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Wirtschaftsausblick | Saudi-Arabien

Nichtölwirtschaft und Gigaprojekte sind Hoffnungsträger

In Saudi-Arabien lassen Kürzungen der Ölproduktion die Exporteinnahmen einbrechen. Der Ausbau der Nichtölwirtschaft eröffnet deutschen Unternehmen aber gute Geschäftschancen.

Von Robert Espey | Dubai

Top-Thema: Gigaprojekte mit Fragezeichen

Mit der Ankündigung immer neuer spektakulärer Großprojekte hat Saudi-Arabien ein wesentliches Ziel bereits erreicht. Weltweit wird über das Königreich gesprochen. Zweifel am Sinn, der Machbarkeit oder dem Zeitplan der Projekte haben nicht geschadet. Selbst wenn nur ein Bruchteil der Vorhaben im Gesamtwert von 1 Billion bis 2 Billionen US-Dollar (US$) realisiert wird, eröffnen sich ausländischen Unternehmen interessante Geschäftschancen.

Die Datenbank MEED Projects beziffert das Volumen der seit 2018 bis November 2023 vergebenen Aufträge für Gigaprojekte auf 61 Milliarden US$. Im Februar 2024 waren es schon 80 Milliarden US$. Bis Ende 2024 könnte der Wert auf deutlich über 100 Milliarden US$ ansteigen.

Das Tempo der Vertragsvergabe dürfte sich künftig aber spürbar verringern, wenn die erhoffte massive Beteiligung privater Investoren ausbleibt. Den Großteil der Gigaprojekte finanzieren bislang der saudi-arabische Staatsfonds, der Public Investment Fund (PIF) und andere staatliche oder staatlich kontrollierte Institutionen und Unternehmen.

Zur laufenden Finanzierung des größten Gigaprojekts, der Entwicklungszone NEOM, hat PIF bereits mehrere Kredite aufgenommen. Zuletzt eröffnete im April 2024 ein Konsortium aus lokalen Banken eine Kreditlinie von 2,7 Milliarden US$ zur Deckung kurzfristiger Verbindlichkeiten. Im Mai 2023 sicherte sich der Staatsfonds eine Finanzierung von 8,4 Milliarden US$ für das grüne Wasserstoffprojekt in NEOM.

Ein Bericht des US-Wirtschaftsnachrichtendienstes Bloomberg im April 2024 löste eine Diskussion über die Zukunft des größten Vorhabens in NEOM, der futuristischen Stadt "The Line", aus. Die Vision: ein 170 Kilometer langer, 500 Meter hoher und 200 Meter breiter Gebäudekomplex, in dem 9 Millionen Einwohner leben können. Bis 2030 sollen sich dort 1,5 Millionen Menschen ansiedeln. Laut Bloomberg soll das Projekt aber deutlich kleiner ausfallen, da die Planer bis 2030 nur noch mit 300.000 Einwohnern und einer Gesamtlänge von 2,4 Kilometern kalkulieren.

Der saudi-arabische Wirtschaftsminister Faisal Al Ibrahim sagte dagegen, alle Projekte liefen auf Hochtouren. An den Planzielen werde festgehalten. Zugleich erklärte er jedoch, die Projekte würden unter Berücksichtigung einer optimalen wirtschaftlichen Wirkung umgesetzt. Eine Überhitzung der Wirtschaft müsse vermieden werden. Beobachter interpretieren dieses Statement als Hinweis auf eine zeitliche Streckung der Projekte. Der Bau von NEOM soll 2050 abgeschlossen sein. 

Wirtschaftsentwicklung: Ölsektor ist erneut Wachstumsbremse

Nach einer Rezession im Vorjahr wird die Konjunktur nach aktuellen Prognosen im Jahr 2024 wieder anziehen, allerdings mit einem geschätzten Wachstum von rund 2 Prozent auf einem eher verhaltenen Niveau.

Nach vorläufigen Berechnungen des saudi-arabischen Statistikamtes schrumpfte das BIP 2023 um real 0,8 Prozent, obwohl die private Nichtölwirtschaft um 4,3 Prozent wuchs. Vor allem die Drosselung der Ölförderung verursachte das Minus. Der Ölsektor ging um 9 Prozent zurück.

