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Westliche Konzerne zwischen Kooperation und Wettbewerb
Chinas Flugzeugbauer COMAC ist auf Airbus und Boeing angewiesen, will aber unabhängiger werden. Die westlichen Konzerne setzen weiter auf Kooperation. Kann dies gelingen?
17.03.2023
Von Robert Herzner | Hongkong
Um die Abhängigkeit von westlichen Zulieferern, insbesondere Airbus und Boeing zu reduzieren, setzt China auf den Flugzeugbauer Commercial Aircraft Corporation of China (COMAC) aus Shanghai. Der Regierungsstrategie Made in China 2025 zufolge sollen bis 2025 rund 10 Prozent der Linienflugzeuge in China aus heimischer Produktion stammen. COMAC machte im Dezember 2022 den Anfang. Das Staatsunternehmen lieferte mit dem Modell C919 sein erstes Schmalrumpfflugzeug mit nur einem Kabinengang, ein sogenanntes Single-Aisle-Flugzeug, an China Eastern Airlines aus.
Damit wird China unabhängiger vom Import von Mittelstreckenflugzeugen, doch die Abhängigkeit von westlichen Zulieferungen für essenzielle Ausrüstung zur Produktion des C919 bleibt zunächst bestehen. Allerdings steigt der chinesische Einfluss auch in diesem Bereich, denn die Produktion erfolgt teilweise mit chinesischen Joint-Venture-Partnern, wie zum Beispiel Liebherr für die Entwicklung und Fertigung des Fahrwerks in Changsha und Honeywell Aerospace für das Fly-by-Wire-System in Xi'an.
COMAC erhält massive staatliche Förderung
Der staatliche Flugzeugbauer erhielt weltweit bis November 2022 über 1.000 Bestellungen für die C919 von 32 verschiedenen Fluglinien, davon überwiegend chinesischen Airlines. Bei dem bereits etablierten deutlich kleineren Modell, dem Regionaljet ARJ21, lieferte COMAC im Dezember 2022 das 100. Flugzeug aus. Dieses Modell ist ebenfalls mit westlicher Technik ausgestattet, wie Turbinen von General Electric. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die ausländischen Firmen ihre beste Technologie eingebracht haben, um sich entsprechend zu schützen. Im Januar 2021 setzte die US-Regierung COMAC auf eine schwarze Liste für mit dem chinesischen Militär verbundene Unternehmen. Seither bedürften US-Geschäfte mit dem Hersteller einer Prüfung.
Aus chinesischer Sicht erwies sich das Zusammenspiel von massiver staatlicher Unterstützung und Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen in der Vergangenheit als überaus erfolgreich. Auf diese Weise konnten bereits in den Sektoren Bahntechnik, Kfz, Telekommunikation oder Maschinenbau chinesische Unternehmen zu globalen Markt- und Innovationsführern aufsteigen. Nach Einschätzung von Finanzanalysten erhielt COMAC staatliche Subventionen von umgerechnet mindestens 50 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung der C919. Industrieexperten zufolge ist der Hersteller derzeit noch keine ernstzunehmende Konkurrenz. Doch die Marktbedeutung dürfte signifikant zunehmen.
Angewiesenheit auf westliche Technik
COMAC ist weiterhin bei wesentlichen Komponenten für den Bau seiner Flugzeuge auf ausländische Hersteller angewiesen. Speziell bei hochwertigen Sicherheitsprodukten und Flugzeugturbinen verfügen westliche Hersteller über einen deutlichen technischen Vorsprung, der noch über Jahre aufrechtzuerhalten sein dürfte. Hierdurch besteht ein Vorteil, welcher den Duopolisten Airbus und Boeing mittelfristig den Zugang zum chinesischen Luftfahrtmarkt gewährleistet. Andererseits gehen europäische Fachleute davon aus, dass sich COMAC, primär bei Inlandsflügen, in diesem Jahrzehnt zu einem wichtigen Konkurrenten etablieren wird.
