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Pharmamarkt Portugal soll um knapp 2 Prozent pro Jahr wachsen
Medikamente stammen in Portugal meistens aus dem Ausland. Trotz einiger Hindernisse dürften die Arzneimittelverkäufe in den kommenden Jahren zunehmen.
27.09.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Die Arzneimittelnachfrage in Portugal soll in den kommenden Jahren moderat, aber stetig zulegen. Das Marktforschungsunternehmen BMI Research rechnet mit einem Verkaufsvolumen von 5,4 Milliarden Euro im Jahr 2027. Das entspräche einem Plus von 1,8 Prozent im Jahresdurchschnitt ab 2023. Pro Kopf umgerechnet entspricht das im Betrachtungszeitraum einer Zunahme von 494 Euro auf 534 Euro.
Indikator | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2027 |
---|---|---|---|---|---|
Arzneimittelverkäufe | 5.064 | 5.145 | 5.230 | 5.321 | 5.419 |
. patentierte Arzneimittel | 3.586 | 3.633 | 3.684 | 3.740 | 3.801 |
. Generika | 1.051 | 1.075 | 1.098 | 1.122 | 1.147 |
. rezeptfreie Arzneimittel | 426 | 437 | 448 | 459 | 471 |
Rund 90 Prozent der Verkäufe entfallen auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Patentgeschützte Medikamente stehen für 71 Prozent des Gesamtumsatzes und dominieren gegenüber Generika und rezeptfreien Arzneien. Der staatliche Gesundheitsdienst Serviço Nacional de Saúde (SNS) generiert die höchste Nachfrage im Land. Er handelt mit Herstellern den Kauf großer Mengen von Arzneimitteln aus.
Menge der nachgefragten Arzneimittel treibt das Wachstum an
Portugals Volkswirtschaft hat sich vom Einbruch in der Coronakrise schnell erholt. Im europäischen Vergleich steigt die Wirtschaftsleistung weiterhin überdurchschnittlich. Trotz des positiven Gesamttrends sind die Mittel für die Gesundheitsversorgung eher knapp. Das Kostenbewusstsein treibt die Generikanachfrage an. Zwar sinken vielfach deren Preise, aber die Menge treibt den Wert der Verkäufe an.
Ein positiver Trend ist auch bei rezeptfreien Medikamenten zu erwarten. Dieser soll sowohl die exklusiven Verkäufe in Apotheken als auch außerhalb davon erfassen. Rezeptfreie Arzneimittel profitieren auch davon, dass sie in immer mehr Geschäften erhältlich sind.
Grundsätzlich sorgen eine niedrige Geburtenrate und eine hohe Lebenserwartung für eine rasch alternde Bevölkerung. Damit dürften künftig mehr chronische Krankheiten zu behandeln sein.
Portugal gehört zu den Ländern mit den höchsten Diabetesraten innerhalb der EU. Zudem nimmt schon seit der Jahrtausendwende die Verschreibung von Antidepressiva zu.
Kleiner Markt mit langwierigen Zulassungsverfahren
Gleich mehrere Faktoren dämpfen die Wachstumsaussichten. Portugal zählt innerhalb der EU zu den kleineren Arzneimittelmärkten. BMI Research stuft Portugal als bereits eher gesättigten Markt ein. Eine Hürde für Pharmaunternehmen stellt auch die verhältnismäßig lange Dauer bei der Zulassung neuer Arzneien dar.
Die begrenzten Finanzmittel des nationalen Gesundheitsdienstes SNS führen immer wieder zu Liquiditätsproblemen. Diese können auch fällige Zahlungen an Arzneimittelhersteller verzögern.
Um die Versorgung trotz der demografischen Entwicklung bezahlbar zu halten, dreht der Staat an der Preisschraube. Wenn ein wirkstoffgleiches Generikum vorhanden ist, muss dieses im öffentlichen Gesundheitssektor laut BMI Research verschrieben werden. Insbesondere für Hersteller patentgeschützter Medikamente bildet Portugal darum keinen Schwerpunktmarkt. Laut BMI Research haben einige multinationale Pharmaunternehmen ihre Aktivitäten sogar eingeschränkt.
