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Nahrungsmittelindustrie auf Wachstumskurs
Lebensmittelhersteller in Portugal investieren überdurchschnittlich in Forschung und Entwicklung. Den inländischen Nahrungsmittelbedarf decken auch Importe zu einem wichtigen Teil.
07.02.2024
Von Oliver Idem | Madrid
Die Lebensmittelindustrie in Portugal geht gestärkt aus den Krisen der vergangenen Jahre hervor. Der Fachverband Federação das Indústrias Portuguesas Agro-Alimentares (FIPA) meldet seit 2021 kräftig steigende Umsatzzahlen. Den Herstellern gelang es, nach dem schwierigen Pandemiejahr 2020 schnell wieder durchzustarten. Mit dem Ukrainekrieg folgte 2022 die nächste Herausforderung – hohe Energiepreise und Störungen der Lieferketten. In diesem Umfeld schnellten die Verbraucherpreise 2022 um 8,1 Prozent in die Höhe. Lebensmittel und Getränke verteuerten sich dabei am stärksten. Im Dezember 2023 fiel die Inflationsrate schließlich auf 1,4 Prozent zurück. Mit dem Rückgang reduzieren sich auch die Preiseffekte in den Umsatz- und Außenhandelszahlen.
Zur Lebensmittelindustrie in Portugal zählten laut dem Statistikamt INE 2022 knapp 11.400 Unternehmen. Diese erwirtschafteten eine Bruttowertschöpfung von 3,8 Milliarden Euro und damit 12,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Dachverband Fipa haben sich Unternehmen aus zahlreichen Zweigen der Branche zusammengeschlossen. Die Fachverbände decken beispielsweise Getreideerzeugnisse, Milchprodukte, Speiseöle sowie alkoholfreie und alkoholische Getränke ab.
Die Nahrungsmittelbranche besteht aus einigen großen internationalen Unternehmen und vorwiegend kleineren lokalen Produzenten. Zu den Bekanntesten zählen Coca-Cola, Danone, Iglo, Mondelez und Nestlé. Einen Überblick über die Branche bietet das Internetportal Portugal Foods. An diesem wirken 180 Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit. Das Portal bietet die Möglichkeit, die Mitgliederliste nach Namen und Geschäftsfeldern zu filtern.
Bei Forschung und Innovationen ist die Lebensmittelindustrie in Portugal laut neuesten Zahlen des europäischen Dachverbandes Food Drink Europe überdurchschnittlich aktiv. Im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022 erreichten die privaten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der Branche 0,37 Prozent der gesamten Ausgaben. Der Mittelwert in Europa erreichte gerade einmal 0,22 Prozent.
Mehrere portugiesische Lebensmittelhersteller bewarben sich erfolgreich um Mittel aus dem Förderprogramm Portugal 2020. Allgemein beschäftigt das Thema Nachhaltigkeit die Branche derzeit. Dabei geht es zum Beispiel um den Ressourceneinsatz und umweltfreundliche Verpackungsmaterialien. Zudem bildet die Internationalisierung des Geschäfts einen Schwerpunkt.
Inlandsnachfrage wird überwiegend über Importe gedeckt
Für Portugal spielt der Außenhandel mit Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Die Importe sind deshalb unverzichtbar, weil die inländische Produktion in vielen Bereichen nicht für die Selbstversorgung ausreicht. So ist Portugal bei Milchprodukten, Obst, Fleisch und Getreide auf ergänzende Importe angewiesen. Seit 2021 ziehen die Einfuhren steil an.