Die Drosselung der Ölförderung auf 9 Millionen Barrel pro Tag soll mindestens bis Juni 2024 andauern. Dadurch schrumpft das BIP im 1. Halbjahr 2024 weiter. Durchschnittlich 10,3 Millionen Barrel pro Tag wurden im 1. Halbjahr 2023 produziert. Im 1. Quartal 2024 ging das BIP im Vergleich zur Vorjahresperiode um 1,8 Prozent zurück. Der Ölsektor wies ein Minus von 10,6 Prozent aus, die Nichtölwirtschaft ein Plus von 2,8 Prozent.

Im 2. Halbjahr 2024 dürfte die Ölproduktion nicht mehr unter dem Niveau der Vorjahresperiode von 8,9 Millionen Barrel pro Tag liegen. Dass es ab Juli 2024 zu einer deutlichen Ausweitung der Förderung kommt, erscheint derzeit aber eher unwahrscheinlich.

Die zahlreichen staatlichen Großprojekte werden auch 2024 wesentlich zum Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen beitragen. Analysten sind aber darüber uneinig, ob nach einem Plus von real 5,3 Prozent im Jahr 2023 ein beschleunigtes Wachstum möglich ist. Die Prognosen für 2024 bewegen sich zwischen 3 und 6 Prozent.

Die privaten Haushalte werden seit 2021 ihrer traditionellen Rolle als Konjunkturstütze wieder gerecht. Nach vorläufigen Angaben stiegen die Konsumausgaben 2023 um real 5,3 Prozent. Im Jahr 2024 könnte sich dieser positive Trend etwas abschwächen. Die aktuelle Prognose der Weltbank liegt bei 3,3 Prozent.

Die Diversifizierungspolitik der saudi-arabischen Regierung wird zwar zu einer tendenziell sinkenden Abhängigkeit vom Ölsektor führen, jedoch bleibt die Ölförderung mittel- und langfristig der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig. Der Anteil des Ölsektors am realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2023 bei 30 Prozent. 

Deutsche Perspektive: Deutschland als Partner bei der Diversifizierung gefragt

Der Handelsbilanzüberschuss ist 2023 von 240 Milliarden auf 132 Milliarden US$ gesunken. Die geringeren Ölexporte ließen die Gesamtausfuhr um 22 Prozent auf 321 Milliarden US$ schrumpfen. Zugleich stiegen die Importe um 11 Prozent auf 189 Milliarden US$. Hauptlieferanten waren China, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate (vor allem Reexporte über Dubai), Indien und Deutschland.

Die Diversifizierung der saudi-arabischen Wirtschaft eröffnet deutschen Firmen große Kooperationschancen. So ist der deutsche Maschinenbau ein wichtiger Partner beim Ausbau der verarbeitenden Industrie. Die Lieferungen aus Deutschland im Maschinenbau stiegen 2022 um 24 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro und 2023 um weitere 24 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro.

Die deutschen Ausfuhren nach Saudi-Arabien waren 2021 mit 5,6 Milliarden Euro auf den niedrigsten Wert seit 2009 gesunken. Seit 2022 geht es wieder deutlich aufwärts. Die Exporte stiegen 2022 um 20,6 Prozent. Für 2023 wird ein weiterer Zuwachs um 20,9 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro gemeldet. Im 1. Quartal 2024 schrumpften jedoch die Lieferungen um 9 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. Ein Trend für das Gesamtjahr lässt sich daraus jedoch noch nicht ablesen.

GTAI-Informationsangebote zu Saudi-Arabien

Weitere Informationen zu Saudi-Arabien bieten unter anderem unsere Reihen "Wirtschaftsstandort", "Wirtschaftsdaten kompakt" oder "Branche kompakt". Ferner sind auf der GTAI-Länderseite zahlreiche Berichte zum Wirtschaftsumfeld, zu Branchen sowie Rechts- und Zollthemen zu finden.

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