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Österreich: Insolvenzrecht
Das österreichische Insolvenzrecht findet seine Rechtsgrundlage in der österreichischen Insolvenzordnung (IO).
25.07.2024
Von Karl Martin Fischer, Nadine Bauer
Es ist zwischen vier Verfahrensarten zu unterscheiden:
- Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (§§ 166-168 IO),
- Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (§§ 169-179 IO),
- Konkursverfahren (§§180-180c IO) und
- Schuldenregulierungsverfahren (§§ 181-192 IO).
Bei Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen (siehe §§ 66, 67 IO) ist der Unternehmer verpflichtet, spätestens innerhalb von 60 Tagen ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Den Antrag in Gestalt eines Konkursverfahrens können sowohl der Schuldner selbst als auch ein Gläubiger stellen. Das Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung kann indes nur vom Schuldner beantragt werden.
Für die Einleitung des Konkursverfahrens durch den Gläubiger muss dieser insbesondere das Bestehen seiner Insolvenzforderung und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft machen. Unter einer Insolvenzforderung versteht man grundsätzlich einen vermögensrechtlichen Anspruch, den der Gläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner hat. Eine Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Ist der Schuldner eine juristische Person (etwa eine österreichische GmbH) oder eine eingetragene Personengesellschaft, bei der keine natürliche Person persönlich haftet (wie eine österreichische GmbH & Co. KG), ist regelmäßig auch die Überschuldung der Gesellschaft ausreichend. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Sanierungsverfahren bereits im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden.
Ein Insolvenzverfahren wird nicht eingeleitet, wenn der Schuldner kein die Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens deckendes Vermögen hat oder der Antragsteller den nötigen Betrag (maximal 4.000 Euro) auf Anordnung des Gerichts nicht vorschussweise hinterlegt. Bei juristischen Personen reicht es für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens jedoch unter anderem aus, dass die organschaftlichen Vertreter (wie etwa GmbH-Geschäftsführer) ein zur Deckung der Kosten ausreichendes Vermögen haben. Diese haben nämlich eine Vorschussverpflichtung bezüglich des Gerichtskostenvorschusses. Die konkrete Höhe des Kostenvorschusses bestimmt das Insolvenzgericht durch Beschluss.
Zuständig für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Landesgericht an dem Ort, in dessen Zuständigkeitsbezirk der Schuldner sein Unternehmen betreibt. In Wien ist dies das Handelsgericht für den Bereich des dortigen Landesgerichts für Zivilrechtssachen.
Für ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung muss der Unternehmer dem Gericht rechtzeitig einen Sanierungs- und Finanzplan sowie weitere Unterlagen vorlegen. Tut er dies nicht, so bleibt das Unternehmen zwar weiterhin erhalten, allerdings entfällt die Eigenverwaltung durch den Unternehmer durch die Bestellung eines Masseverwalters. Die Eröffnung des Sanierungsverfahrens wird in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt gemacht.
Nach Zustellung des Antrags an den Schuldner und Prüfung der Insolvenzvoraussetzungen durch das Gericht wird das Konkursverfahren öffentlich bekannt gemacht. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt dabei durch Aufnahme des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzdatei. Dieses Edikt hat unter anderem Ort, Zeit und Zweck der ersten Gläubigerversammlung und die Aufforderung an die Insolvenzgläubiger, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist anzumelden, zu enthalten. Auch muss klar aus dem Edikt hervorgehen, ob ein Sanierungs- oder Konkursverfahren durchlaufen wird. Die Einsichtnahme in die Insolvenzdatei ist kostenlos.
Die erste Gläubigerversammlung ist in der Regel spätestens 14 Tage nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzuberaumen. Die allgemeine Prüfungstagsatzung (Prüfungsverhandlung) ist regelmäßig innerhalb von 90 Tagen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzuordnen. Die Anmeldungsfrist für Insolvenzgläubiger soll normalerweise auf 14 Tage vor der allgemeinen Prüfungstagsatzung festgelegt werden (siehe § 74 Abs. 3 IO).
Die Gläubiger müssen in ihrer Forderungsanmeldung grundsätzlich den Forderungsbetrag, die anspruchsbegründenden Tatsachen und Beweismittel hierfür, die beanspruchte Rangordnung sowie bei bereits bestehenden Prozessen das Gericht und das Aktenzeichen angeben, siehe §103 IO.
Das Insolvenzgericht bestellt außerdem einen unabhängigen Insolvenzverwalter, der sich unter anderem ein Bild von der wirtschaftlichen Lage (einschließlich des Standes der Insolvenzmasse), der bestehenden Schulden (insbesondere durch Prüfung angemeldeter Ansprüche) und den Ursachen des Vermögensverfalls machen muss. Zudem ist er für die Führung von Rechtsstreitigkeiten zuständig, die die Insolvenzmasse betreffen. Ihm ordnet das Insolvenzgericht zu seiner Überwachung und Unterstützung unter Umständen einen Gläubigerausschuss bei.
Maximal 90 Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss eine Berichtstagsatzung genannte Gläubigerversammlung stattfinden, die über das weitere Vorgehen (Fortführung oder Schließung des Unternehmens, Sanierungsplan) entscheidet.
Die oben bereits angesprochene Prüfungstagsatzung (Prüfungsverhandlung) dient dagegen der Prüfung der Richtigkeit und der Rangordnung der angemeldeten Forderungen. Sie werden entweder anerkannt oder bestritten. Bestrittene Forderungen müssen im Klageverfahren geltend gemacht werden.
Werden Forderungen erst nach Ablauf der Anmeldungsfrist angemeldet und in der allgemeinen Prüfungstagsatzung nicht verhandelt, muss eine besondere Prüfungstagsatzung anberaumt werden und der Gläubiger hat die durch die verspätete Anmeldung entstehenden Kosten zu tragen (§ 107 IO).
Das Schuldenregulierungsverfahren (auch: Privatinsolvenzverfahren) ist eine spezielle Form des Insolvenzverfahrens für alle natürlichen Personen, egal ob es sich um Privatpersonen oder Einzelunternehmer handelt und gilt dementsprechend auch für Geschäftsführer und Gesellschafter (nicht jedoch für die Gesellschaften selbst).