Jahr | Importwert | Veränderung |
---|---|---|
2023*) | 10.088 | 11,3 |
2022 | 9.925 | 27,1 |
2021 | 7.811 | 12,0 |
2020 | 6.976 | -7,3 |
2019 | 7.527 | 2,8 |
Wesentliche Exportmärkte auf drei Kontinenten
Während Lebensmittelimporte für den lokalen Markt wichtig sind, weiten portugiesische Hersteller ihr Auslandsgeschäft aus. Die EU ist der zahlenmäßig wichtigster Zielmarkt für die Ausfuhren des Landes. Zudem spielt auf der anderen Seite des Atlantiks der amerikanische Kontinent eine wichtige Rolle. In Afrika ragt Angola als Zielmarkt heraus.
Jahr | Exportwert | Veränderung |
---|---|---|
2023*) | 6.838 | 6,1 |
2022 | 7.040 | 20,8 |
2021 | 5.826 | 15,1 |
2020 | 5.063 | 0,2 |
2019 | 5.051 | 0,8 |
Neben Angola verbindet Portugal auch mit Mosambik sowie Brasilien und einigen kleineren Ländern die gemeinsame Sprache. Damit besteht die Chance, eine wesentlich größere Zielgruppe als auf dem inländischen Markt anzusprechen. Den 10 Millionen Einwohnern in Portugal stehen 28 Mal so viele alleine in Brasilien, Angola und Mosambik gegenüber. Im Jahr 2023 entwickelten sich zum Beispiel die portugiesischen Exporte von Wein nach Angola sehr dynamisch.
Lebensmittel werden in Portugal vor allem in Super- und Hypermärkten gekauft
In Portugal liegt der Anteil der Super- und Hypermärkte an den Lebensmittelumsätzen bei etwa 75 Prozent. Der Rest entfällt auf Fleischereien, Bäckereien und Fischgeschäfte. Verglichen mit anderen EU-Ländern ist der Einzelhandel in Portugal stark konzentriert. Zudem sind Hypermärkte besonders beliebt.
Führend auf dem Markt sind mehrere lokale, spanische, französische und deutsche Supermarktketten. Dazu zählen Sonae mit der Kette Continente und Jerónimo Martins mit Pingo Doce als lokale Schwergewichte. Aus Frankreich sind Auchan und Les Mousquetaires mit den Intermarché-Geschäften zu nennen. Das Nachbarland Spanien ist mit Mercadona und Dia (mit den Minipreço-Märkten) vertreten.
Aldi und Lidl aus Deutschland expandieren in Portugal. Das Beispiel Lidl zeigt die Bedeutung der Einzelhandelsketten für den Außenhandel. Lidl importiert Lebensmittel, exportiert aber auch aus Portugal heraus vor allem nach Deutschland, Spanien und Frankreich. Laut der Unternehmensberatung KPMG umfassten diese Ausfuhren 2022 rund 26.200 Tonnen Obst und Gemüse, 6,9 Millionen Liter Weine und Liköre sowie 22.600 Tonnen Gemüsekonserven und Hülsenfrüchte.
Geringe Einkommen, aber hoher Stellenwert von Lebensmitteln
Mit einem Durchschnittseinkommen von rund 21.600 Euro im Jahr 2022 haben viele portugiesische Haushalte nur wenig finanziellen Spielraum. Trotz dieser begrenzten Möglichkeiten hat für viele Menschen Essen und Trinken einen hohen Stellenwert. Portugiesische Haushalte gaben 2021 laut Food Drink Europe 27 Prozent ihres Budgets für Essen und Trinken aus. Damit lagen sie um 5,5 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt.
Portugal Foods nennt den anhaltenden Kostendruck als eines der wichtigsten Themen auf Verbraucherseite. Zudem sind einfache und nahrhafte Lebensmittel gefragt. Auch Nachhaltigkeit hat hohe Prioritäten, doch fehlt bisweilen das Geld für teurere Produkte. Im weiteren Sinne trägt zur Nachhaltigkeit bei, dass aus Kostengründen weniger Nahrungsmittel weggeworfen werden. Portugal Foods sieht auch den Trend zu mehr Vielfalt an pflanzenbasierten Lebensmitteln mit Verbesserungen bei Geschmack und Textur.