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Wirtschaftsumfeld | Schweden | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Schwedens Bevölkerung ist digitalaffin und gebildet. Aber nicht zuletzt der akute Fachkräftemangel hat die Regierung zu besonderen Maßnahmen verleitet.

Von Judith Illerhaus | Stockholm

Schweden hat, wie viele europäische Länder, mit einem ausgeprägten Fachkräftemangel zu kämpfen. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird in ausgewählten Branchen besonders deutlich: Kürzlich bestätigte Stockholm Business Region, die Wirtschaftsfördergesellschaft der Stadt Stockholm, dass der Fachkräftemangel insbesondere in der Bauindustrie enorm sei. Insgesamt fehlten etwa 40.000 Fachkräfte, um die angestrebten Bauprojekte in der Hauptstadtregion umzusetzen. Bei den Ingenieuren ist der Bedarf am höchsten: Laut nationalem Statistikamt (SCB) werden im Jahr 2035 etwa 12.000 Ingenieure fehlen. An zweiter Stelle folgen die Bauarbeiter. Aber auch bei spezialisierten Berufsgruppen wie Elektrikern, Anlagenmechanikern oder Architekten wird ein konkreter Bedarf bestehen. 

Im Gesundheits- und Sozialdienst sieht es nicht besser aus. Laut Nationalem Amt für Gesundheit und Wohlfahrt geben mehr als 50 Prozent der Kommunen an, dass der Personalmangel im Vergleich zu 2021 unverändert sei oder sich verstärkt habe. Ein zunehmender Mangel bestehe bei (Fach-) Krankenschwestern, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und Psychologen, so die Behörde. 

Maßnahmen der Regierung geraten in die Kritik

Obwohl die Regierung im Haushalt 2025 konkrete Maßnahmen zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte eingeplant hat, befürchtet der größte schwedische Unternehmensverband, Svenskt Näringsliv, durch die neuen Regeln Chaos auf dem Arbeitsmarkt. Bereits vor mehr als einem Jahr hatte die Regierung eine Lohnuntergrenze für zugewanderte Arbeitskräfte eingeführt. Diese sieht mindestens 80 Prozent des Medianlohns vor. Ziel war und ist es, ausschließlich hochqualifizierte Fachkräfte ins Land zu holen. 

Ein neuer Bericht des Unternehmensverbands zeigt jedoch die schwerwiegenden Folgen auf: Danach beeinflusse die Migrationsbehörde zunehmend die Lohnfestsetzung in Unternehmen, was zum einen dem schwedischen Arbeitsmarktmodell widerspreche und für massive Ungleichheiten zwischen einheimischen und ausländischen Arbeitskräften sorge. Traditionell greift der Staat möglichst wenig regulatorisch in den Arbeitsmarkt ein. Zum anderen habe dies den gegenteiligen Effekt und verhindere den Zugang zum schwedischen Arbeitsmarkt für Nicht-Schweden geradezu. Arbeitserlaubnisse würden von der Migrationsbehörde oft verweigert, weil die Höhe eines Gehalts als zu hoch angesehen würde.

Tatsächlich ist seit Einführung der Lohnuntergrenze für ausländische Arbeitskräfte im November 2023 laut Unternehmensverband die Ablehnungsrate bei Anträgen auf Arbeitserlaubnisse stark gestiegen. Dies betrifft besonders das Gastgewerbe und die Reinigungsbranche. Eklatant ist der Rückgang auch bei IT-Architekten und Systementwicklern, Berufsgruppen, die die Regierung vorrangig beabsichtigt anzuwerben. Hier ist die Vergabe von Arbeitserlaubnissen um fast 40 Prozent zurückgegangen. Nun hat die Regierung Ende 2024 eine weitere Erhöhung der Lohnuntergrenze auf umgerechnet rund 3.200 Euro vorgeschlagen, etwa 100 Prozent des Medianlohns.

Mismatch am Arbeitsmarkt besteht weiterhin

Die schwedische Zentralbank Riksbank kommt zu ähnlichen Schlüssen und kritisiert den nach wie vor hohen Mismatch am Arbeitsmarkt, also die fehlende Übereinstimmung vorhandener Qualifikationen der Arbeitslosen zur Deckung der Qualifikationsanforderungen der Arbeitsnachfrage. Zwar hat sich das Matching in den vergangenen Jahren seit der Pandemie etwas erholt; doch die veränderte Zusammensetzung der Arbeitslosen auch aufgrund von vermehrten Flüchtlingsbewegungen aus dem Ausland erschwert den Prozess und die Eingliederung am Arbeitsmarkt. Dies zeigt sich auch in einer über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosenquote von im Ausland geborenen Personen. 

Neben der hohen Arbeitslosenquote von derzeit 9 Prozent verfügt Schweden aber auch über eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsquote von knapp 70 Prozent bei knapp 5,3 Millionen Erwerbstätigen. Dies liegt mitunter auch an der im EU-Durchschnitt deutlich höheren Erwerbstätigkeit unter Frauen. Nach der Beschäftigungsprognose des nationalen Statistikamts SCB wird die Zahl der Erwerbstätigen im Alter von 16-74 Jahren bis zum Jahr 2040 auf 5,7 Millionen Erwerbstätige anwachsen.

Schwedische Bevölkerung hat hohen Bildungsstand

Die schwedischen Ausgaben für Bildung sind nicht nur im weltweiten Vergleich hoch. Die jüngsten verfügbaren Daten der EU-Kommission aus dem Jahr 2021 positionierten Schweden mit einem Anteil von 7,1 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) an erster Stelle, gefolgt von Dänemark mit 6,4 Prozent der öffentlichen Ausgaben für Bildung. Schwedens Schüler sind in der letzten PISA-Studie trotzdem um zwei Plätze auf Platz 18 abgerutscht.

Verstärkter Fokus auf berufliche Bildung

Zudem orientiert sich die Ausbildung bislang zu wenig an den Bedarfen von Industrie, Mittelstand und öffentlichem Sektor. Entsprechend plant die Regierung, die berufsbezogene Ausbildung - auch durch bessere Fachhochschulen - stärker zu fördern und damit Schwedens Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Der Fokus liegt auf den Branchen Technologie und IT, dem Gesundheitswesen, Bau- und Ingenieurwesen und Branchen, die im weitesten Sinne grüne Technologien abbilden und Nachhaltigkeitsaspekte erfüllen. 

Auch hat die Regierung im Frühjahr 2025 eine neue MINT-Strategie vorgestellt, um die Bedarfe in den entsprechenden Branchen gezielt bedienen zu können. Laut Bildungsminister Johan Pehrson spielt dabei die gesamte Bildungskette eine Rolle, von der Vorschule bis zur postgradualen Ausbildung. Konkret sind auch die Ziele, die sich Schweden für die MINT-Fächer setzt: Bis 2035 sollen sich 25 Prozent aller Schüler der gymnasialen Oberstufe für die Wahl eines Bildungswegs dieser Fächer entscheiden. Ebenfalls hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, die Anzahl von Vollzeitstudenten in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengänge in den nächsten zehn Jahren um 10.000 zu erhöhen. 

Schweden im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

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