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Special China Konnektivität

"Luftfracht in China ist eine langjährige Erfolgsgeschichte"

Carsten Hernig erklärt im Interview, warum Luftfracht zwischen China, Asien und Europa boomt. (Stand: 02.01.2025)

Von Marcus Hernig | Bonn

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Carsten Hernig ist seit 2022 stellvertretender Direktor des Pudong International Airport Cargo Terminals (PACTL) in Shanghai. Das Unternehmen wurde 1999 gegründet. Es ist ein Joint Venture des Flughafens Pudong (51 Prozent Beteiligung), der Lufthansa Cargo AG (29 Prozent) und des chinesischen Logistikunternehmens JHJ Logistics Management (20 Prozent).

Seit 2008 betreibt das Joint Venture als Mehrheitseigner sein drittes Frachtterminal "PACTL West", zusammen mit der nationalen Fluggesellschaft Air China und dem Logistikunternehmen SHK Beijing Logistics Development. Damit entstand am Shanghaier Flughafen Pudong einer der größten Luftfrachtstandorte der Welt. 

Herr Hernig, wie entwickelt sich der Luftfrachtsektor in China?

Luftfracht in China ist eine langjährige Erfolgsgeschichte. Das sieht man an der Entwicklung unseres Joint Ventures deutlich: PACTL West, unser drittes Terminal, steht 2025 schon wieder an der Schwelle zur Erweiterung. Die transportierte Tonnage soll sich deutlich erhöhen. Unsere drei Terminals stoßen an Kapazitätsgrenzen. Im Luftfrachtbereich ist das Wachstum in China noch lange nicht am Ende.

Wovon profitiert Ihr Unternehmen so stark?

Die klassische Luftfracht bediente früher vor allem Industriekunden. Jetzt sind es Chinas große E-Commerce-Plattformen: Wir transportieren Waren wie Handys oder elektrische Zahnbürsten direkt zum Endkunden. Für Shanghai macht das 30 Prozent des Frachtvolumens aus, in Südchina kommt der E-Commerce auf bis zu 60 Prozent der geflogenen Tonnage.

Der E-Commerce aus China in die Welt bringt Sie also an Kapazitätsgrenzen?

Shanghai ist noch immer ein starker Industriestandort und 70 Prozent der Frachtmenge besteht aus Industrieprodukten. Da ist zunächst die gesamte Auto- und Autozulieferindustrie. Der Maschinenbau nimmt sowohl mit Endprodukten als auch mit Zulieferteilen eine wichtige Stellung ein. 

Shanghai ist auch ein wichtiger Standort der Pharmaindustrie, die schnelle Belieferung wegen der Verfallsdaten benötigt. Dann kommt als Spezialkategorie noch der temperaturgeführte Schnelltransport per Luftfracht hinzu, das heißt Transportdienste mit spezieller Kühlung für empfindliche Produkte. Das ist insbesondere bei den vielen Lebensmittelimporten nach China wichtig. 

China importiert vor allem Lebensmittel per Luftfracht?

Nur 30 Prozent aller Waren, die wir transportieren, werden nach China eingeflogen. Darunter sind zum Beispiel tropische Früchte aus südostasiatischen Ländern. Neuseeland und Kanada liefern Lachs und andere Fische für das zunehmend beliebte Sushi. Hinzu kommen Industrievorprodukte, Maschinen und Maschinenteile, die hier fehlen. Die anderen 70 Prozent der Waren, die wir fliegen, gehen aus China heraus: bestellte Waren aus dem globalen E-Commerce und Industrieprodukte.

Was sind die wichtigsten Regionen, die von Shanghai aus angesteuert werden?

Ein großer Markt ist noch immer die Europäische Union, insbesondere Deutschland, Frankreich, Benelux und Italien. Großbritannien ist wichtig. Ein sehr starkes Wachstum haben wir in Südostasien. Die Märkte dieser Region sind immer enger mit China verknüpft. Auch die USA spielen eine Rolle mit E-Commerce und Industrieprodukten. Nicht zuletzt kommt die große Inlandsnachfrage nach Luftfracht hinzu.

China verfügt ja mittlerweile über eine große Zahl an Flughäfen. Ist die Konkurrenz da nicht groß?

Hongkong ist noch vor Shanghai die Nummer 1 in der Luftfracht. Sehr groß sind in Südchina auch Guangzhou und Shenzhen. Dort sitzen die E-Commerce-Firmen und dort wird sehr viel produziert: von Möbeln bis zu den vielen elektronischen Produkten. 

Auch die Provinzflughäfen sind interessant: Orte wie Zhengzhou in Henan oder Ezhou in Hubei. In Ezhou entstand vor ein paar Jahren ein eigener Flughafen für den chinesischen Kurierdienst Shunfeng (SF). So wie Memphis in den USA den Logistikkonzern FedEx bedient, dient Ezhou den SF-Flugzeugen. Nun kommen auch traditionelle Fracht-Airlines dorthin. Die Regierung subventioniert solche Flughäfen im Inland sehr stark. Doch anders als in Shanghai und Hongkong fehlen dort große Industrien und internationale Konnektivität.

Also gewinnt am Ende immer der größte Flughafen?

Die Konkurrenz ist sehr stark gewachsen. Auch wir müssen mit unserem Angebot immer topattraktiv bleiben, um unsere Kunden an Shanghai zu binden. Bei uns kommt das deutsch-chinesische Joint Venture aus drei Partnern als Plus hinzu: Die Lufthansa bietet Internationalität und Industriewissen, gerade nach Westen. Der Flughafen bietet hervorragende Infrastruktur, lokale Vernetzung und Unterstützung seitens der Shanghaier Regierung. Das Logistikunternehmen JHJ Logistics bietet entsprechende Branchenexpertise. 

Luftfracht wird häufig als sehr teuer kritisiert. Wird das so bleiben?

Die Knappheit an Flugzeugen wird die Luftfrachtpreise auf hohem Niveau stabil halten. Insbesondere für den Export aus China werden die Raten hoch bleiben. China bleibt ein attraktiver Luftfrachtmarkt. Die hohen Preise – vier- bis zehnmal so teuer wie Seefracht bei den Expressraten – werden angenommen. 

Und wie steht es mit der Nachhaltigkeit von Frachtflügen?

Der Anteil der Luftfracht an den Warenströmen ist sehr gering, die Bedeutung sehr hoch. Wichtige Pharmaprodukte wie Antibiotika oder Schmerztabletten aus Indien müssen in Europa und den USA eingeflogen werden. Manche Industrieteile haben eine so hohe Kapitalbindung, dass die Verluste immens sind, wenn sie wochenlang ungenutzt in Schiffscontainern liegen. Smartphones verlieren bis zu 20 Prozent ihres Marktpotenzials, wenn sie bei einem Produktzyklus von acht Monaten zwei Monate um das Kap der Guten Hoffnung schippern.

Trotzdem hat auch die Luftfahrt Verantwortung: Kraftstoffe wie Biokerosin können zusätzlich nachwachsend produziert werden, die Flieger müssen immer sparsamer werden. Im Transportmix werden sich andere Träger eher umstellen lassen als die Luftfracht: E-Mobilität auf der Straße kommt sicher früher als Wasserstoffantriebe oder ähnliches in der Luft.

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