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Polen setzt auf Investitionen mit hoher Wertschöpfung
Nachdem verschiedene Kosten in Polen gestiegen sind, geht das Volumen ausländischer Direktinvestitionen zurück. Trotzdem zeigen Beispiele, dass der Standort attraktiv bleibt.
27.09.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Meldungen von Standortschließungen sorgen für Schlagzeilen in Polen. Zu den spektakulärsten Beispielen gehört Beko, ein türkischer Hersteller von Haushaltsgeräten. Bis April 2025 macht das Unternehmen ein Werk in der Stadt Łódź dicht. Darüber hinaus stellt Beko am Standort Wrocław die Produktion von Kühlschränken ein. Insgesamt fallen 1.800 Arbeitsplätze weg. Beko verweist auf die schwache Nachfrage und finanzielle Verluste der Produktionsstätten in Polen. Beobachter sehen hingegen einen Zusammenhang mit der Fusion von Beko und der Europa-Tochter des US-Herstellers Whirlpool.
Das türkische Unternehmen steht mit seiner Entscheidung nicht allein da. Die deutsche Schwarte-Gruppe, ein Hersteller von Metallbehältern, verlagert die Produktion aus einem Werk in Olsztyn nach Kroatien. Gegenüber dem Medienportal wp.pl beklagt der Anlagenbauer hohe Energie- und Personalkosten.
Auch der US-Chiphersteller Intel schiebt eine geplante Großinvestition in Polen vorerst auf. Intel pausiert mit dem Bau von Chipfabriken in Polen und in Deutschland für zwei Jahre. Zuvor hatte das polnische Digitalisierungsministerium erklärt, die Europäische Kommission habe den staatlichen Zuschüssen in Höhe von über 1,7 Milliarden Euro für das Werk in Miękinia bei Wrocław zugestimmt. Angesichts von Verlusten setzt Intel aktuell ein Sparprogramm um.
Kohlestrom belastet den Standort
Die Konjunkturumfrage der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer vom April 2024 schlägt in eine ähnliche Kerbe. Darin nennen die befragten Unternehmen Energiepreise und Arbeitskosten als die größten Risiken für die Geschäftsentwicklung. Die Durchschnittsgehälter in Polen stiegen laut der Sozialversicherungsanstalt ZUS zwischen 2019 und 2023 um 46 Prozent. Strom für Gewerbekunden kostete Ende 2023 doppelt so viel wie Anfang 2021. Ein Grund für die hohen Strompreise liegt in der immer noch dominierenden Rolle der Kohle in Polens Energiemix.
Doch nicht nur Personal- und Energiekosten bereiten den Unternehmen Sorgen. Der deutsche Hersteller von Windkraftanlagen Enercon gibt die Produktion von Turbinen am polnischen Standort Opole auf. Stattdessen konzentriert sich das Unternehmen auf ein Werk in Magdeburg. Begründung: Die meisten Projekte von Enercon finden in Westeuropa statt. Der Transport der schweren Turbinen ist teuer. Magdeburg befindet sich näher am Kunden, das spart Logistikkosten.
Exportstarke Investoren spüren die schwache Konjunktur in der Eurozone. Das polnische Werk des südkoreanischen Batterieherstellers LG meldet Umsatzeinbußen. Schuld daran ist die rückläufige Nachfrage nach Elektroautos in Westeuropa.
Während internationale Firmen ihre Produktion in Polen zurückfahren, fließen weniger ausländische Direktinvestitionen ins Land. Laut dem World Investment Report der Vereinten Nationen lag der Wert für das Jahr 2023 mit 28,7 Milliarden US-Dollar rund 9 Prozent unter dem Vorjahresergebnis. Wie aus Zahlen der Marktanalysten von fDi Markets hervorgeht, gab es im 2. Quartal 2024 gut 13 Prozent weniger deutsche Investitionsprojekte in Polen als im Vorjahreszeitraum.
