Special | Portugal | Beschaffung
Exporte von Kunststoffwaren nehmen seit 2020 sprunghaft zu
Kunststoffteile aus Portugal sind im Ausland gefragt: Allein 2022 wuchsen die Ausfuhren um rund 18 Prozent. Die Lieferungen nach Deutschland legten sogar um 31 Prozent zu.
26.06.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Portugal gewinnt als Beschaffungsmarkt an Bedeutung. Die Auslandsnachfrage war ein wesentlicher Grund dafür, dass die portugiesische Wirtschaftsleistung in der zweiten Jahreshälfte 2022 das Vorkrisenniveau überschreiten konnte.
Zwischen 2012 und 2022 stiegen die Warenexporte des Landes um rund 73 Prozent auf 78,3 Milliarden Euro. Der Ausfuhrwert nahm trotz der Auswirkungen von Weltfinanz- und Coronakrise deutlich zu.
Portugal spielt als Bezugsland insbesondere für die EU-Staaten eine große Rolle. Das Land wickelt rund 60 Prozent seiner Ausfuhren mit EU-Partnern ab. Der Nachbar Spanien sowie Frankreich und Deutschland bilden seit Jahren die wichtigsten Zielmärkte.
Besondere internationale Aufmerksamkeit erlangte Portugal durch den Partnerlandstatus bei der Hannover Messe 2022 - gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Unternehmen an der Diversifizierung ihrer Lieferketten arbeiteten.
Kunststoffe und Formen stehen im Fokus ausländischer Kunden
Bei den Warenbestellungen in Portugal zeigen sich seit 2020 Schwerpunkte. Besondere Dynamik verzeichneten die Bereiche Kunststoffe, Metall und Formenbau. Zu den weiteren besonders gefragten Produkten gehören die Sparten Textilien/Leder/Schuhe sowie Kork und Keramik.
Mit Billigstandorten für die Massenproduktion kann das Land nicht konkurrieren. Portugal positioniert sich stattdessen mit Waren höherer Wertschöpfung und teils spezialisierten, kleinen Mengen.
Paulo Azevedo, stellvertretender Geschäftsführer der AHK Portugal, beobachtet einige grundlegende Trends: "Die Bedeutung von Portugal als Beschaffungsmarkt nimmt zu. Dabei spielen mehrere branchenübergreifende Aspekte eine wichtige Rolle. Sehr entscheidend ist die Sicherheit in zweierlei Hinsicht: einmal bezogen auf Portugal als Land und auf die Lieferkettensicherheit. Portugiesische Unternehmen behaupten sich durch ihre Produktivität und ihr Preis-Leistungs-Verhältnis im internationalen Wettbewerb. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Produktion an Bedeutung und genauso für die Kunden."
Neben der Beschaffung interessieren sich Unternehmen zum Teil auch für die Investitionsbedingungen im Land: "Wir als AHK Portugal erhalten Anfragen von deutschen Unternehmen, die Lieferanten suchen. Manche interessieren sich auch für den Aufbau eines Standorts in Portugal, um von dort Auslandsmärkte zu bedienen", berichtet Azevedo.
Exporte tragen mehr als die Hälfte zum Branchenumsatz bei
Laut dem Fachverband Associação Portuguesa da Indústria de Plásticos (APIP) stehen die Branchenunternehmen für ein Geschäftsvolumen von 8 Milliarden Euro pro Jahr. Der Exportanteil der Kunststoffhersteller liegt bei 53 Prozent. Der Verband fasst die Definition weiter als die SITC-Kategorien 57 und 58.
Kategorie SITC | Bezeichnung | 2020 | 2021 | 2022 |
---|---|---|---|---|
57 | Kunststoffe in Primärformen | 858,8 | 1.270,6 | 1.431,8 |
58 | Kunststoffe in anderen als Primärformen | 1.031,8 | 1.285,7 | 1.589,6 |
Summe | Kunststoffe | 1.890,6 | 2.556,3 | 3.021,5 |
Nach dem Höhepunkt der Pandemie starteten die Ausfuhren 2022 mit einem Plus von 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr wieder kräftig durch. Deutschland stellt mit einem Anteil von 6,5 Prozent an den gesamten Ausfuhren des Jahres 2022 einen mittelgroßen Absatzmarkt dar. Die Dynamik kann sich jedoch sehen lassen. Die Branchenausfuhren nach Deutschland schnellten 2022 um 31,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr in die Höhe.
