Special Welt Konnektivität
E-Commerce treibt globales Wachstum der Luftfracht
In der Luftfrachtbranche übersteigt die Nachfrage die vorhandenen Kapazitäten. Mit neuen Hubs zwischen China und Europa entstehen neue Märkte. (Stand: 02.01.2025)
Von Marcus Hernig, Edda Schlager | Bonn, Berlin
Luftfracht ist oft hochwertig: Der Anteil aller per Frachtflugzeug transportierten Waren machte 2023 nur 1 Prozent des weltweiten Transportvolumens aus. Doch diese kleine Menge stand für gut ein Drittel des globalen Handelsumsatzes von rund 31 Billionen US-Dollar (US$).
Starker Aufwärtstrend im Jahr 2024
Den bisherigen Höhepunkt erreichte das Frachtaufkommen per Flugzeug 2021 mit rund 66 Millionen metrischen Tonnen. Bis 2023 sank das Volumen auf knapp 58 Millionen Tonnen. Doch 2024 zeigt sich wieder eine starke Wachstumsdynamik: Im Direktvergleich zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 wuchs die Nachfrage nach Luftfracht um 11 Prozent, zeigen Daten des Branchenanalysten World ACD; die transportierte Tonnage stieg sogar um 20 Prozent.
Die hohe Nachfrage führt zu Engpässen, denn die Kapazitäten der Luftfrachtanbieter stiegen im genannten Zeitraum nur um 6 Prozent. "Ein großes Problem ist der Flugzeugbestand", erklärt Carsten Hernig, stellvertretender Direktor von Pudong International Airport Cargo Terminal (PACTL) in Shanghai im Interview mit GTAI:
"Es können nicht genug neue Flugzeuge produziert und zum Einsatz gebracht werden, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Allein der notwendige Ersatz alter durch neue Maschinen übersteigt die aktuellen Kapazitäten der Flugzeughersteller."
Der Mangel an Fluggerät für die Luftfracht bietet Chancen für die europäische Flugzeugindustrie – und für die deutschen Zulieferer der großen Flugzeugbauer.
Asien dominiert den Markt
Asien hat eine Ausnahmestellung in der globalen Luftfracht. Die wichtigsten Markttreiber sind dabei China einschließlich Hongkong sowie Südostasien. Laut World-ACD-Daten wuchs der Handel per Luftfracht zwischen 2023 und 2024 in der Region Asien-Pazifik um rund 17 Prozent, in China um 12 Prozent.
Für den starken Zuwachs in China ist der Export per Luftfracht verantwortlich, der um 24 Prozent stieg. Neuer Wachstumstreiber der Branche ist der boomende E-Commerce chinesischer Anbieter wie Taobao, Temu oder Shein.
Europa verzeichnet Handelsdefizit mit China in der Luftfracht
Rund 70 Prozent des transportierten Warenvolumens zwischen Europa und China entfällt auf Importe der EU aus China. Nur 30 Prozent sind Exporte aus der EU in die Volksrepublik. Dabei ist die europäische Nachfrage nach Importen aus China laut Branchenkennern noch nicht gesättigt. Doch für Luftfrachtanbieter lohnen sich leere Rückflüge nicht.
Bei anderen Frachtverbindungen, wie zum Beispiel zwischen Europa und Nordamerika, sind die Importe und Exporte dagegen in etwa ausgeglichen. Außerdem kann dank der zahlreicheren Flugverbindungen über den Atlantik mehr Ware in den Frachträumen von Passagierflugzeugen transportiert werden. Das beschränkt die Nachfrage nach reinen Frachtflugzeugen auf diesen Routen.
Zwischen Europa und China entstehen neue Luftfracht-Hubs
Dass das Luftfrachtgeschäft zwischen Asien und Europa boomt, zeigt sich auch in Usbekistan. In dem Land in Zentralasien hat der Unternehmer Bahtiyar Nomozbaev seine Logistikfirma Delta Global Solutions im Jahr 2014 gegründet. So richtig durchgestartet ist das Unternehmen allerdings erst 2024.
Die Luftfracht hat andere Logistikdienstleistungen in Nomozbaevs Portfolio abgelöst. Heute erzielt das Unternehmen 95 Prozent des Umsatzes mit der Sparte. Ganze 450.000 US$ setzte das Unternehmen im 1. Halbjahr 2024 um – mit Dienstleistungen für chinesische Logistikfirmen und Turkish Airlines.
Auch Südasien bietet Chancen für Luftfrachtunternehmen: So bauen deutsche Logistikanbieter ihr Geschäft in Pakistan aus und trotzen der schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage im Land.
Kapazitätsmangel der Luftfracht macht erfinderisch
"Da die Luftfrachtkapazitäten für Kunden wie Temu und Shein, die ihre Waren nach Europa versenden, nicht reichen, ist man jetzt auf Taschkent als Luftkreuz ausgewichen", sagt Logistiker Nomozbaev. Sein Unternehmen organisiere den Weitertransport von Waren, die per Bahn, Lkw oder per Luftfracht aus China in die usbekische Hauptstadt Taschkent kommen. Viele Frachtflugzeuge hätten nicht die Reichweite, von China bis Europa durchzufliegen.
So habe Turkish Airlines das Geschäft zwischen Usbekistan und Europa übernommen. Die Fluggesellschaft transportiere pro Woche mit zwei Flügen rund 50 Tonnen Ware von Taschkent gen Westen, nach Paris, London, Hamburg oder Amsterdam, sagt Nomozbaev.
Er erwartet, dass der Mittlere Korridor auch für die Luftfracht künftig eine größere Rolle spielen wird. Taschkent sei bisher nur das kleinere Drehkreuz. Dreimal mehr Fracht werde in Almaty, im benachbarten Kasachstan, umgeschlagen.
Zusätzlich entstehen neue Anbieter wie Silk Way aus Baku. Diese aserbaidschanische Fluggesellschaft integriert aktuell bereits zahlreiche Ziele in Europa und in China in ihr Transportnetz.
Indien und Afrika weisen in die Zukunft
Im Jahr 2023 existierten in Indien 21 Terminals für internationale Fracht. Mit dem intermodal ausgerichteten Luftfrachtterminal im neuen Flughafen Noida bei New Delhi und zwei weiteren großen Terminalneubauten im Flughafen Navi Mumbai und in Goa werden die Kapazitäten weiter ausgebaut. Kenner der Branche vergleichen die aktuelle Lage in Indiens Luftfrachtsektor mit der in China zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Shanghaier Flughafens Pudong im Jahr 1999. Dieser Airport verhalf China zum Erfolg in der Luftfracht.
Auch in Afrika entstehen neue Logistikstrukturen wie das größte Frachtterminal des afrikanischen Kontinents in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Die Fluggesellschaft Ethiopian Airlines schloss im Dezember 2024 Abkommen mit den chinesischen Unternehmen Xiamen Iport Group und Henan Aviation Group, um die Luftfrachtkapazitäten in Afrika zu entwickeln. Auch in afrikanischen Märkten ist der stark gestiegene E-Commerce-Handel mit China Hintergrund dieser Entwicklungen.