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Großunternehmen behaupten sich auch in Pandemiezeiten
Die 500 umsatzstärksten Unternehmen Polens melden überraschend gute Ergebnisse für 2020. Auch die Industriekonjunktur 2021 entwickelte sich dynamisch.
04.01.2022
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Trotz der Wirtschaftsflaute 2020, in der das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,5 Prozent sank, erzielten die 500 größten Unternehmen Polens Einnahmen in Höhe von 428 Milliarden Euro. Das entspricht einer Zunahme auf Złoty-Basis von nominal 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Ergebnisse sind jedoch laut Tageszeitung Rzeczpospolita, die das Ranking publizierte, mit den Angaben 2019 kaum vergleichbar. Der Grund dafür: Über 200 Unternehmen der aktuellen Liste waren 2019, oft auf eigenen Wunsch hin, nicht vertreten.
Im Jahr 2021 dürfte das Ergebnis bei einem von der Zentralbank NBP erwarteten Wachstum des BIP von 5,3 Prozent noch besser ausfallen. Auch für 2022 sind die Aussichten mit einem von der NBP prognostizierten Plus von 4,9 Prozent günstig. Dennoch dämpfen Unsicherheiten den Optimismus. Dazu zählen die Frage nach dem weiteren Pandemieverlauf, die wachsende Inflation, Lohnforderungen, die Schwäche des Zloty und gesetzliche Änderungen etwa durch die „Polnische Ordnung“ (Polski Ład), ein kontrovers diskutiertes sozioökonomisches Maßnahmenpaket.
2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
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318 | 342 | 361 | 374 | 428 |
Energiegruppe rückt weiter auf
Zu den drei Spitzenreitern auf der Liste der 500 gehörte 2020 die Energiegruppe PGE Polska Grupa Energetyczna GK S.A. Im Jahr 2019 hatte sie noch den vierten Platz belegt, auf den sie die Polnische Erdölförderung und Gaswirtschaft PGNiG verwies. Sowohl der Erdöl- und -gassektor als auch die Energieerzeugung investierten 2020 kräftig. Gute Umsatzsteigerungen verzeichnete jedoch nur der Energiebereich, während die Rohstoffsparte unter den niedrigen Preisen litt, ein Trend, der sich 2021 umkehrte. Auch Handelsketten profitierten.
Name des Unternehmens, Sitz 3) | Einnah- men 4) | Veränderung | Netto- gewinn | Investi- tionen |
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PKN Orlen S.A. GK, Płock (Erdöl) | 19.397 | -22,5 | 636 | 1.704 |
Jeronimo Martins, Kostrzyn (Handel) | 13.778 | 10,2 | 550 | 303 |
PGE S.A. GK, Warszawa (Energie) | 10.301 | 21,6 | 33 | 1.335 |
PGNiG S.A. GK, Warszawa (Erdgas, -öl) | 8.822 | -6,7 | 1.652 | 1.304 |
PZU S.A. GK, Warszawa (Versicherung) | 7.282 | -8,8 | 569 | k.A. |
Eurocash S.A. GK, Komorniki (Handel) | 5.719 | 2,2 | 15 | 42 |
Cinkciarz.pl Sp.z o.o., Zielona Góra | 5.572 | 31,9 | 2 | 1 |
Lidl Sp.z o.o. Sp.k., Tarnowo Podgórne | 5.372 | 10,0 | 380 | 258 |
KGHM Polska Miedź S.A. GK, Lubin (Kupfer) | 5.319 | 4,0 | 404 | 783 |
Grupa Lotos S.A. GK, Gdańsk (Erdöl) | 4.706 | -29,1 | -258 | 201 |
Tauron Polska Energia S.A., GK, Katowice | 4.584 | 6,6 | -560 | 880 |
Enea S.A. GK, Poznań (Energie) | 4.091 | 15,1 | -503 | 536 |
PKO BP S.A. GK, Warszawa (Sparkassen) | 3.771 | -4,0 | -576 | 311 |
Volkswagen Poznań Sp.z o.o., Poznań | 3.659 | -12,0 | 118 | 129 |
Totalizator Sportowy Sp.z o.o., Warszawa | 3.462 | 55,5 | 43 | 39 |
Volkswagen Group Polska Sp.z o.o., Poznań | 3.406 | -2,3 | 25 | 1 |
ArcelorMittal Poland S.A., Dąbrowa Górnicza | 3.201 | -14,5 | -266 | 75 |
AB S.A. GK, Magnice (Elektronikvertrieb) | 2.943 | 28,1 | 28 | 2 |
PSH Lewiatan GK, Włocławek (Handel) | 2.903 | 4,2 | k.A. | k.A. |
Energa S.A. GK, Gdańsk (Energie) | 2.813 | 8,9 | -100 | 360 |
Die Bedeutung der Unternehmen mit überwiegend ausländischem Kapitalanteil nahm 2020 merklich zu. Sie erwirtschafteten die Hälfte des Gesamtumsatzes (50,6 Prozent), während auf inländische Privatfirmen 31 Prozent entfielen, auf inländische Staatsunternehmen 18,3 Prozent und auf kommunale Betriebe 0,1 Prozent.