Bei den Investitionen gilt Klasse statt Masse
Zur Wahrheit gehört aber auch: Selbst im schwachen Jahr 2023 lag der jährliche Zufluss von ausländischen Direktinvestitionen immer noch fast doppelt so hoch wie in den Vor-Corona Jahren. Die Arbeitslosenquote sank im Juni 2024 erstmals seit 1989 unter die 5-Prozent-Marke. Das spricht weniger für eine Krise und mehr für einen Transformationsprozess.
Leo Mausbach, Standortberater bei der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer, bestätigt den Befund: "Wir beobachten einen Trend hin zu einer Produktion mit höherer Wertschöpfung. Hersteller von Produkten mit niedrigeren Margen gehen hingegen an andere Standorte." Diese Entwicklung decke sich mit Polens Industriestrategie. "Das Land will in internationalen Wertschöpfungsketten aufsteigen“, sagt Mausbach.
Obwohl die Euphorie etwas nachgelassen hat, interessieren sich deutsche Unternehmen weiterhin für Polen. Leo Mausbach verweist auf jüngste Zahlen der Immobilienagenturen: "Die Nachfrage nach Gewerbeflächen ist nirgendwo in Europa so groß wie in Polen. Die Firmen bescheinigen dem Standort also weiterhin Potenzial."
Polen setzt sich gegen Rumänien durch
Ein Unternehmen, das in Polen Entwicklungsmöglichkeiten sieht, ist der nordrhein-westfälische Hersteller von Leuchten Trilux. Mitte September 2024 nahm ein neues Werk im ostpolnischen Świdnik den Betrieb auf. Es handelt sich um den dritten europäischen Produktionsstandort des Unternehmens, neben dem Hauptsitz in Arnsberg und einer Niederlassung in Spanien. Am Standort Polen wird Trilux nicht nur Leuchten bauen, sondern auch eine Entwicklungsabteilung ansiedeln.
Warum die Wahl auf Polen fiel, erklärt Arkadiusz Lewenko, Leiter des Mittel- und Osteuropa-Geschäfts bei Trilux: "Neben Polen stand auch Rumänien in der engeren Auswahl. Für Świdnik sprachen am Ende mehrere Gründe. Wir sind hier dank der Autobahnen S17 und S19 sehr gut angebunden. Die lokalen Behörden haben uns mit offenen Armen empfangen. Und schließlich der wichtigste Grund: Dank der örtlichen Berufsschulen und Hochschulen können wir hochqualifizierte Mitarbeiter finden."
Trilux verbindet große Hoffnungen mit dem polnischen Werk: "Die neue Fabrik ist ein großer Meilenstein in unserer Firmengeschichte. Sie wird uns helfen, unsere Position in Mittel- und Osteuropa weiter auszubauen. Ein zusätzlicher Vorteil, insbesondere hier in Polen, ist das Label 'Made in Poland'. Wir erfüllen damit die Wünsche der hiesigen Kunden", sagt Lewenko.
Gutes Investitionsklima begünstigt Absatzchancen
Nur wenige deutsche Investoren wie der Leuchtenhersteller Trilux siedeln sich im Osten Polens an. Stattdessen bevorzugen sie den Westen und Süden des Landes. Dabei gilt der Arbeitsmarkt in diesen Gegenden als leer gefegt. Die selbstständige Interimsmanagerin Ella Grünefeld erklärt, warum Unternehmen aus Deutschland weiterhin auf die bereits gut erschlossenen Industriezentren setzen: "Deutsche Unternehmen haben gerne eine deutsche Community um sich."
Neue Investitionen in Polen bietet auch Absatzchancen für Zulieferer aus Deutschland. Der Wellpappenhersteller Thimm zum Beispiel baute seine Fabrik in Tychy aus. Der Maschinenbauer Göpfert aus Bayern lieferte die Produktionslinie. Das deutsche Bauunternehmen Bremer wiederum errichtet in ganz Polen Industriehallen, die dann von Investoren bezogen werden.