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Branchen | USA | Luftfahrt

Bis zur Normalität ist es ein langer Weg

Knappes Personal und hohe Kosten sorgen dafür, dass die Bäume in der zivilen US-Luftfahrtindustrie nicht in den Himmel wachsen - trotz Sommerboom.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Hatte sich in den USA die Nachfrage nach Inlandsflügen bereits Mitte 2021 wieder belebt, erholte sich in den letzten Monaten auch der internationale Reiseverkehr. Denn der Nachholbedarf durch die Coronapandemie ist groß. So verzeichnete United Airlines, jeweils zur Sommerspitze, 2022 rund 20 Prozent mehr Nachfrage als 2019. Delta Air Lines kündigte an, seine Kapazitäten bis zum Sommer 2023 auf das Niveau von vor der Pandemie bringen zu wollen.

Gestiegene Flugpreise haben das Umsatzwachstum im Passagiergeschäft zusätzlich befeuert. Darin spiegeln sich vor allem höhere Kosten wider, mit denen die Airlines zu kämpfen haben, besonders für Arbeit und Treibstoff. Um wachsen und Altersabgänge ausgleichen zu können, müssten US-Fluggesellschaften in den nächsten Jahren zwei bis drei Mal so viele neue Piloten einstellen wie üblich. Trotz starker Gehaltserhöhungen kamen viele nicht umhin, Strecken wegen Pilotenmangels zu streichen.

Anhaltender Kostendruck heizt die Konsolidierung der Airlines an

Überproportional stark betroffen sind davon kleinere Regionalfluggesellschaften. Der Druck auf sie, Flotten zu reduzieren und sich zusammenzuschließen, dürfte durch den Pilotenmangel noch steigen. Schon jetzt kämpfen sie nur um einen Bruchteil des Marktes. Denn den Löwenanteil - etwa vier Fünftel der Reisenden auf US-Inlandsflügen - teilen die vier Airlines American, Delta, Southwest und United unter sich auf.

Southwest und United wollen im Rahmen mehrjähriger Investitionspläne ihre Flotten erweitern. So wird United bis 2026 mehr als 500 neue Schmalrumpfflugzeuge einführen. Delta hat im Juli 100 Boeing 737 Max mit einer Option auf 30 weitere Flugzeuge in Auftrag gegeben, die 2025 ausgeliefert werden sollen. Parallel dazu nehmen die Fluglinien ältere Modelle aus dem Bestand, um ihre Emissionen deutlich zu reduzieren.

Flugzeugknappheit treibt die Preise in die Höhe

Doch treibt das knappe Angebot den Preis für die Anmietung neuer Maschinen in die Höhe. Airbus warnte bereits Ende 2021 davor, dass beim A320neo-Modell Lieferslots für größere Lose nicht vor 2024 oder 2025 verfügbar seien. Auch bei anderen Flugzeugmodellen ist das Angebot an neuen Maschinen knapp. So steht die Zertifizierung für die Boeing 737 Max, für die inzwischen knapp 600 Bestellungen vorliegen, immer noch aus. Auch konnte Boeing wegen Produktionsproblemen und Interventionen der Behörden erst im August 2022 wieder sein Großraumflugzeug Dreamliner ausliefern - nach über einem Jahr Unterbrechung. Begehrte Airbus- oder Boeing-Schmalrumpfflugzeuge zu leasen kostete im 3. Quartal 2022 rund 15 bis 20 Prozent mehr als vor Ausbruch der Coronapandemie.

Fluglinien wollen ihre Economy Class aufwerten

Um Reisende trotz gestiegener Flugpreise auch weiterhin zum Buchen zu bewegen, investieren die Fluglinien verstärkt in Bordprodukte. Southwest und United wollen vor allem das Flugerlebnis in der Economy Class verbessern: durch größere Gepäckfächer, modernere Bildschirme an den Sitzrückseiten, schnelleres WLAN sowie bessere Bordunterhaltung und Gastronomie. Allein für Maßnahmen zur Aufwertung der Touristenklasse verplant Southwest rund 2 Milliarden US-Dollar (US$).

Bei Delta haben die Buchungen von Geschäftsreisenden Ende des 3. Quartals 2022 wieder 80 Prozent des Vorkrisenniveaus erreicht. Laut Umfragen wollen 90 Prozent der Firmenkunden der Fluglinie ihre Reiseaktivitäten im 4. Quartal zumindest nicht einschränken. American erkennt in dem Segment Potenzial und will auch hochzahlende Kunden mit neuen First-Class-Angeboten anlocken: Die Airline sieht neue Suiten mit Schiebetür und Liegeplatz in einigen Langstreckenflugzeugen vor. Solche Vorstöße sind indes rar. Vielmehr hält der allgemeine Trend, First-Class- und Business-Class-Plätze ab- und dafür die Premium-Economy-Class auszubauen, weiter an. Denn Geschäftsreisen stehen bei Unternehmen weiterhin auf dem Prüfstand, besonders eintägige. Viele geschäftliche Besprechungen dürften zudem auch in der Post-Corona-Zeit per Videokonferenz stattfinden.

Erste Aufträge für elektrisch angetriebene und Überschallflieger

United will bis zum Ende des Jahrzehnts Elektroflugzeuge auf regionalen Strecken einsetzen, die von Heart Aerospace entwickelt werden. Im Juli 2021 hat die US-Airline bei dem schwedischen Start-up 100 Flugzeuge bestellt und einen ungenannten Betrag in das Unternehmen investiert. Auch an wasserstoffbetriebenen Flugzeugen wird geforscht: Als erste US-Fluggesellschaft kooperiert Delta dabei mit Airbus. Der europäische Konzern will bis 2035 ein wasserstoffbetriebenes Passagierflugzeug auf den Markt bringen.

American hat im August 20 Überschallflugzeuge von Boom Supersonic geordert. Die US-Firma will den Jet in North Carolina bauen; in drei bis vier Jahren sind die ersten Testflüge geplant, die Auslieferung soll 2029 starten. Allerdings hat sich der Triebwerkshersteller Rolls-Royce vor einigen Wochen aus der Zusammenarbeit mit Boom Supersonic zurückgezogen, sodass das Unternehmen neue Partner sucht.

Die Mobilität im städtischen Luftraum bietet große Marktpotenziale

Viel Bewegung ist im Bereich Urban Air Mobility, also der Erweiterung städtischer Transportsysteme in den Luftraum. Wurden Flugtaxis noch vor wenigen Jahren als Hype belächelt, könnten die USA bereits 2024 die ersten batterieelektrisch angetriebenen Senkrechtsrater zulassen. Vor allem in Großstädten wie New York und Gegenden wie Südkalifornien könnten eVTOL - kurz für electric vertical take-off and landing - schnell Fuß fassen.

Außenhandel reflektiert pandemiebedingte Einbrüche

Auch wenn sich die Luftfahrtbranche in Teilen erholt, war die Coronakrise für sie ein harter Schlag. Bei Strahltriebwerken sind die deutschen Lieferungen in die USA 2020 um fast ein Drittel gegenüber 2019 eingebrochen, bei Flugzeugen und Teilen um jeweils fast 30 Prozent. Zwar gab es 2021 weitere Rückgänge. Ein Lichtblick ist aber, dass sich die USA und die EU im Juli 2021 darauf geeinigt haben, die Zusatzzölle im Airbus-Boeing-Streit für fünf Jahre gegenseitig auszusetzen.

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