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Internationale Logistikunternehmen setzen auf Luftfracht
Deutsche Logistikdienstleister sind in Pakistan unterwegs. Trotz der schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage bauen sie ihr Geschäft im Land aus – vor allem in der Luftfracht.
18.11.2024
Von Marcus Hernig | Bonn
Ob DHL, Hellmann, Kühne+Nagel, DB Schenker oder Hermes: Deutsche Logistikunternehmen sind in Pakistan aktiv. Die Logistik zählt zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige Pakistans. Im Jahr 2023 machte die Branche laut Pakistans Board of Investment fast 12 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes aus und beschäftigte rund 6 Prozent aller Arbeitnehmenden des Landes.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors steht jedoch im Widerspruch zum Zustand der Infrastruktur: Im Logistics Performance Index (LPI) der Weltbank rangierte Pakistan 2023 auf Platz 86 von 139 untersuchten Ländern. Damit hat sich das Land langfristig sogar verschlechtert: Im Jahr 2012 belegte es noch Platz 71 unter 155 Staaten. Hinzu kommt die große Zurückhaltung des Auslands: Pakistan verzeichnete im Jahr 2023 die niedrigsten internationalen Direktinvestitionen seit 50 Jahren.
Terror und mangelnde Infrastruktur beeinträchtigen Entwicklung
Terroranschläge hatten immer wieder Infrastrukturprojekte des Transportsektors zum Ziel – vor allem innerhalb des China-Pakistan Economic Corridors (CPEC). Dazu kann das Land die ausstehenden Schulden für bereits gebaute Autobahnen und Hafenprojekte kaum zurückzahlen.
Längst fällige Projektabschlüsse verhindern den Aufbau einer international ausgerichteten Logistik per Straße, Schiene und Seeweg. Dazu gehören die Modernisierung der Nord-Süd-Eisenbahnverbindung Main Line 1 (ML1), die Fertigstellung des noch fehlenden Abschnitts der Nord-Süd-Autobahn zwischen Sukkur und Hyderabad sowie die Anbindung des neu gebauten Hafens Gwadar an das Autobahnnetz des Landes.
Selbst bereits bestehende Kapazitäten wie die des Hafens Karachi werden nach Aussage des Hafenmanagements nur zu 30 Prozent genutzt. Auch dafür machen die Hafenmanager vor allem überlastete Straßenverbindungen aufgrund fehlender Schnellstraßen und das Fehlen eines modernen Eisenbahnterminals für multimodale Transporte aus China oder Zentralasien über Land verantwortlich.
Luftfracht in Pakistan boomt
Stattdessen entwickelt sich Pakistan immer mehr zu einem Drehkreuz für die internationale Luftfracht. Diese benötigt außer Frachtterminals an Flughäfen vergleichsweise wenig große Infrastruktur, ist schnell und international.
DHL verfügt beispielsweise über ein großzügiges Frachtterminal direkt am Jinnah-Airport von Karachi. "Wir bieten derzeit einen internationalen Service mit fest garantierten Lieferzeiten, den Time-Definite-Direct(TDI)-Service, in Pakistan an und werden dies auch in Zukunft tun", sagt Sarfaraz Siddiqi, Geschäftsführer von DHL Express Pakistan.
Kühne+Nagel ist seit 1999 in Pakistan unterwegs und konzentriert sich auf See- und Luftfracht. Gegründet von einem deutschen Manager vor Ort bietet das Unternehmen internationalen Textilherstellern Logistikdienstleistungen. Ziele sind Märkte in Europa, den USA und Asien. Für den global agierenden Logistiker sind die kulinarisch versierten Chinesen wichtige Kunden: "Wir liefern Mangos und lebende Krebse via Karachi nach China", sagt Shakeel Muhammad, der Geschäftsführer des Unternehmens.
Luftfrachtkooperation erschließt neue Spezialmärkte
Das größte Unternehmen im Luftfrachtsektor des Landes mit Sitz in Karachi ist die World Wide Group (WWG). Bereits 1967 gegründet, beschäftigt WWG heute über 600 Mitarbeitende und verfügt landesweit über ein Netz von 69 Büros. Mittlerweile gehören 19 unabhängige Anbieter zum Konzern, darunter auch deutsche Unternehmen wie DB Schenker, Hermes oder Daxer. "Wir sind eine Art Pool für wichtige Marken der Logistikbranche mit Schwerpunkt Luftfracht und konzentrieren uns auf deutsche Anbieter", sagt CEO Sohail Suleman.
Als Partner kommen 23 Fluggesellschaften dazu, einschließlich der Lufthansa Gruppe. Neben Textilien und Nahrungsmitteln, die alle Logistikanbieter transportieren, konzentriert sich WWG auf neue Entwicklungen im Land. Dazu gehören so außergewöhnliche Aufträge wie Spezialtransporte von Kulturgütern. So hat DB Schenker als eine Marke im Portfolio von WWG 2024 wertvolle Buddhastatuen aus der Region Peshawar und Islamabad für eine Ausstellung in die Verbotene Stadt nach Peking geflogen.
Gesundheitsbranche bietet Perspektiven
Hermes spezialisiert sich hingegen auf einen neuen Zukunftsmarkt des Landes: Den internationalen Transport chirurgischer Instrumente "made in Pakistan". Aktuell liegt hier die wichtigste Wachstumsbranche für den internationalen Handel: Insgesamt produzierte Pakistan 2023 chirurgische Instrumente im Wert von rund 468 Millionen US-Dollar (US$), ein Wachstum von fast 25 Prozent gegenüber 2020.
Mindestens drei Flüge mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aufträge für solche Werkzeuge realisiert die World Wide Group wöchentlich zwischen Pakistan und Stuttgart. Nahezu die gesamte Gesundheitsbranche Pakistans konzentriert sich auf einen Ort: Sialkot in Punjab. Hier produzieren 2.500 Hersteller 99 Prozent aller chirurgischen Instrumente, die aus Pakistan stammen. Davon gehen 95 Prozent in den Export weltweit. Auch DHL bietet daher von Sialkot aus regelmäßige Frachtverbindungen nach Deutschland und in andere Zielländer Europas sowie in die USA an.
Bestellungen für chirurgische Instrumente kommen mittlerweile aus der ganzen Welt. Die USA waren 2023 mit 21,5 Prozent aller Exportanteile der wichtigste Abnehmer für chirurgische Instrumente aus Pakistan. Deutschland war der zweitwichtigste Abnehmer mit 15 Prozent.
Warum sich regierungsunabhängige Partner in Pakistan auszahlen
Die enge Verzahnung von Regierung, Militär und Wirtschaft behindert Pakistans Entwicklung. Viele Unternehmen, die in den Bau von Infrastrukturprojekten involviert sind, benötigen Beziehungen zur Regierung.
Nach Meinung von Sohail Suleman von WWG engt das den Handlungsspielraum auch vieler deutscher Unternehmen ein. Er rät: "Wenn Sie Geschäfte in Pakistan machen möchten, suchen Sie ein Betätigungsfeld mit einem passenden Partner, der weder zur Regierung, noch zum Militär gehört. Wir haben das in unserem auf Luftfracht konzentrierten Logistikgeschäft bisher gut umsetzen können."