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Schweiz: Entsendung
Die Entsendung von Mitarbeitenden wird durch das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz ermöglicht. Dort hat die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping große Bedeutung. (Stand 24.02.2025)
Von Karl Martin Fischer, Julia Nadine Warnke, Dr. Achim Kampf | Bonn
Aufenthalt und Meldung
Mitarbeitende eines Unternehmens oder Selbständige mit Sitz in EU- und EFTA-Mitgliedstaaten, die in der Schweiz vorübergehende Dienstleistungen erbringen wollen (zum Beispiel Montage oder Reparatur einer Maschine) dürfen sich bis zu 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr in der Schweiz aufhalten, und zwar ohne eine ausländerrechtliche Bewilligung. Dies gilt sowohl für EU/EFTA-Staatsangehörige als auch für Drittstaatsangehörige, sofern diese seit mindestens 12 Monaten auf dem regulären Arbeitsmarkt eines EU-/EFTA-Staates zugelassen sind. Dabei kann es sich gemäß Art. 5 Abs. 1 des Freizügigkeitsabkommens sowohl um Einzelpersonen (entsandte Arbeitnehmende oder selbstständige Dienstleistungserbringer) als auch um Firmen handeln. Bei einer Entsendung von Arbeitnehmenden gelten die 90 Tage pro entsendende Firma und pro entsandte Person. Für das "Guthaben" der Firma ist es unerheblich, wie viele Mitarbeiter an einem bestimmten Tag entsandt werden, es zählen jeweils die Daten, an denen die Mitarbeitenden in die Schweiz entsandt werden.
Diese Mitarbeitenden müssen sich allerdings spätestens acht Tage vor Arbeitsbeginn anmelden. Keine Meldepflicht besteht, wenn eine Person innerhalb eines Kalenderjahres weniger als acht Tage in der Schweiz erwerbstätig ist. In einigen Branchen (insbesondere Baugewerbe, Hotel- und Gastgewerbe, Reinigungsgewerbe , Sicherheitsgewerbe) gilt diese Ausnahme allerdings nicht, und die Meldepflicht besteht somit ab dem ersten Tag. Die Meldung erfolgt unter diesem Link.
Bei Dienstleistungen, die mehr als 90 Tage im Kalenderjahr dauern, besteht bei der Bewilligungserteilung ein freies Ermessen der zuständigen Behörden, da sie nicht Bestandteil des Freizügigkeitsabkommens sind. Die Bewilligungen sind kontingentiert. Entsprechende Gesuche werden nach nationalem Recht behandelt. Die kantonalen Behörden bewilligen nach freiem Ermessen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Bewilligung.
Weitere Informationen zu dieser Thematik auf dem schweizerischen Entsendungsportal.
Arbeitsbedingungen
Der Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping spielt in der Schweiz eine übergeordnete Rolle. Die entsendende Arbeitgeberin muss also die vor Ort geltenden Regelungen kennen und anwenden. Dies schreibt insbesondere das Entsendegesetz vor. Dort sind Verstöße gegen zwingende Bestimmungen bezüglich Mindestgehalt, Arbeits- und Ruhezeit, Mindesturlaub, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Schutz von Schwangeren, Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen sowie Nichtdiskriminierung, namentlich Gleichbehandlung von Frau und Mann (Artikel 2 Entsendegesetz). Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Regeln sind im Modul "Arbeitsrecht" dieser Textsammlung genannt.
Sozialversicherung
In Anhang II des Freizügigkeitsabkommens findet auf Personen mit EU-Staatsangehörigkeit im Verhältnis zur Schweiz das europäische koordinierende Sozialversicherungsrecht Anwendung, insbesondere die Verordnung (EG) 883/2004, wenngleich mit einigen Änderungen im Detail. Das bedeutet, dass die Regelungen über die Entsendung gemäß Art. 12 für Entsendungen in die Schweiz gelten. Wer also
- in einem deutschen Beschäftigungsverhältnis ist und
- von seiner Arbeitgeberin zur vorübergehenden Arbeitsleistung in die Schweiz entsandt wird und
- dabei nicht einen anderen in die Schweiz entsandten Kollegen ablöst,
- wobei die Entsendung nicht länger als 24 Monate dauern darf,
auf den finden nach wie vor die deutschen Vorschriften zur Sozialversicherung Anwendung. Verwaltungstechnisch wird dies bewirkt durch die Ausstellung eines Formulars A1 durch die gesetzliche Krankenkasse des Mitarbeiters oder, im Falle einer privaten Krankenversicherung, durch die Rentenversicherung.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird im Zweifel Versicherungs- und Beitragspflicht in der schweizerischen Sozialversicherung bestehen.
Auf nicht EU-Staatsangehörige finden andere Regelungen Anwendung, bezüglich Deutschland insbesondere das Sozialversicherungsabkommen Deutschland-Schweiz von 1964 mit nachfolgenden Änderungen. Der dortige Art. 6 sieht ebenfalls im Falle einer Entsendung die Fortgeltung der heimischen Vorschriften im Falle einer Entsendung vor. Allerdings bezieht sich dieses Abkommen nicht auf die Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.
Die europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) gilt auch in der Schweiz, allerdings ebenfalls nicht für Drittstaatsangehörige.
Steuern
Gemäß Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Schweiz gilt für die Besteuerung von Einkommen aus unselbständiger Arbeit (Vergütungen) zunächst das Prinzip des Arbeitsortes: das regelt Absatz 1. Allerdings gibt es in Absatz 2 eine Ausnahme von dieser Regel. Denn Vergütungen, die eine in Deutschland ansässige Person für eine in der Schweiz ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, werden nur in Deutschland besteuert, wenn
- der Mitarbeiter sich insgesamt nicht länger als 183 Tage in der Schweiz während des betreffenden Kalenderjahres aufhält,
- die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in der Schweiz ansässig ist, und
- die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber in der Schweiz hat.