Special Welt Konnektivität
"Wir haben den Buchungsprozess in der Luftfracht digitalisiert"
Im Interview erklärt Antonia Ambrozy von WebCargo, wie die Luftfrachtbranche auf Krisen im Seetransport reagiert und wo deutsche Firmen digitale Vorreiter sind. (Stand: 02.01.2025)
Von Edda Schlager | Berlin
Die Angriffe der Huthi-Miliz auf Frachtschiffe im Roten Meer seit Ende 2023 haben ungewöhnliche Auswirkungen auf die Luftfrachtbranche gehabt. Was diesmal anders war als sonst, erläutert Antonia Ambrozy, kaufmännische Direktorin der auf Luftfracht spezialisierten Buchungsplattform WebCargo by Freightos. Dort können Unternehmen Frachtraten online suchen, buchen und Angebote erstellen.
Wie reagiert der Markt für Luftfracht auf Blockaden wie die im Roten Meer?
Die normale Folge solcher Krisen auf den Meeren ist, dass die Luftfrachtbranche enorm profitieren kann. Da Logistiker vom Seetransport auf Luftfracht umsteigen müssen, zumindest für zeitkritische Waren, werden Kapazitäten schneller ausgelastet und knapper. Die Nachfrage blieb diesmal jedoch auch nach der akuten Krise bestehen oder stieg sogar. Normalerweise profitieren dann die Luftfrachtanbieter in den Lieferländern von höheren Einnahmen.
Aber bei der Krise am Roten Meer ist alles etwas anders?
Ja, in der Tat. Zwar sind die Frachtraten gestiegen. Doch die Luftfrachtanbieter in exportstarken Lieferländern wie Indien, Thailand oder Japan, konnten die Nachfrage aus Europa und Amerika zunehmend nicht mehr bedienen und deshalb auch keine höheren Preise verlangen. Denn weitere Luftfrachtkapazitäten waren schlicht nicht vorhanden. Der Markt war ausgelastet.
Dieses Phänomen breitete sich von West nach Ost aus: Zuerst hat es den indischen Markt getroffen, der mit explodierenden Preisen und Kapazitätsproblemen zu kämpfen hatte. Danach hat sich das Ganze schrittweise über Singapur und Thailand bis nach Japan ausgedehnt. Solche Krisensituationen gibt es häufiger. Aber die Folgen waren diesmal drastischer.
Was erklärt die anhaltend hohe Nachfrage nach Luftfracht?
Ein Haupttreiber sind nicht nur die Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer, sondern auch ein enormer Anstieg der nordamerikanischen E-Commerce-Importe. Die Fluggesellschaften haben Kapazitäten auf die Asien-Nordamerika/Europa-Routen verlagert, um diese Nachfrage zu bedienen. Die Folge auf anderen Handelsrouten: teurere Luftfracht, schrumpfender Handel und reduzierte Produktion.
Warum stocken die Luftfahrtunternehmen nicht auf?
Dies hat verschiedene Gründe. So sind hohe Frachtraten für die Fluglinien gut: Sie profitieren preislich von der Verknappung und möchten das möglichst lange tun. Andererseits stehen Slots für internationale Flugrouten und Airports nur begrenzt zur Verfügung. Neue müssen erst aufwendig beantragt werden. Da keiner wirklich weiß, wie lange die Krise oder die Nachfrage anhalten, wird normalerweise abgewartet.
Das heißt, die Luftfahrtbranche kann nicht flexibel genug auf Nachfrageschwankungen reagieren?
Genau. Die mangelnde Flexibilität liegt auch an der Verfügbarkeit, der Reichweite und der Frachtkapazität der Flugzeuge selbst. Jeder Luftfrachtanbieter hat seine Flotte, seine Crews und Routen schon optimiert. Da kann man nicht so einfach einen Flieger auf den Strecken austauschen.
Der gesamte Sektor verhält sich wegen dieser Schwerfälligkeit oft antizyklisch zu den Krisen. Ein typischer Zyklus bei der Luftfracht dauert etwa 12 bis 18 Monate, in denen die Nachfrage steigt, bis die Kapazitäten wieder ausgeschöpft sind. Ehe neue geschaffen sind, ist die Krise oft schon wieder vorbei, und es gibt Überkapazitäten. Dann fallen die Frachtraten wieder stark. Dadurch kommen zwar wieder mehr Kunden, die es sich leisten können. Aber die Anbieter schauen schon wieder: Geben wir vielleicht Flugzeuge ab? Wo können wir sonst sparen? Man kann Krisen kaum voraussagen. Aber wenn man die lange Reaktionszeit in der Cargo-Welt verkürzen könnte, wäre Luftfracht effektiver zu nutzen.
Was bietet Ihr Unternehmen an, um die Branche flexibler zu machen?
Wir haben den oft noch langsamen Buchungsprozess digitalisiert. Viele Spediteure arbeiten noch mit Telefon und höchstens E-Mails. Doch Kunden wollen schnelle Antworten: Wo kann ich etwas versenden, wie schnell kommt es an und wie viel kostet es? In Deutschland gibt es eine große Anzahl von Airlines, die verschiedene Strecken bedienen. Jede könnte theoretisch einzeln kontaktiert, die Ergebnisse dann dem Kunden mitgeteilt, eine Entscheidung getroffen und schließlich die Buchung abgeschlossen werden. Das kostet Zeit, und möglicherweise ist der Transportslot oder die Rate dann schon verkauft.
Deshalb haben wir diesen Prozess vereinfacht. Unsere Nutzerinnen und Nutzer können nicht nur online die von Luftfrachtanbietern bereitgestellten Kapazitäten einsehen, sondern diese auch sofort buchen oder damit ein Angebot erstellen – und das mit nur ein paar Klicks. Dies wird durch unsere Tools zur Frachtratenverwaltung, datengetriebene Markteinblicke und alternative Zahlungsfunktionen ergänzt.
Und die zyklischen Entwicklungen können Sie so auch besser vorhersehen?
Dies ist ein Bereich, in dem unsere fünfzehnjährige Erfahrung als Unternehmen gut mit künstlicher Intelligenz harmoniert. Die Kombination aus Daten von über 1 Million jährlicher Buchungen und Echtzeitpreisen ermöglicht es uns dank künstlicher Intelligenz, sowohl Spediteure als auch Frachtführer effizienter zu machen und in einigen Fällen sogar Trends vorherzusagen. Grundsätzlich bieten wir Anbietern und Kunden Zeitersparnis und Transparenz.
Wie haben denn die Fluglinien selbst auf diese neuen Angebote reagiert?
Wir hatten ein paar Vorreiter, die den Anfang gemacht haben. Mittlerweile haben wir über zwei Drittel der verfügbaren Luftfrachtkapazitäten digital verfügbar. Die Produktpalette erstreckt sich von Stückgut über zeitkritische Produkte und selbst Gefahrengut zu über 500 Zielen weltweit.
Wie offen haben sich deutsche Unternehmen gezeigt?
Deutsche Unternehmen sind echte Vorreiter. Sie haben diese Dienste sehr schnell angenommen. Lufthansa Cargo war eine der ersten Airlines auf unserer Plattform. Deutschland war also insgesamt ein Paradebeispiel. Heute sind wir in über 90 Ländern weltweit verfügbar und wachsen mit unseren Kunden jedes Quartal weiter. Trotzdem bleibt Deutschland einer unserer wichtigsten Märkte.