Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Markets International 6/24 I Saudi-Arabien I Architektur

"Deutsche Architekturbüros sollten offener und innovationsfreudiger sein"

Alexander Rieck, Mitbegründer und Codirektor des Laboratory for Visionary Architecture (LAVA) erklärt, warum vielen Architekturbüros aus Deutschland der Markteintritt in Saudi-Arabien schwer fällt. 

Von Lisa Freisewinkel | Riad

 

Alexander Rieck ist Mitbegründer und Co-Direktor des Architekturbüros Laboratory for Visionary Architecture (Lava), das unter anderem am Gigaprojekt Trojena beteiligt ist. Alexander Rieck ist Mitbegründer und Co-Direktor des Architekturbüros Laboratory for Visionary Architecture (Lava), das unter anderem am Gigaprojekt Trojena beteiligt ist. | © Peter Bennett

Herr Dr. Rieck, wie lange ist LAVA in Saudi-Arabien am Markt?

In der Golfregion waren wir zunächst mit ersten großen Projekten in Abu Dhabi und Dubai unterwegs, unter anderem Masdar City. Dann hatten wir 2009 den ersten Kontakt nach Saudi-Arabien. Dort waren wir an einem kleinen, aber recht konkreten Wettbewerb für King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST) beteiligt, zuerst am Masterplan, später auch an der Detailplanung der Gebäude und des Headquarters.

Aktuell sind unsere größten Projekte in NEOM: Trojena und eines dieser Master Assets im Golf von Aqaba.

Würden Sie sagen, dass Saudi-Arabien gerade einen Markt für Architekten bietet, den man sonst weltweit so nirgendwo findet? 

Wenn man sich unsere Projekte in Saudi-Arabien ansieht, sind das eine Reihe von Once-in-a-Lifetime-Projekten. Hier entstehen Projekte, die sind nur jetzt möglich. Sie werden nirgendwo nochmal so gebaut werden. 

Hinzu kommen diese Offenheit, diese Neugier, diese jungen Menschen, die den Zukunftswillen haben, die Auseinandersetzung mit den internationalen Kollegen hier vor Ort, das ist schon eine tolle Umgebung für Architekten.

Für uns ist das Land nicht nur interessant, weil es kommerziell lukrative Projekte gibt, sondern weil wir glauben, dass wir hier eine Architektur weiterentwickeln können, unser Know-how weiterentwickeln können. Ich glaube, dass wir das müssen, um international weiterhin schlagkräftig unterwegs zu sein. 

Auch bei unseren anderen internationalen Projekten z. B. in Asien und Afrika sehen wir eine klare Orientierung der Architektur an den Entwicklungen aus Saudi Arabien. Europäischen Lösungen passen wohl immer weniger zu den zukünftigen Anforderungen in anderen Teilen der Welt.

Von den 100 größten und besten Architekturbüros der Welt sind bestimmt 90 bis 95 gerade hier - nur die deutschen nicht. Das liegt daran, dass die deutschen Büros generell in den letzten zehn bis 15 Jahren nicht sehr stark im Ausland unterwegs waren. 

Denken Sie, dass es auch daran liegen könnte, dass deutsche Architekturbüros zu klein sind, um die Projekte in Saudi-Arabien zu bewältigen?

Vielleicht, aber wir sind auch nicht groß. Der Architekturmarkt verändert sich rapide. Es gibt Riesen-Konglomerate. Da sind Büros wie beispielsweise Forster eigentlich klein. Sie müssen dann mit großen Büros kooperieren. Die deutschen Architekturbüros sind für den globalen Markt generell viel zu klein.

Aber die Größe ist nicht das alleinige Kriterium. Die Deutschen haben hier den Anschluss verloren. Das, was wir machen, wie wir die Leute ausbilden, reicht nicht aus, um auf dem internationalen Architekturmarkt zu bestehen. 

Wenn ich heute jemanden beim saudi-arabischen Public Investment Fund frage „Mit welchem deutschen Büro arbeitet Ihr?“ Dann wird dort ganz schön lange überlegt. Vielleicht fällt ihm Gerber und wir ein. Aber dann ist schon Schluss.

Was macht LAVA anders? Warum ist LAVA in Saudi-Arabien erfolgreich?

Wir haben bei NEOM einmal gefragt, warum sie uns immer wieder für neue Projekte anfragen. Die Antwort: "Ihr seid unsere Problemlöser" - nicht im Sinne von technischen Problemen, sondern von herausfordernden Aufgaben der Architektur. 

Ich denke, dass unser Ansatz uns hier zu Gute kommt: Vision gepaart mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise und einem Verständnis für Innovation und Technologie, Materialien und Klima. 

Welche Bedeutung haben Netzwerke und Partner beim Markteintritt? 

Ich habe in den letzten Jahren mit Mahmoud Bodo Rasch gearbeitet. Er hat mir sehr viel über das Land und die Kultur vermittelt. Ich glaube aber, ausschlaggebend ist nicht mein Netzwerk, sondern dass ich diesem Land gegenüber aufgeschlossen bin, dass wir mit den Menschen gut können, ihnen offen und mit Respekt begegnen.

Wir haben es geschafft, den Namen LAVA hier bekannt zu machen. Unsere Partner können etwas mit LAVA anfangen und deshalb werden wir auch immer wieder angefragt. An diesen Punkt zu kommen, ist für Newcomer nicht einfach. Ich befürchte, dass in vielen Fällen der Zug bereits abgefahren ist, insbesondere bei den großen staatlichen Projekten wie beispielsweise NEOM, Roshn, Red Sea, Amala, Qiddiya oder Al Ula.

Für den Markteintritt ist auch relevant, dass sich die Formalitäten in den letzten Jahren stark verändert haben. So finden Ausschreibungen zum Beispiel eher über Plattformen statt. Sehen Sie das als Problem? 

Das stimmt. Diese angelsächsisch geprägten Bewerbungssysteme schlagen hier voll durch. Da sitzt dann ein Entscheider, der inhaltlich keine Ahnung hat. Er blickt nur auf sein Procurement-System und hakt die einzelnen Punkte ab. Das ist schon ein Problem und man braucht Leute, die damit umgehen können. Ja, es wird bürokratischer, aber es bleibt lösbar.

Sehen Sie weitere Barrieren für deutsche Unternehmen hier vor Ort?

Ja, die Zukunftsunfähigkeit. Was hier entsteht, ist eine Architektur, die irgendwann einmal geschichtlich als saudisches Jahrhundert betrachtet wird. Mut zu mehr Offenheit und Innovation würde der deutschen Architekturszene zweifellos sehr zugute kommen. 

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.