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Wirtschaftsausblick | Norwegen

Norwegens Wirtschaft gedeiht auch abseits von Öl und Gas

Eine expansive Finanzpolitik, auch gestützt auf Rekordentnahmen aus dem Staatsfonds, sorgt für mehr Investitionen. Vor allem das Festland hat wieder bessere Wachstumsaussichten.

Von Judith Illerhaus | Stockholm

Top-Thema: Ab 2025 soll der erste Netto-Null-Zement geliefert werden

Das Vorzeigeprogramm "Longship" der norwegischen Regierung, das die Abscheidung, den Transport und die sichere Lagerung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) aus industriellen Quellen demonstrieren soll, hat einen bedeutenden Fortschritt erzielt. Erstmals weltweit wurde eine CO2-Abscheideanlage erfolgreich in ein bestehendes Zementwerk integriert – und das, ohne die laufende Produktion zu unterbrechen.

Das Teilprojekt Brevik CCS, geleitet vom deutschen Baustoffunternehmen Heidelberg Materials, setzt neue Maßstäbe. Als erstes Projekt seiner Art in der Zementindustrie zeigt es den Weg hin zu vollständigen CO2-Wertschöpfungsketten in der Prozessindustrie auf. Bereits ab 2025 wird das Zementwerk "evoZero" den weltweit ersten CCS-Zement liefern, mit dem emissionsfreier Beton hergestellt werden kann.

Energieminister Terje Aasland würdigte die Bedeutung des Brevik-Projekts: "Diese Anlage ist ein Symbol der Hoffnung und ein Modell für künftige Projekte, das zeigt, dass wir mit Entschlossenheit und Zusammenarbeit die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen können. Projekte wie dieses sind entscheidend für die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Industrie über viele Jahre hinweg."

Wirtschaftsentwicklung: Ausgaben aus dem Pensionsfonds stützen die Konjunktur

Norwegens staatlicher Pensionsfonds zählt zu den größten weltweit und verschafft dem Land auch in angespannten Zeiten fiskalischen Spielraum. Aktuell beläuft sich der Wert des Fonds umgerechnet auf rund 1,7 Billionen Euro. Im Haushalt für 2025 hat die norwegische Regierung erneut höhere Entnahmen veranschlagt als im Vorjahr. Die Entnahmen in Höhe von umgerechnet rund 39 Milliarden Euro sind vor allem für sicherheitspolitische Verwendungen geplant. Allein der Verteidigungshaushalt soll um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht werden.

Aber auch anderweitig geplante Investitionen im Infrastrukturbereich, in der Bauwirtschaft sowie in diverse Energieprojekte sorgen dafür, dass die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2025 positiv ausfällt. Das nationale Statistikamt SSB geht davon aus, dass die Wirtschaft auf dem Festland, das heißt ohne die Öl- und Gasindustrie, um 1,8 Prozent wachsen wird. Inklusive des Öl- und Gassektors rechnet SSB mit einem Plus von 0,9 Prozent. Der geringere Anstieg liegt vor allem an den umfangreichen Wartungsarbeiten auf dem norwegischen Festlandsockel. 

Auch die ehrgeizige Exportstrategie der norwegischen Regierung fördert das Wirtschaftswachstum spürbar. Ziel ist es, die Exporte abseits von Öl und Gas bis 2030 um 50 Prozent zu steigern. Erste Erfolge hob im März 2024 der damalige Industrieminister Vestre hervor: In den vergangenen zwei Jahren stiegen die Warenexporte aus Festlandnorwegen um 30 Prozent.

Höhere Realeinkommen führen zu mehr Konsumausgaben

Seit Dezember 2023 liegt der Leitzins bei 4,5 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit Dezember 2008. Im Jahr 2024 hat die norwegische Zentralbank Norges Bank keine Zinssenkungen vorgenommen, plant jedoch für 2025 fünf Senkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte. In Kombination mit dem laut SSB höchsten Reallohnzuwachs seit zehn Jahren sorgt das für ein positives Konsumverhalten der norwegischen Bevölkerung im kommenden Jahr. Die erhöhte Inflation von rund 3 Prozent zum Jahresende 2024 hemmt dieses Verhalten nicht.

Außerdem wurden zu Beginn des Jahres 2025 neue Kreditvergaberichtlinien eingeführt. Eine der Änderungen ist die Senkung der erforderlichen Hypothekeneinlage von 15 auf 10 Prozent. Nach einem massiven Rückgang des Wohnungsbaus, der laut SSB mit der Immobilienkrise der 1990er Jahre vergleichbar ist, erwartet man, dass niedrigere Zinssätze und eine höhere Kaufkraft den Wohnungsbau in Zukunft ankurbeln werden.

Deutsche Perspektive: Noch mehr Zusammenarbeit in der Zukunft

Die deutsch-norwegische Zusammenarbeit ist bereits gut aufgestellt auch wenn die großskalierte Wasserstoffkooperation im Nordseeraum vorerst gestoppt wurde. Andere Projekte zeugen von der nach wie vor vertrauensvollen Zusammenarbeit. Beispielsweise reiste am 2. Dezember 2024 der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius nach Bergen, um dort mit seinem norwegischen Amtskollegen den Grundstein für ein gemeinsames U-Boot-Wartungszentrum zu legen. Im Jahr 2029 soll die Anlage fertiggestellt sein. Auch die Rohstoffbranche dürfte weiter in den deutschen Fokus rücken, wie die Veröffentlichung einer neuen Studie zu Norwegen durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bestätigt.

Als großen Meilenstein auf dem Weg zum ersten Schiffstunnel der Welt nannte zudem Einar Vik Arset, der Generaldirektor der norwegischen Küstenverwaltung Kystverket, die erfolgte Ausschreibung des Mega-Projekts Stad Skipstunnel. Der Bau des rund 1,7 km langen Tunnels soll zukünftig die herausfordernde Schifffahrt rund um die westliche Halbinsel Stad vereinfachen. Auch deutsche Tiefbauunternehmen könnten hier mit ihrer Expertise punkten. Die Frist für die Teilnahme im Bieterverfahren wurde auf den 31. Januar 2025 datiert. Im Oktober 2025 soll die Deadline für die Bewerbung um die Durchführung des Projekts sein.

Auch der neue Plan für die nationale Infrastruktur dürfte für Interesse bei deutschen Unternehmen sorgen. Immerhin sieht die norwegische Regierung für die Jahre 2025 bis 2036 vor, umgerechnet knapp 9 Milliarden Euro jährlich aufzuwenden, um bei Bedarf neben der Instandhaltung, Verbesserung und Erneuerung der Infrastruktur auch neue Investitionsprojekte umzusetzen. Zusammen mit der Konzentration der Regierung auf den regionalen Flug- und Fährverkehr zielen die Prioritäten des Nationalen Verkehrsplans 2025 bis 2036 darauf ab, Leben und Arbeiten im ganzen Land attraktiv zu machen. Auf diese Weise soll der Zentralisierungsdruck auf die wenigen urbanen Gebiete verringert werden.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer GTAI-Länderseite.

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