Kategorie SITC | Bezeichnung | 2020 | 2021 | 2022 |
---|---|---|---|---|
57 | Kunststoffe in Primärformen | 63,3 | 77,4 | 100,2 |
58 | Kunststoffe in anderen als Primärformen | 62,0 | 72,3 | 96,4 |
Summe | Kunststoffe | 125,3 | 149,8 | 196,6 |
APIP gibt die Anzahl der Branchenunternehmen im Land mit 1.150 an. Darunter befinden sich viele kleine Hersteller: Durchschnittlich arbeiten 37 Menschen in jedem Unternehmen.
Stärken im Formen- und Werkzeugbau
Die Produktpalette ist breit gefächert: Wesentliche Warengruppen sind zum Beispiel Fahrzeugteile und andere technische Komponenten sowie Verpackungsmaterialien. APIP-Mitglieder stellen zudem Filme und Folien sowie Rohstoffe für andere Unternehmen her. Rohre und Profile gehören ebenfalls zum Portfolio der Branche. Zudem spielt das Thema Recycling eine wachsende Rolle.
Eine besondere Stärke Portugals ist der spezialisierte Formen- und Werkzeugbau. Die Herstellung von Gussformen für die Produktion von Kunststoff- und Metallteilen verzahnt die Unternehmen des Formenbaus mit diesen Fachzweigen.
Vor allem bei Spezialteilen ist der portugiesische Binnenmarkt eher klein. Darum hat das Auslandsgeschäft für die Hersteller eine hohe Bedeutung. Der Austausch mit den Kunden und der internationale Wettbewerb fördern wiederum Innovationen.
Portugal ist Teil des Gemeinschaftsprojekts AHK Industrial Suppliers Forum. Im März 2023 waren in dem Lieferantenverzeichnis insgesamt 43 Unternehmen verschiedener Fachzweige aus dem Land registriert.
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Beschaffungsrisiken und Beschaffungsvorteile
Zu den Risiken der Beschaffung in Portugal kann bei einzelnen Unternehmen eine zeitweise hohe Auslastung gehören, sodass kurzfristig keine neuen Aufträge angenommen werden können. Manchmal verhindert die Knappheit von Fachkräften, dass Unternehmen ihre Produktionskapazitäten schnell ausweiten können.
Zudem stellt das Thema Verschuldung ein potenzielles Risiko dar. Manche Unternehmen verfügen nur über eine dünne Kapitaldecke und Banken sind bei der Kreditvergabe vorsichtig. Das steigende Zinsniveau kann derartige Schwierigkeiten verschärfen.
Portugal ist allgemein gut positioniert als Beschaffungsmarkt. In einer Nearshoring-Studie zu ausgewählten Ländern bewertete die Immobilienberatung Savills 2022 sowohl die Arbeitskosten als auch Nachhaltigkeitskriterien besonders positiv. Als Nearshoring-Standort für die Beschaffung belegte Portugal Rang 2 unter 54 betrachteten Ländern.
Aus deutscher Sicht bringt es Vorteile mit sich, dass Portugal ebenfalls der EU, der Eurozone und der Zollunion angehört. Im gesamten Land inklusive der Inselregionen Azoren und Madeira kommen die EU-Vorschriften für Zoll, Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuer zur Anwendung.
Die Transport- und Logistikinfrastruktur Portugals konnte in der Coronakrise ihre Robustheit unter Beweis stellen. Die Schienen- und Straßenanbindungen an das einzige direkte Nachbarland Spanien stehen durch mehrere Gemeinschaftsprojekte in den kommenden Jahren vor dem Ausbau. Portugal verfügt über fünf größere Häfen, die sowohl Frachtgüter umschlagen als auch Passagiere abfertigen können. Von besonderer Bedeutung ist Sines am Atlantik als einziger Tiefwasserhafen. Dieser verfügt über das größte Containerterminal und eine Schienenanbindung. Bislang spielt der Hafen für Öl- und Gasimporte eine wichtige Rolle und soll das künftig für den Export von grünem Wasserstoff tun. |
Bezeichnung | Anmerkung |
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AHK Portugal (Deutsch-Portugiesische Industrie- und Handelskammer) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Associação Portuguesa da Indústria de Plásticos (APIP) | Verband der Kunststoffindustrie |
Associação Nacional da Indústria de Moldes (Cefamol) | Fachverband für Formenbau |
Cluster für Maschinen- und Werkzeugbau | |
Lieferantenverzeichnis der Wirtschaftsförderungsgesellschaft AICEP | |
Vernetzungsinitiative der AHK Portugal | |
Plattform für die Lieferantensuche, im März 2023 mit 43 Unternehmen aus Portugal |