Faktisch ist die Bedeutung des Staatssektors laut Rzeczpospolita größer. Einige Unternehmen werden als privat eingestuft, da der Fiskus nur einen Minderheitsanteil an ihnen hält. Dennoch trifft die Regierung strategische Entscheidungen für sie, auch bei der Besetzung von Schlüsselpositionen wie etwa im Falle des Erdölkonzerns PKN Orlen.
Ausländisch | Inländisch/Privat | Staatlich | Gemeinden | |
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2016 | 242 | 211 | 40 | 7 |
2017 | 238 | 213 | 40 | 9 |
2018 | 230 | 224 | 39 | 7 |
2019 | 249 | 211 | 34 | 6 |
2020 | 282 | 177 | 39 | 2 |
Handelssektor stark vertreten
Unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen 2020 gehörten 134 dem Handelssektor an, davon 70 dem Einzelhandel und 64 dem Großhandel. Mit der Produktion von Pkw, Sattelschleppern und Schiffen sowie Teilen dafür befassten sich 67 Gesellschaften, mit der von Nahrungsmitteln 46, mit Finanz- und Informatikdienstleistungen 42, mit der Produktion von chemischen und medizinischen Artikeln 31, mit der von Brennstoffen sowie Energie 30.
Allein auf den Einzelhandel entfielen 2020 rund 22,7 Prozent des Gesamtumsatzes. Er konnte seine Einnahmen um 38,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Besonders erfolgreich waren die Hersteller von Pkw, Sattelschleppern und Schiffen sowie Teilen dafür (+103 Prozent). Stabil blieben die Umsätze des Gesundheits- und Freizeitbereichs sowie der Medien (+0,3 beziehungsweise +0,2 Prozent).
Neben den Großen stützt sich die Wirtschaft auf fast 5 Millionen Mikro-, kleine und mittelständische Unternehmen, die aber nicht alle aktiv sind. Ende September 2021 zählte das Statistische Hauptamt (Główny Urząd Statystyczny, GUS) 17.002 Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten. Davon ordnete es 7.872 dem Industriesektor zu, darunter 6.848 der verarbeitenden Industrie. Allein 1.062 Unternehmen erzeugten Metallprodukte und 1.044 Nahrungsmittel. Zum Großhandel zählten 1.704 und zum Einzelhandel 1.112 Gesellschaften (jeweils ohne Kfz).
Die Umsätze der Industriebetriebe mit mindestens zehn Beschäftigten erholten sich insgesamt nach dem Coronajahr 2020 (real -1 Prozent gegenüber 2019) und lagen in den ersten elf Monaten 2021 real 15 Prozent höher als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Am dynamischsten waren die Produktion von Elektro- und elektronischen sowie optischen Geräten und Computern (+28,6 Prozent), der Bereich Strom, Gas, Wasserdampf und Warmwasser (+27,9 Prozent) und die Metallproduktion (+21,1 Prozent).