Importabhängigkeit sorgt für hohes Außenhandelsdefizit bei Medikamenten
Für das Jahr 2023 erwartet BMI Research Arzneimittelimporte von knapp 3,7 Milliarden Euro, denen Exporte von circa 1,4 Milliarden Euro gegenüberstehen. Daraus ergibt sich ein Handelsbilanzdefizit von circa 2,3 Milliarden Euro.
Deutschland ist das wichtigste Importland. Weitere EU-Staaten wie Spanien, die Niederlande und Frankreich sind ebenfalls wichtig für die Arzneimittelversorgung.
Parallelexporte können die Außenhandelsstatistik jedoch erheblich verzerren. Händler nutzen das niedrige Preisniveau, um in Portugal erworbene Arzneimittel in Länder mit höheren Preisen weiterzuverkaufen. In der Folge kommt es immer wieder vor, dass bestimmte Präparate in Portugal knapp werden.
Lokale Hersteller fertigen vor allem für den Export
Arzneimittelhersteller in Portugal haben eher Auslandsmärkte als den Inlandsbedarf im Blick. Zu den wichtigen Märkten zählen die USA, verschiedene europäische Länder sowie Angola. Apifarma vertritt als Fachverband 116 Arzneimittelunternehmen in Portugal. Knapp ein Zehntel von ihnen stammt aus Deutschland, unter anderem Boehringer Ingelheim, Dr. Falk Pharma, Grünenthal, Medac und Merck.
Unternehmen | Umsatz 2021 | Veränderung 2021/20 1) | Marktanteil 2) |
---|---|---|---|
Pfizer | 343 | 661,4 | 7,6 |
238 | -2,2 | 5,2 | |
Empifarma | 218 | 10,8 | 4,8 |
Novartis | 206 | -2,6 | 4,5 |
Hikma | 184 | 4,8 | 4,0 |
Sanofi | 150 | -1,7 | 3,3 |
Tecnimede | 138 | 10,2 | 3,0 |
Bayer | 136 | 5,7 | 3,0 |
Roche Farmaceutica | 119 | -7,4 | 2,6 |
Mylan | 116 | -1,8 | 2,6 |
Internationale Pharmaunternehmen importieren zumeist fertige Produkte aus dem Ausland und besitzen keine Werke in Portugal. Dennoch forschen und entwickeln auch Pharmaunternehmen im Lande. Laut den neuesten Angaben von Apifarma für 2021 wurden dafür knapp 121 Millionen Euro vor allem aus Eigenmitteln der Unternehmen aufgewendet. Im Jahr 2022 wurden 152 klinische Versuche genehmigt.
Das Health Cluster Portugal arbeitet dafür, die Forschung und Entwicklung sowie Arzneimittelherstellung im Land zu stärken. Als Pluspunkte gilt das Innovationspotenzial von circa 300 Start-ups im Gesundheitsbereich. Für die medizinische Biotechnologie bestehen günstige Bedingungen im Land. Dazu zählen qualifizierte Fachkräfte und eine intensive Zusammenarbeit von Unternehmen mit Universitäten.
Durch liberale Regelungen soll das Potenzial der medizinischen Nutzung von Cannabis ausgeschöpft werden. Unternehmen benötigen eine Genehmigung dafür. Der Vertrieb ist zulässig, wenn portugiesische Patienten Cannabis verschrieben bekommen. Zudem ist der Export in Länder gestattet, in denen die medizinische Cannabisnutzung ebenfalls erlaubt ist.
Referenzländer bilden den Maßstab für Preisanpassungen
Das Gesundheitsministerium passt jährlich im Frühling die Preise von Medikamenten an. Dabei orientiert es sich an den vier Referenzländern Frankreich, Italien, Spanien und Slowenien. Für die Erstattung von verschreibungspflichtigen Medikamenten existiert eine Positivliste.
Volle Kostenerstattungen existieren nur für einige Gruppen, wie Rentner mit geringen Einkommen. Auch wenn die Preise von Generika und Markenarzneimitteln unterhalb bestimmter Referenzwerte liegen, werden sie vollständig erstattet. Infarmed ist die Zulassungsbehörde für Medikamente und analysiert Kosten und Nutzen, um die Erstattungsfähigkeit festzustellen. Zudem informiert die Behörde in ihrem Internetauftritt über Präparate, die in Portugal verwendet werden.