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Markttrends
Die Bauindustrie bleibt Schwedens Sorgenkind. Doch im Wohnungsbau gibt es vermehrt Investitionen. Auch Infrastrukturprojekte könnten für deutsche Unternehmen interessant sein.
30.10.2024
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Die Krise der Bauwirtschaft in Schweden entwickelt sich zunehmend zu einem politischen Thema. In einer Regierungsanfrage im November 2023 wurde darauf hingewiesen, dass in keiner anderen Branche die Wirtschaftskrise so stark zu spüren war wie im Baugewerbe. Die Beschäftigung sei um rund 5 Prozent zurückgegangen. Die Anzahl der Entlassungen hatte im September 2023 ihren Höchststand seit der Finanzkrise 2008 erreicht. Dem Wohnungsbau wurde der stärkste Rückgang seit der Krise in den 1990er Jahren attestiert. Die Auswirkungen auf die schwedische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt seien enorm. Nachdem sich diese Tendenzen auch im Verlauf des Jahres 2024 bestätigt hatten - beispielsweise gab es einen branchenspezifischen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von knapp 60 Prozent in den Monaten Januar bis April 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - wurde am 10. September 2024 ein Austausch der Minister bekanntgegeben.
Wohnungsbaugenehmigungen bleiben weiterhin auf niedrigem Niveau
Trotz der schwierigen Lage und eines noch immer schleppenden Marktes geht Byggföretagen, der schwedische Bauverband, von einer allmählichen Erholung des Marktes aus. Viel Hoffnung setzt die Branche auf die bereits angestoßenen Zinssenkungen durch die Riksbank. Und tatsächlich: Vorläufige Zahlen des nationalen Statistikamts SCB zeigen, dass im 1. Halbjahr 2024 mit dem Bau von rund 16.650 Neubauwohnungen begonnen wurde. Das sind 12 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, in dem der Bau von 14.821 Wohnungen gestartet wurde. In Gebäuden mit ein bis zwei Wohneinheiten wurde der Bau von lediglich 2.500 Wohnungen begonnen, das sind 31 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2023.
Für den Verband Byggföretagen steht fest, dass vor allem die zuletzt straffe Geldpolitik sowie Leitzinserhöhungen den stärksten Rückgang der Wohnungsbauinvestitionen in Schweden seit 1995 verursacht haben. Obwohl sich andere Bereiche des Baumarktes gut entwickelt haben, gingen die Bauinvestitionen 2023 insgesamt um 5,6 Prozent zurück.
ist die Produktion im Baugewerbe seit dem 2. Halbjahr 2023 gesunken.
Unter der Voraussetzung, dass die Weltwirtschaft 2025 wieder ein stabiles Wachstum verzeichnet, kann auch der Bausektor in Schweden Fahrt aufnehmen. Die Ausweitung der Bauinvestitionen wird die negativen Auswirkungen des Rückgangs im Wohnungs- und Hochbau 2024 abfedern. Im nächsten Jahr hingegen werden die Bauinvestitionen, dank der Expansion aller Teilbereiche des Baugewerbes, deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft wachsen.
Kennziffer | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/222) |
---|---|---|---|
Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon | 64,9 | 56,7 | -5,6 |
Wohnungsbau | 29,9 | 21,5 | -22,2 |
Neubauten | 15,4 | 9,0 | -37,1 |
Renovierungen | 10,3 | 9,3 | -2,4 |
Freizeithäuser | 2,1 | 1,6 | -15,1 |
Wirtschaftsbau | 21,3 | 21,7 | 10,0 |
öffentlich | 6,9 | 7,2 | 12,9 |
privat | 14,4 | 14,5 | 8,6 |
Infrastrukturbau | 13,8 | 13,5 | 6,2 |
öffentlich | 6,3 | 6,2 | 4,7 |
privat | 7,4 | 7,4 | 7,5 |
Haushaltsplan sieht Investitionen vor
Grundsätzlich hat Schweden einen massiven Aufhol- und Instandhaltungsbedarf bei seiner Infrastruktur. Als Paradebeispiel der maroden Infrastruktur gilt das Schienennetz, das es im vergangenen Jahr mehrfach in die internationale Presse geschafft hat. Große und für die schwedische Wirtschaft wichtige Industriezweige im Norden des Landes mussten massive Einnahmeverluste hinnehmen, weil der Verkehr auf der wichtigen Erzbahn im Norden zum Erliegen kam und auch während des Betriebs keine ausreichenden Kapazitäten gewährleisten kann. Die Betriebe können also derzeit die Kundennachfrage aufgrund der mangelhaften Infrastruktur nicht bedienen. Darüber hinaus dürfte dies auch auf neue Investoren abschreckend wirken.
