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Branchen | Polen | Luftverkehr

Trotz Kritik hält Polen am neuen Großflughafen fest

Etwa 60 Millionen Passagiere soll der bei Warschau geplante Flughafen pro Jahr abfertigen. Der Spatenstich ist für 2023 angesetzt. Beobachter rechnen mit Verzögerungen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polens Kontrollbehörde NIK (Najwyższa Izba Kontroli) übt Kritik am Großflughafen CPK (Centralny Port Komunikacyjny). Beim jetzigen Arbeitstempo sei das Eröffnungsdatum 2027 "in Gefahr". Laut NIK bleibt unklar, wie teuer der Bau werden wird und wie er finanziert werden soll. Die Kammer zweifelt sogar an der Wirtschaftlichkeit des Flughafens.

Wichtige Fortschritte im Jahr 2021

Für die staatliche Betreibergesellschaft ist es ein ernüchternder Jahresauftakt. Dabei konnte das Großvorhaben 2021 an Profil gewinnen. Für großes Medienecho sorgte beispielsweise die Ankündigung eines Joint Ventures zwischen Polen und Südkorea. Die Betreibergesellschaft des südkoreanischen Flughafens Incheon wird voraussichtlich als Minderheitseigner in das Projekt einsteigen. Noch unbekannt ist die Investitionssumme. Der zuständige Staatssekretär auf polnischer Seite, Marcin Horała, erklärte in einem Zeitungsinterview: "Ich erwarte von der koreanischen Seite ein finanzielles Engagement von mehreren Milliarden Złoty". Bereits seit Februar 2021 beraten Vertreter des Flughafens Incheon den CPK.

Als bevorzugten Standort hat die polnische Betreibergesellschaft ein Gelände von 41 Quadratkilometern bei Baranów identifiziert. Betroffen sind 3.800 Grundstücke. CPK will die Liegenschaften kaufen. Bis Ende 2021 meldeten 200 Eigentümer Interesse an. Wie viele Grundstücke den Besitzer gewechselt haben, ist nicht bekannt.

Fest steht hingegen, wer den sogenannten Masterplan des Flughafens erstellen wird. Gemeint ist damit ein Rahmendokument, das als Grundlage für weitere bauliche Entscheidungen dient. Die britische Ingenieursgesellschaft Arup wird das Papier ausarbeiten. Zu den Referenzen des Unternehmens gehören Projekte an den Flughäfen Peking und Heathrow.

Ausschreibungsportal des CPK

Alle Ausschreibungen rund um Planung und Bau des neuen Großflughafens und der ergänzenden Bahnstrecken veröffentlicht die Betreibergesellschaft auf einer Onlineplattform.

Weitere Informationen über Ausschreibungen und Projektfortschritte stellt das Unternehmen auf Englisch auf seiner Internetseite zur Verfügung.

Knotenpunkt für die Schiene

Der CPK soll aus möglichst vielen Landesteilen mit Schnellzügen erreichbar sein. Bislang existieren in Polen wenige Hochgeschwindigkeitsstrecken. Die Betreibergesellschaft des Flughafens plant Investitionen in das Schienennetz. Die Kosten von 8,8 Milliarden Euro sind laut NIK aber deutlich zu niedrig angesetzt.

Große Bedeutung hat der Bau der sogenannten Y-Verbindung. Sie führt von Warschau über Łódź und gabelt sich dann nach Poznań und nach Wrocław. Züge sollen hier Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometer pro Stunde erreichen.

Finanziert wird der Gleisbau wohl auch mit Geldern der Europäischen Union (EU). Die Europäische Kommission plant, mehrere Strecken und den Flughafen in das europäische Verkehrsnetz TEN-T (Trans-European Transport Network) aufzunehmen. Bereits jetzt entstehen technische Studien mit Unterstützung des Programms Connecting Europe Facility (CEF). Fördergelder fließen in die Vorbereitung eines vier Kilometer langen Eisenbahntunnels unter der Stadt Łódź. Im November 2021 erhielt ein polnisch-französisches Konsortium den Auftrag, Planungsunterlagen zu erstellen.

Im Zuge des Streckenausbaus würden mehrere Ortschaften, die bislang nicht an das Schienennetz angeschlossen sind, einen Bahnhof erhalten. Profitieren könnte beispielsweise Jastrzębie-Zdrój in Schlesien, mit 90.000 Einwohnern die größte polnische Stadt ohne Bahnhaltestelle.

Deutsche Firmen bislang kaum beteiligt

Die CPK-Betreibergesellschaft hat Machbarkeitsstudien (Studium Techniczno-Ekonomiczno-Środowiskowe, STEŚ) für geplante Bahnstrecken in Auftrag gegeben. Diese Untersuchungen sind gesetzlich vorgeschrieben. Sie enthalten Verkehrsprognosen, wirtschaftliche Abwägungen und Angaben zur Streckenführung. Auch geologische und ökologische Aspekte werden berücksichtigt.

