Special | Polen | EU-Förderung
Förderung im Rahmen der Kohäsionspolitik
Der Streit zwischen Polen und der Europäischen Kommission scheint vorerst beigelegt. Mehr und mehr Kohäsionsprogramme laufen an. Auch deutsche Firmen profitieren.
25.03.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Polen hält sich an die Charta der EU-Grundrechte. Zu dieser Einschätzung kommt die Europäische Kommission. Damit erfüllt Polen die wichtigste Voraussetzung, um Fördergelder in Höhe von rund 76,5 Milliarden Euro aus den Programmen der europäischen Kohäsionspolitik abrufen zu können. Diese Entscheidung markiert eine Kehrtwende.
In einem Ausgabenplan von 2022 hatten sowohl Vertreter der damaligen polnischen PiS-Regierung (Prawo i Sprawiedliwość) wie auch Mitglieder der Europäischen Kommission festgehalten, dass Polen die Auflagen der Charta nicht erfüllt. Schuld waren Eingriffe in das Justizwesen. Dann kamen die Parlamentswahlen vom Oktober 2023 und mit ihnen der Machtwechsel in Warschau.
Im Januar 2024 schickte Polens neue Regierung eine aktualisierte Selbsteinschätzung nach Brüssel. Die Europäische Kommission folgte dieser Stellungnahme und hob ihre Blockade der EU-Mittel auf. Ein Reformplan des neuen Justizministers Adam Bodnar hat mit zu diesem Erfolg beigetragen. Konflikte mit dem PiS-nahen Staatspräsidenten Andrzej Duda und dem ebenfalls PiS-nahen Verfassungsgericht scheinen bei der Umsetzung der Reformen allerdings vorprogrammiert.
Polen hatte schon vor der Budget-Freigabe durch die Europäischen Kommission einige Projekte ausgeschrieben. Gelder der Kohäsionspolitik gibt es nämlich erst, wenn ein Vorhaben abgeschlossen ist. Jetzt kann sich das zuständige Ministerium für Fonds und Regionalpolitik erste Beträge erstatten lassen. Ein Antrag über 670 Millionen Euro wurde Ende Februar 2024 gestellt.
Neue Produkte dank Fördergelder
Rund 56 Prozent der Gelder aus der aktuellen Haushaltsperiode 2021-2027 fließen in sogenannte Landesprogramme. Diese Maßnahmen stehen unter Aufsicht des Ministeriums für Fonds und Regionalpolitik in Warschau. Weitere Stellen der Zentralregierung beteiligen sich je nach Landesprogramm.
Unternehmen schauen vor allem auf das Landesprogramm FENG. Firmen, die Forschungsprojekte durchführen oder neue Produkte entwickeln, können Zuschüsse beantragen. Besonders beliebt sind Ausschreibungen im Rahmen des sogenannten Smart Path Programms (Ścieżka Smart). Die beiden zuständigen Vergabestellen, die staatliche Wirtschaftsagentur PARP (Polska Agencja Rozwoju Przedsiębiorczości) und das nationale Forschungszentrum NCBR (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju), werden 2024 über diesen Kanal mehr als 830 Millionen Euro ausschreiben. Viele Betriebe scheinen aber mit den Bedingungen des FENG Smart Path Programms überfordert zu sein. Analysen der Unternehmensberatung A1 Europe ergaben, dass bei einigen Ausschreibungen weniger als 25 Prozent aller Antragssteller einen positiven Bescheid erhielten.
Zu den Gewinnern gehören auch deutsche Unternehmen, wie die polnische Tochtergesellschaft des Farbenherstellers Huber. Das Unternehmen erhält rund 7,3 Millionen Euro. Ziel des insgesamt 21 Millionen Euro schweren Vorhabens ist es, Farben und Lacke auf Wasserbasis zu entwickeln.
Um neue Produkte auf den Markt bringen zu können, brauchen die Unternehmen moderne Maschinen. Vor diesem Hintergrund könnte FENG den Bedarf nach hochwertigen Produktionsanlagen ankurbeln.
Firmen, die ihre Anlagen energieeffizienter machen, haben außerdem Zugriff auf sogenannte Umweltkredite (Kredyt Ekologiczny). Dabei erstattet die staatliche Förderbank BGK (Bank Gospodarstwa Krajowego) mit FENG-Geldern bis zu 80 Prozent der Kosten.
Impulse für den Straßen- und Schienenverkehr
Neben FENG bietet die Infrastrukturmaßnahme FEnIKS neue Absatzmöglichkeiten. Sie unterstützt Investitionen in Straßen, Schienen, Wasserleitungen und in das Energienetz. Im Laufe des Jahres 2024 wird der staatliche Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) mehrere Zuschussprogramme in Höhe von 377 Millionen Euro ausschreiben. Sie fördern Maßnahmen für Energieeffizienz und Investitionen in erneuerbare Energien. Zu den Adressaten gehören Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Privathaushalte.
Der staatliche Betreiber des Schienennetzes PKP PLK und die staatliche Landesstraßenverwaltung GDDKiA (Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad) können mehr als 10 Milliarden Euro abrufen, um damit beispielsweise den Bau neuer Autobahnen oder neuer Gleise zu finanzieren. Kaufprämien für Regional- und Fernzüge oder Busse fehlen im FEnIKS-Ausschreibungsplan für 2024. Dafür haben die Kommunen bis Ende Juni 2024 Zugriff auf 1,8 Milliarden Euro für Straßenbahnen und U-Bahnen. Außerdem gibt es ein Programm, das Prämien für Schienenfahrzeuge im Intermodalverkehr ausschüttet. Der Zeit- und Budgetplan der FENiKS Ausschreibungen ist nicht in Stein gemeißelt. Das Ministerium für Fonds und Regionalpolitik veröffentlicht regelmäßig Aktualisierungen.
Die Digitalisierung ist ein weiterer Schwerpunkt der Kohäsionsprogramme. Über das Landesprogramm FERC stehen Gelder für den Breitbandausbau im ländlichen Raum bereit. Ende Januar 2024 gab die staatliche Digitalisierungsagentur (Centrum Projektów Polska Cyfrowa) die Gewinner einer Ausschreibung bekannt. Die siegreichen Firmen erhalten nun rund 490 Millionen Euro, um schnelles Internet in abgelegenen Orten zu ermöglichen. Weitere Ausschreibungen folgen.
Das Ministerium für Fonds und regionale Entwicklung informiert auf einer Sonderseite über alle Ausschreibungen der Landesprogramme.
Regionale Schwerpunkte
Strukturschwache Regionen in Ostpolen profitieren vom Sonderfonds FEPW. Er unterstützt Investitionen in Unternehmen, Infrastruktur und Digitalisierung - zusätzlich zu den polenweiten Landesprogrammen. Kleine und mittelgroße Betriebe konnten Gelder für Industrieroboter beantragen. Im Februar 2024 gab die Agentur PARP die Gewinner des Wettbewerbs bekannt. Über 100 Unternehmen werden knapp 50 Millionen Euro erhalten. Voraussichtlich im August 2024 startet eine zweite Ausschreibungsrunde des Roboterprogramms.
Neben den zentralstaatlich verwalteten Landesprogrammen gibt es 16 regionale Programme der einzelnen Woiwodschaften. Die Regionen erhalten insgesamt 44 Prozent aller Kohäsionsmittel für eigene Projekte. Deren Schwerpunkte sind von Region zu Region unterschiedlich. Eine Sonderseite listet alle regionalen Programme auf.