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Weniger Tempo bei der Automatisierung
Polens Industrie kommt bei der Automatisierung nur langsam voran. Unternehmen halten Investitionen zurück. EU-Gelder können helfen, doch die Budgets sind schnell aufgebraucht.
05.11.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Unternehmen in Polen haben im vergangenen Jahr weniger Industrieroboter eingekauft. Das geht aus dem Jahresbericht des Branchenverbandes International Federation of Robotics (IFR) hervor. Laut der Untersuchung schrumpfte die Zahl der neu installierten Roboter im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent. Es war der zweite Rückgang in Folge.
Große Unterschiede je nach Branche
Ein Blick auf die einzelnen Wirtschaftszweige zeigt, dass sich vor allem die energieintensiven Industrien mit Investitionen zurückhielten. Metallhersteller und Metallverarbeiter, aber auch Unternehmen aus der Mineralstoffindustrie kauften weniger Roboter ein. Nicht überall gab es ein Minus: Dank der Investitionen bei den Kfz-Zulieferern wuchsen die Absatzzahlen in der Automobilindustrie.
Bemerkenswert: Wirtschaftszweige, die bislang als schwach automatisiert gelten, scheinen verstärkt auf Roboter zu setzen. Lebensmittelunternehmen in Polen kauften 2023 mehr als doppelt so viele Roboter ein wie im Vorjahr.
Der insgesamt schwächere Absatz im Jahr 2023 führt dazu, dass Polen gegenüber anderen Ländern in der Region zurückfällt. Zwar gingen auch im Nachbarland Tschechien die Absatzzahlen zurück, allerdings lag das Minus hier bei nur 3 Prozent. Ungarn und die Slowakei melden sogar ein Absatzplus von 31 Prozent und 48 Prozent. In allen drei Ländern – Tschechien, Slowakei und Ungarn – gibt es anteilig deutlich mehr Industrieroboter als in Polen.
Kein Grund zur Schwarzmalerei
Blickt man weiter zurück, dann fällt allerdings auf, dass die Verkaufszahlen in Polen weiterhin auf einem hohen Niveau liegen. So wurden seit 2021 jedes Jahr mehr Roboter installiert als in den Jahren vor der Coronapandemie. Auch die IFR betont die Chancen und schreibt: "Polen ist ein aufstrebender Robotermarkt mit einer diversifizierten Fertigungsindustrie, die viel Potenzial für die Roboterautomatisierung bietet."
Ob der nächste Aufschwung noch 2024 kommt, bleibt fraglich. Laut der Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) investierte die Industrie im 1. Halbjahr 2024 rund 7 Prozent weniger in Maschinen und Anlagen als im Vorjahr. Die Zahlen beziehen sich auf Firmen mit mehr als 50 Beschäftigten. Energieintensive Wirtschaftszweige kürzen weiterhin ihre Budgets. Auch Hersteller von elektrischer Ausrüstung machen Abstriche.
Automatisierungsdienstleister in Polen suchen daher neue Absatzchancen im Ausland. Ein Beispiel ist Taskoprojekt - Polens größter Integrator von KUKA-Robotern. "Wir erledigen derzeit Aufträge unter anderem in Österreich, Ungarn, Deutschland, Frankreich Spanien und Mexiko. Wir verhandeln auch über einen Großauftrag in Schweden. Außerdem bauen wir unsere Position auf dem US-amerikanischen Markt aus", sagt Taskoprojekt-Geschäftsführer Jakub Stańczak.
Ausgenommen vom Investitionsstopp in Polen sind Hersteller von Schienenfahrzeugen. Laut GUS gaben sie im 1. Halbjahr 2024 rund 32 Prozent mehr für Maschinen aus als im Vorjahr. Stańczak bestätigt diesen Trend: "Wir führen ein großes Projekt für einen polnischen Hersteller von Schienenfahrzeugen durch. Das Unternehmen hat neue Aufträge in Mittel- und Osteuropa erhalten. Jetzt erweitert es seine Anlagen, um den Kundenwünschen zu entsprechen."
Der Auftrag in der Bahnindustrie markiert einen neuen Trend: "Investitionen in die Automatisierung galten lange Zeit als ungewöhnlich in Branchen, in denen das Produktionsvolumen gering ist. Deshalb bauen wir heute oft Mehrzwecklinien, auf denen mehrere Produkte verarbeitet werden können, zum Beispiel verschiedene Modelle von Schienenfahrzeugen. Kostendruck in der Wirtschaft und Innovationen in der Automatisierung sorgen dafür, dass sich Investitionen schneller auszahlen", rechnet Stańczak vor.
Interesse an EU-Geldern übersteigt das Budget
Die IFR verbindet große Erwartungen mit den im Frühjahr 2024 freigegebenen EU-Geldern. Ein Streit zwischen der damaligen polnischen Regierung und der Europäischen Kommission verhinderte zuvor die Auszahlung. "Die verzögerte Freigabe führte zu aufgestauten Investitionen, die voraussichtlich in den Jahren 2024 und 2025 getätigt werden", schreibt der Branchenverband.
EU-Förderprogramme für Automatisierung stoßen auf Interesse. Im September 2024 gab das zuständige Ministerium die Gewinner einer Vergaberunde bekannt. Große Unternehmen, die ihre Produktion automatisieren wollen, konnten sich auf Zuschüsse bewerben. Das Budget lag bei 240 Millionen Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Die Gelder reichten nur für ein Viertel aller Anträge.
Zu den Gewinnern gehört der Anhängerhersteller Wielton. Auffällig: Die Lebensmittelindustrie treibt die Automatisierung weiter voran. Polnische Molkereien wie Polmlek und Mlekovita konnten sich Fördergelder sichern, ebenso der Nudelproduzent Lubella.
Der deutsche Hersteller von Filtersystemen für Fahrzeuge Hengst Filtration darf sich ebenfalls freuen. Das Unternehmen bekommt 235.000 Euro. Die Gesamtkosten des Projekts am polnischen Standort Gogolin liegen bei 4,7 Millionen Euro.
Knackpunkt Finanzierung
Doch nicht nur Großbetriebe interessieren sich für Fördergelder. Das zeigt ein EU-Fonds für Ostpolen. Lokale Unternehmen konnten insgesamt 24 Millionen Euro für Investitionen in Roboter abrufen. Wie die staatliche Industrieagentur PARP (Polska Agencja Rozwoju Przedsiębiorczości) bekanntgab, lag der Wert aller Anträge Ende September 2024 mehr als siebenmal so hoch.
Unternehmen finanzieren ihre Projekte aber nicht nur mit Fördergeldern, sondern auch mit Krediten. Hier sieht Jakub Stańczak von Taskoprojekt Verbesserungspotenzial: "Banken verlangen von kleinen und mittleren Unternehmen umfangreiche Informationen. Hinzu kommen Audits. Das schreckt einige Firmen von Investitionen ab. Hier könnte die öffentliche Hand unterstützen. Eine Möglichkeit wäre, die von den Banken bei der Kreditvergabe geforderten Sicherheiten zu erleichtern oder Garantien zu übernehmen", sagt er. Auch ein leichterer Zugang zur Kapitalbeschaffung auf den Finanzmärkten könnte aus Sicht von Stańczak Innovationen fördern.
Alle Gewinner der Roboter-Ausschreibung aus dem Wiederaufbaufonds listet das Ministerium auf einer Internetseite.
Die Gewinner einer weiteren Roboter-Ausschreibung für polnische Staatsunternehmen stehen ebenfalls auf einem Onlineportal.