Beauftragte Machbarkeitsstudien für den Schienenausbau rund um den CPK

Strecke

Länge1)

Auftragnehmer

Wert2)

Warschau - Łódź 

140

IDOM, Multiconsult, Transprojekt Gdański, Arcadis

8,4

Łódź - Wrocław

200

IDOM, Multiconsult, Transprojekt Gdański, Arcadis

-

Sieradz - Poznań

170

BBF, IDOM, Arcadis

9,5

Żarów - Wałbrzych - Staatsgrenze

60

BBF

3,4

Katowice - Ostrava (Tschechien)

75

Egis

2,4

Łętownia - Rzeszów

40

BBF, Ingerop, SAFEGE

2,2

Zamość - Bełżec

90

Egis

4,3

Ostrołęka - Łomża - Giżycko

140

Egis, JAF Geotechnika

4,4

CPK - Verkehrsknoten

200

Egis, JAF Geotechnika

4,4

1) in Kilometern; 2) in Millionen EuroQuelle: CPK 2022; Recherchen von GTAI 2022

Neben polnischen Firmen konnten Ingenieurbüros aus Frankreich Aufträge gewinnen. Das deutsche Ingenieurbüro Vössing hatte sich um Projekte beworben, lag aber preislich über der Konkurrenz. Erste Studien sollen im 1. Halbjahr 2022 vorliegen. NIK kritisiert, dass bislang keine Machbarkeitsstudie über das gesamte CPK-Projekt durchgeführt wurde.

Großes Interesse von Planungsbüros

In den kommenden Monaten will die Projektgesellschaft CPK einen Generalplaner für den Bau des Passagier-Terminals und des Flughafenbahnhofs auswählen. Bereits seit Oktober 2021 sucht CPK Ingenieurbüros für die Planung der Schienenstrecken. Diese Projekte sind nicht zu verwechseln mit den STEŚ. 12 Konsortien haben sich laut Medienberichten um entsprechende Rahmenverträge beworben. Die Unternehmen kommen unter anderem aus Polen, Frankreich, Deutschland und Südkorea.

Interessenten an den Rahmenverträgen rund um die Schienenplanung des CPK

Konsorten

Sitz der Muttergesellschaften

Sweco, Técnica y Proyectos

Schweden, Spanien

Multiconsult, TPF, Torprojekt, Transprojekt Gdański

Polen

Egis, Jaf Geotechnika

Frankreich, Polen

Systra, BPK Mosty

Frankreich, Polen

Databout

Polen

BPK Poznań, Biuro Projektów Kolejowych i Usług Inwestycyjnych, FONON

Polen

SSF Ingenieure, Europrojekt Gdańsk, Saitec, Schüssler-Plan

Deutschland, Polen, Spanien

Dohwa Engineering, Korea National Railway

Südkorea

BBF, IDOM

Polen, Spanien

Elkol, Mosty Katowice

Polen

MGGP, Voessing

Polen, Deutschland

Metroprojekt, SUD Architectes

Polen, Frankreich

Quelle: Branchenportal rynek-lotniczy.pl, 2021

Die Finanzierung ist nicht der einzige Knackpunkt

Trotz aller Fortschritte bleiben einige zentrale Fragen offen, wie die Kritik von NIK zeigt. So ist auch ungeklärt, welche Rolle die Luftfracht am CPK spielen wird. Michał Czarnik, Executive Director der Betreibergesellschaft, wünscht sich ein eigenes Cargo-Terminal.

Eigentümer von Grundstücken auf dem präferierten Flughafengelände scheinen laut Zeitungsberichten nicht zufrieden mit den Kaufangeboten zu sein. Einige Besitzer erwarten, dass ihre Liegenschaften nicht nach jetzigem Wert, sondern auf Basis der zukünftigen Verwendung bewertet werden. Staatssekretär Horała schlägt lediglich Boni in Höhe von bis zu 20 Prozent des aktuellen Schätzwertes vor. Eigentümer können außerdem Grundstücke im Staatsbesitz als Ausgleich erwerben. Hier fordert das Landwirtschaftsministerium allerdings Mitspracherechte. Ein geplantes Gesetz, das sogenannte Lex CPK, soll den Erwerb von Grundstücken und weitere vorbereitende Schritte beschleunigen.

Die Finanzierung des Projekts sorgt nicht nur bei NIK für Diskussionen. Bislang kommt vor allem die Staatskasse für anfallende Kosten auf. Regierungsvertreter wollen die staatliche Flughafenverwaltung PPL (Państwowe Porty Lotnicze) mit dem CPK zusammenlegen und teil-privatisieren. Die CPK-Betreibergesellschaft verspricht sich davon mehr Flexibilität bei der Budgetplanung. Das polnische Finanzministerium hingegen will mehr Einfluss bei der Ausgabenkontrolle.

Tatsächlich könnten Fragen zur Finanzierung auch wegen derzeit ausbleibender Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds weiter an Bedeutung gewinnen.

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