Wirtschaftsausblick | Schweiz
Flaute bei Handelspartnern dämpft auch das Wachstum der Schweiz
Die Wirtschaftsleistung soll 2025 um 1,3 Prozent zulegen – angetrieben von Exporten, Bauinvestitionen und Konsum. Risiken sind die Auslandsnachfrage und steigende Kosten.
30.12.2024
Von Oliver Idem | Bonn
Top-Thema: Verhandlungen über "Bilaterale III" mit der EU erfolgreich abgeschlossen
Die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU nehmen Gestalt an. Im Dezember 2024 einigten sich beide Seiten auf ein Vertragspaket, das die Regeln der Zusammenarbeit festschreibt. Dieses muss allerdings noch von den EU-Mitgliedsstaaten sowie dem Schweizer Parlament und durch Volksabstimmungen bestätigt werden, um in Kraft treten zu können.
Die Schweiz ist durch Handel, Investitionen und in der Forschung eng mit der EU verbunden, ohne Mitglied der Staatengemeinschaft zu sein. Das neue Vertragspaket gewährt der Schweiz Zugang zum Binnenmarkt der EU. Bei der Personenfreizügigkeit gelten einige Sonderregeln.
Für bestehende bilaterale Verträge zum Binnenmarkt ist eine dynamische Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz vorgesehen. In Konfliktfällen soll ein paritätisch besetztes Schiedsgericht tagen. Beide Seiten einigten sich auch auf neue Abkommen in den Bereichen Strom, Nahrungsmittelsicherheit und Gesundheit.
Außerdem kann die Schweiz an Rahmenprogrammen wie Horizon Europe teilnehmen. Diese sind für die länderübergreifende Forschungszusammenarbeit besonders wichtig.
Wirtschaftsentwicklung: Bauinvestitionen entfalten neue Dynamik
Die Wirtschaftsleistung der Schweiz soll 2025 wie im Vorjahr um real 1,3 Prozent zulegen. Zu den Stützen zählt nach wie vor der private Verbrauch.
Die Bauwirtschaft meldet sich 2025 spürbar zurück. Der Sektor erwartet mehrere Wachstumsimpulse, angeheizt von einer Reihe von Hoch- und Tiefbauprojekten. Diese sollen die Bauinvestitionen um real 2,2 Prozent anziehen lassen, so die schweizerische Konjunkturforschungsstelle KOF.
Großprojekte der Verkehrsinfrastruktur wie der Gotthard-Straßentunnel sorgen für neuen Schwung. Auch in der Energiewirtschaft stehen zahlreiche Vorhaben auf dem Programm. Ein Grund hierfür ist das Gesetz zur Versorgungssicherheit der Stromwirtschaft vom Juni 2024, das auf den Ausbau von Solar- und Wasserkraft abzielt. Auch der Gebäudebau trägt seinen Teil bei: Die zunehmenden Wohnungsbauanträge hellen die Perspektiven auf. Der Trend zu energetischen und nachhaltigen Sanierungen dürfte anhalten. Hinzu kommen Schul- und Krankenhausprojekte.
Dem Investitionsklima dürfte die kraftvolle Zinssenkung vom Dezember 2024 nützen: Vor dem Hintergrund der weiter nachlassenden Inflation halbierte die Schweizerische Nationalbank den Leitzins auf 0,5 Prozent. Der Export (ohne Wertsachen) soll 2025 erheblich an Schwung gewinnen. Zugleich verbessern sinkende Importe die Warenhandelsbilanz.
Einige Risikofaktoren trüben den Ausblick auf das neue Jahr jedoch. Hierzu zählt für die stark internationalisierte Wirtschaft der Schweiz vor allem die Auslandsnachfrage, nicht zuletzt der wichtigen Handelspartner Deutschland und Frankreich. Außerdem treiben die Unternehmen steigende Kosten und der Fachkräftemangel um. Risiken bergen auch die Unsicherheiten in Bezug auf die Weltwirtschaft und eine zunehmende Regulierungsdichte.
Konsum: Bevölkerungszunahme und steigende Haushaltseinkommen sorgen für weiteres Wachstum
Der private Konsum bleibt 2025 eine wichtige Stütze der Konjunktur. Die KOF rechnet für 2025 mit einem erneuten Wachstum des Verbrauchs um real 1,4 Prozent.
Weiterhin gewinnt die Schweiz per Saldo Bevölkerung hinzu. Die Arbeitslosenquote soll zudem auf einem niedrigen Niveau verbleiben. In Kombination mit einer erwarteten Inflationsrate von nurmehr 1 Prozent fällt der Ausblick für den privaten Verbrauch positiv aus: Die Haushalte können mit steigenden Einkommen rechnen, die die schrumpfende Teuerung übertreffen.
Trendwende bei den Ausrüstungsinvestitionen verlangsamt sich
Die Ausrüstungsinvestitionen trotzen den schwierigen Rahmenbedingungen 2025 mit einem voraussichtlichen Wachstum um real 0,3 Prozent. Nach dem geschätzten Rückgang um 2,8 Prozent im Jahr 2024 stellt das zwar eine Trendwende dar. Gemessen an den vorherigen Erwartungen der KOF enttäuscht die Prognose von Mitte Dezember 2024 jedoch.
Exportorientierte Unternehmen investieren bislang vor allem in die Optimierung ihrer Produktion. Mit der jüngsten Leitzinssenkung dürfte sich das Umfeld für Erweiterungsinvestitionen ab 2025 aber schrittweise verbessern.
Der Schweizerischen Nationalbank zufolge sorgen Dienstleistungsunternehmen bereits für eine Belebung, vor allem durch Investitionen in die IT-Infrastruktur. Insgesamt zeigt sich jedoch ein gemischtes Bild. Exportorientierte Unternehmen leiden unter der Kombination aus einer geringen Kapazitätsauslastung und der anhaltenden Aufwertung des Frankens. Zudem identifizieren viele Betriebe ihren zunehmenden Verwaltungsaufwand als einen Negativfaktor.
Deutsche Perspektive: Bilateralem Handel fehlt in den meisten Warengruppen der Schwung
Der Warenhandel zwischen Deutschland und der Schweiz zeigte 2024 wenig Dynamik. Die ersten neun Monate 2024 brachten lediglich bei chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen Zuwächse. Deutschland exportierte wertmäßig betrachtet 4 Prozent mehr, und der schweizerische Export in dieser Gruppe legte um 0,8 Prozent zu. Bei Maschinen, Fahrzeugen, Metallen und Präzisionsinstrumenten sank der Wert des Warenaustauschs hingegen.
Die Einigung beider Länder auf eine Revision des Doppelbesteuerungsabkommens befindet sich auf dem Weg. Den Schwerpunkt des Änderungsprotokolls bildet die Bekämpfung aggressiver Steuervermeidung. Das angestrebte Inkrafttreten zum 1. Januar 2025 konnte jedoch nicht umgesetzt werden.
Zum 1. Januar 2025 sinken aber die Grenzen für steuerfreie Einkäufe schweizerischer Kunden im Ausland. Die Wertfreigrenze für Waren zum privaten Gebrauch oder Geschenke halbiert sich von 300 auf 150 Schweizer Franken. Davon dürfte auch der Einkaufstourismus nach Deutschland betroffen sein. Erste Reaktionen fallen jedoch überwiegend gelassen aus.
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