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Branchen | Portugal | Shared Services Center

Zahl der Dienstleistungszentren nimmt deutlich zu

Portugal gewinnt als Standort für Unternehmensdienstleistungen mehr und mehr an Bedeutung. Auch deutsche Servicezentren sind vor Ort. 

Von Oliver Idem | Madrid

Was die Zahl der Dienstleistungszentren betrifft, gehört Deutschland neben den USA und Frankreich zu den Ländern mit der stärksten Präsenz in Portugal. Die Standorte konzentrieren sich vor allem in den Großräumen Lissabon und Porto. Daneben spielen die Universitätsstädte Aveiro und Braga eine Rolle.

Insgesamt sind in Portugal circa 93.000 Mitarbeiter an rund 270 Standorten in Dienstleistungszentren beschäftigt. Seit 2015 nimmt deren Anzahl im Jahresdurchschnitt um 12 Prozent zu, wie die portugiesische  Wirtschaftsförderungsagentur Agência para o Investimento e Comércio Externo de Portugal (AICEP) 2024 errechnete. Rund zwei Drittel der Servicecenter im Land wurden in den letzten zehn Jahren gegründet. Durch die Dominanz ausländischer Unternehmen nehmen auch die Dienstleistungsexporte zu. 

Von 2015 bis 2023 verdreifachten sich die Exporte von Telekommunikations- und IKT-Leistungen laut dem Statistikamt INE auf 3 Milliarden Euro. Bei Forschung und Entwicklung, Beratung und technischen Diensten summierten sich die Ausfuhren 2023 auf 8 Milliarden Euro und waren damit doppelt so hoch wie 2015.

Deutsche Dienstleistungszentren stark vertreten

Siemens gehört aus deutscher Sicht zu den Pionieren bei Dienstleistungszentren in Portugal. Bereits seit 2005 sind übergreifende Global Business Services des Unternehmens in Lissabon angesiedelt. Mit dem Ausbau der Aufgaben wuchs die Belegschaft über die Jahre auf circa 1.800 Personen an. 

Volkswagen Digital Solutions eröffnet 2024 laut der Wirtschaftszeitung Eco einen neuen Technologiestandort in Porto. Dort sollen Innovationen für die digitale Transformation des gesamten Konzerns entwickelt werden. Zudem ist der Konzernbereich bereits mit drei Büros in Lissabon vertreten.  

Teamviewer investierte nach der Übernahme des portugiesischen Start-ups Hapibot Studio in ein Forschungszentrum in Porto. Mindestens 14 weitere deutsche Unternehmen sind in Portugal vertreten, zumeist aus der Automobil- und Technologiebranche. 

Geschäftsfelder sind vor allem IT, Finanzen und Personalwesen

Dienstleistungsunternehmen bauen ihre Standorte aus, verbreitern ihr Portfolio und übernehmen zunehmend anspruchsvollere Tätigkeiten. Damit sind sowohl mehr Einstellungen von Personal als auch Investitionen in digitale Lösungen verbunden.

Die Betreiber von Servicezentren kommen meist aus der IT-Branche aber auch aus unterschiedlichen Industriezweigen. Typische Geschäftsmodelle sind klassische Shared Service Center, wo Dienstleistungen verschiedener Bereiche in einer zentralen Geschäftseinheit gebündelt werden. Schwerpunkte sind: IT, Finanzen/Buchhaltung und Personalwesen, Kompetenzzentren von Konzernen oder Outsourcing-Dienstleister im Kundenservice oder im Bereich Telemarketing.

Wettbewerb um die besten Köpfe

Der Aufwind für die Dienstleistungszentren bedeutet auch einen zunehmenden Wettbewerb um ähnlich qualifizierte Fachkräfte. Darum setzen manche Zentren durch Kooperationen mit Universitäten früh an, um sich bei spezialisiertem Nachwuchs bekanntzumachen. Soziale Medien gewinnen als Mittel zur Rekrutierung immer mehr an Bedeutung. Daneben werden klassische Wege wie die Beauftragung von Dienstleistern und die Nutzung von Jobportalen eingeschlagen.

Ein Indiz für die Bemühungen, Fachkräfte längerfristig zu binden, sind die vorherrschenden Festanstellungen bei den Servicezentren. Nur selten werden Untervergaben genutzt und Freelancer oder studentische Kräfte beschäftigt.

Viele Business Center nutzen hybride Arbeitsmodelle. Die Arbeit von zuhause ermöglicht es, auch weiter entfernt wohnende Fachkräfte zu rekrutieren. Auf der anderen Seite genießen die Präsenztage zur Stärkung des Teamgeists einen hohen Stellenwert. Zudem sind Zusatzleistungen verbreitet. Besonders beliebte Anreize sind zusätzliche Krankenversicherungen, Weiterbildungen und Boni. Von letzteren profitieren beispielsweise oft Beschäftigte mit deutschen oder italienischen Sprachkenntnissen.

Die Konkurrenz um Talente dürfte in den kommenden Jahren zu weiter steigenden Kosten führen. Nach der Coronakrise legten die Gehälter aufgrund der Inflation wieder stärker zu. Insgesamt rechnen Beschäftigte in Portugal 2024 mit Gehaltszuwächsen.

Das Beratungsunternehmen Pedersen & Partners gibt in einem Überblick über die Branche die Spanne der Einstiegsgehälter mit 15.000 bis 21.000 Euro pro Jahr an. Teamleitungen verdienen demnach 25.000 bis 35.000 Euro. Bei Führungskräften reicht die Bandbreite von 42.000 bis 72.000 Euro.

Portugal punktet mit gut ausgebildeten Arbeitskräften

Trotz der tendenziell steigenden Kosten befindet sich Portugal in einer günstigen Position im internationalen Wettbewerb. Das Beratungsunternehmen IDC ermittelte in seiner Studie "Business Service Centres in Portugal 2022", dass für mehr als zwei Drittel der Servicecenter wettbewerbsfähige Kosten und die Verfügbarkeit lokaler Arbeitskräfte sowie von Sprachtalenten die wichtigsten Gründe für ihre Investitionsentscheidung waren.

Vor allem für international tätige Dienstleistungszentren sind die außerordentlich guten Fremdsprachenkenntnisse in Portugal ein wichtiger Faktor. Dies gilt insbesondere für Englisch, doch sind auch Spanisch, Französisch und Deutsch vertreten. Ein durchschnittlicher Anbieter arbeitet in sechs verschiedenen Sprachen. Beim Anteil der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer an den gesamten Studienabschlüssen liegt Portugal in der europäischen Spitzengruppe. Zudem sind betriebswirtschaftliche und juristische Studiengänge verbreitet.

In Deutschland wird Portugals geografische Lage manchmal als Westrand Europas betrachtet. Das portugiesische Selbstverständnis ist wesentlich anders. Hier geht der Blick über den Atlantik in Richtung Amerika und Afrika. Das macht sich auch bei der internationalen Ausrichtung der Dienstleistungszentren bemerkbar. Dabei kann nahezu im zeitlichen Takt der Zielmärkte gearbeitet werden: Zu den wichtigsten Märkten in Europa, Afrika und Lateinamerika beträgt der Unterschied zwischen den Zeitzonen maximal drei Stunden.

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