Der kürzlich vorgestellte Haushaltsplan für das kommende Jahr sorgt für Hoffnung unter einigen Marktteilnehmern. Insbesondere in den nördlichen Regionen plant der Staat, sich zu engagieren: In den Gemeinden in den Bezirken Norrbotten und Västerbotten soll vor allem der Wohnungsbau gefördert werden. Für den Zeitraum 2025-2028 werden knapp 140 Millionen Euro bereitgestellt. Darüber hinaus werden sowohl die Verteidigungs- als auch die Strafvollzugsdienste erheblich verstärkt, was zu einem steigenden Bedarf an Neubauten und Renovierungen führt. Mit Blick auf die Schieneninfrastruktur beklagt Tågföretagen, die Branchenorganisation der Bahnindustrie, die anvisierte Erhöhung um 20 Prozent im staatlichen Budget als deutlich zu niedrig - weder die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen, noch der steigenden Bedarf an Transportkapazitäten könne hierdurch gedeckt werden.
Zudem hat die Regierung ein neues Investitionshilfeprogramm ausgerufen. Unter dem Namen "Kraftlyftet" werden bis 2035 mehr als 350 Millionen Euro bereitgestellt, die für Investitionen in die Stromerzeugung, Energiespeicherung und -effizienz, Flexibilitätsdienste und andere Hilfsdienste genutzt werden sollen. Auch sollen die Voraussetzungen für mehr fossilfreien Strom geschaffen werden - womit im konkreten Fall Schwedens der Windkraftausbau und die Kernkraft gemeint sind.
Das Licht am Ende des Tunnels
Im Tiefbau dürften sich für deutsche Unternehmen Chancen auftun. Beim aktuell bis 2026 vorgesehenen Bau des Tunnels am West Link (Västlänken) ist das deutsche Unternehmen Wayss & Freitag aktiv und verantwortet den Bau eines zweigleisigen Eisenbahntunnels sowie eines unterirdischen Bahnhofs. Als nächstes Großprojekt dieser Art steht Ostlänken an, also die Ost-Verbindung. Hier soll Schwedens erste Hochgeschwindigkeitstrasse entstehen. Ostlänken ist Schwedens derzeit größte Infrastrukturinvestition, und die Vorarbeiten für den Bau der 160 km langen zweigleisigen Eisenbahnstrecke zwischen Järna und Linköping sind bereits im Gange. Darüber hinaus laufen die Ausschreibungen für die ersten Großaufträge in der Größenordnung von knapp 900 Millionen Euro, die sogenannten Volumenaufträge. Indem weniger, aber größere Aufträge vergeben werden, können bessere Voraussetzungen für einen zeit- und kosteneffizienten Bau geschaffen werden, so Magnus Sjöberg, Programmmanager für die Ostverbindung. Auf der Internetseite des Trafikverkets können anstehenden Ausschreibungen des Projekts, aber auch viele weitere Tender eingesehen werden.
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Projekt Stockholm Wood City | n.n. | geplanter Baustart 2025 | Entwickler: Atrium Ljungberg |
Projekt Norra Fäladen, Lund | n.n. | Anhörungsphase | Bauherr: Kommune Lund |
Projekt Stadsljus, Stockholm | n.n. | geplanter Baustart 2026 | Entwickler: OBOS; Bauunternehmen: Skanska |
Science Village, Lund | n.n. | Baustart 2024, mehrere Etappen | Bauherr: Kommune Lund |
Projekt Magelungens Strand, Stockholm | n.n. | Detailplan soll voraussichtlich im Q4 2024 beschlossen werden | Bauherr: Stadt Stockholm |
Ausbau Krankenhaus Hässleholm, Skåne | geplanter Baustart 2024 | Bauherr: Region Skåne, Bauunternehmen: Skanska | |
Ausbau Hafen, Skellefteå | 99 | Baustart 2024 | Bauunternehmen: Peab |
Neue Schleusen in Vänersborg, Trollhättan und Lilla Edet | 531 | Arbeit am Detailplan; Ausschreibungsstart 2025; geplanter Baustart 2027/28 | Bauherr: Trafikverket |
Södertörn-Querverbindung (E4/E20), Stockholm | 1.375 | geplante Ausschreibung Januar 2025 | Bauherr: Trafikverket |
Erneuerung Malmbanan, Etappe Boden - Harrträsk | >100 | Projektstart Herbst 2024; geplante Ausschreibung 2025; geplanter Baustart 2026 | Bauherr: Trafikverket |