Herkunftsland | 2019 | 2021 | Veränderung 2021/19 |
---|---|---|---|
Frankreich | 7.127 | 4.776 | -33,0 |
Deutschland | 7.072 | 3.941 | -44,3 |
USA | 3.747 | 3.061 | -18,3 |
Kanada | 386 | 461 | 19,5 |
Vereinigtes Königreich | 294 | 182 | -38,1 |
Russland | 88 | 129 | 46,6 |
Italien | 99 | 60 | -39,1 |
Konzerne setzen auf Forschung und Entwicklung
Airbus und Boeing sind beide in China breit mit Niederlassungen für unterschiedliche Geschäftsfelder aufgestellt. Airbus ist mit allen seiner drei Geschäftseinheiten, Zivilluftfahrt, Helikopter sowie Verteidigung und Raumfahrt, vertreten und beschäftigt über 1.900 Mitarbeiter, etwa ein Viertel der produzierten Flugzeuge lässt das Unternehmen in China fertigen. Boeing ist seit über 50 Jahren im chinesischen Luftfahrtmarkt präsent und beschäftigt mittlerweile über 2.200 Angestellte in drei Niederlassungen und vier Joint Ventures.
Wie in anderen Branchen versuchen die Flugzeughersteller, ihre Produkte an den lokalen Markt anzupassen. Das machen sie, indem sie Forschungseinrichtungen vor Ort betreiben. Airbus besitzt seit 2019 in Shenzhen ein auf die Kabineneinrichtung ausgerichtetes Innovationszentrum, unter anderem um die Interaktion der Passagiere mit der Kabinentechnik an die unterschiedlichen digitalen Rahmenbedingungen auszurichten.
Ein weiterer Fokus liegt auf nachhaltiger Kabinenausrüstung und deren End-of-Life Recycling. Boeing betreibt bereits seit 2012 ein gemeinsames Forschungszentrum mit COMAC. Im November 2022 teilte Boeing mit, die Forschungszusammenarbeit mit COMAC auszuweiten und setzt ebenfalls verstärkt auf Nachhaltigkeit. Die im COMAC-Boeing Sustainable Aviation Technology Center zu entwickelnden Kabinenkomponenten basierend auf Verbundwerkstoffen sollen zu 100 Prozent wieder verwertbar sein.
Kooperation bei Wasserstofftechnologie
Über die Flugzeuginnenausstattung hinaus spielt Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle bei den Antriebstechnologien und Treibstoffen. Entsprechend bieten Klimaschutzziele Spielraum für eine gemeinsame Strategie. Ohne Kooperationen lassen sich die technische Entwicklung sowie die Infrastruktur auf den Flughäfen kaum umsetzen. Ein wichtiges Beispiel bietet Wasserstoff: Um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren, müssen die Flugzeughersteller den Kerosinbedarf reduzieren.
Entsprechende Pläne der Europäischen Union sehen den Einsatz von 3 Prozent Sustainable Aviation Fuels (SAF, nachhaltige Flugkraftstoffe) bis 2030 vor, dabei wird Kerosin durch grünen Wasserstoff ersetzt. Bei einem höheren Anteil von Wasserstoff müssen aufgrund der deutlich geringeren Dichte des Treibstoffes die Flugzeuge neu konstruiert werden: Vielleicht werden in der Zukunft viele Passagierflieger zum Nurflügler - mit abgeflachtem Rumpf, dessen Form fließend in die Flügel übergeht. Zur Betankung mit Wasserstoff ist auch auf den Flughäfen die nötige Infrastruktur zu errichten. Es wird daher nicht überraschen, wenn Airbus, Boeing und COMAC sowie die Hersteller von Turbinen die Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen ausbauen. Von einer Entkopplung vom chinesischen Markt sind die westlichen Konzerne noch weit entfernt.