang zu Finanzmitteln hemmt das Wachstum heimischer Firmen
Allerdings stehen viele heimische Unternehmen vor der Herausforderung, Kredite zu bekommen, weil diese im EU-Vergleich mit 8,4 Prozent sehr teuer sind. Nur in Ungarn seien Finanzierungskosten von Unternehmen noch höher (11,9 Prozent), stellt die EU-Kommission im aktuellen Semesterbericht fest. Für kleine und mittelständische Unternehmen bietet der Staat mit IMM Invest ein Garantieprogramm, um den Zugang zu Finanzierung zu erleichtern. Damit erhalten KMU bei ihren Geschäftsbanken Kredite zu günstigeren Konditionen.
Entwicklungspotenzial ist regional unterschiedlich
Die Region Nord-West ist ein Hotspot für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und ein aufstrebendes Zentrum für F&E und Innovationen. Im Zentrum Rumäniens auch bekannt als Siebenbürgen, sind die Automobilindustrie, Chemieindustrie, die Möbelindustrie und die Landwirtschaft wichtige Arbeitgeber. Zunehmend wächst auch dort der Dienstleistungssektor. Diese Region gehört außerdem zum Siedlungsgebiet der Rumäniendeutschen. Die Menschen dort fühlen sich kulturell verbunden mit Deutschland. Deutsche Unternehmer genießen ein hohes Ansehen. Der Westen Rumäniens ist besser angebunden ist an das europäische Fernverkehrsnetz.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in Euro) | Bevölkerung (in Mio.) |
---|---|---|---|
Nord-Est | 10,1 | 10.166 | 3,2 |
Sud-Est | 9,7 | 13.347 | 2,3 |
Sud-Muntenia | 11,4 | 13.048 | 2,8 |
Sud-Vest Oltenia | 7,7 | 13.470 | 1,9 |
Vest | 8,8 | 16.900 | 1,7 |
Nord-Vest | 12,1 | 15.467 | 2,5 |
Centru | 10,7 | 15.228 | 2,3 |
Bucuresti-Ilfov | 29,4 | 41.580 | 2,3 |
Die südlichen Karpaten und die Donau in Süd-Muntenien bieten außerdem Potenzial für Tourismus. Bei Letzteren handelt es sich um Regionen, die das größte Potenzial für strukturelle Entwicklung haben.
Das Gebiet Süd-Ost wiederum wird von Investoren gemieden, weil ihm der Ruf von schlechtem öffentlichen Management nachhängt. Der Schwarzmeerhafen Constanta bildet ein starkes regionales wirtschaftliches Zentrum mit Erdölraffinerien, Agrochemie und Stahlproduktion. Süd-West-Oltenien gehört zu den Regionen, die über eine breite industrielle Basis und großes landwirtschaftliches Potenzial verfügen.