Lohn- und Lohnnebenkosten | Schweiz
Arbeitsmarkt
Der Fachkräftemangel in der Schweiz spitzt sich zu. Die Arbeitslosenquote hat den Corona-Gipfel überwunden und bildet sich derzeit wieder zurück.
10.06.2022
Von Udo Sellhast | Bonn
Vor der Coronapandemie lag die Arbeitslosigkeit in der Schweiz langjährig zwischen 4 Prozent und 5 Prozent. Seit Beginn der Pandemie stieg sie zunächst bis auf 5,8 Prozent im 1. Quartal 2021 an. Im Verlauf des Jahres sank die Quote jedoch kontinuierlich auf 4,4 Prozent im 4. Quartal 2021. Der Abwärtstrend hält weiter an. Die schweizerische Konjunkturforschungsstelle KOF geht in Folge des Krieges in der Ukraine für 2022 und 2023 von einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent pro Jahr aus. Hierbei berücksichtigt sie unter anderem, dass im 2. Halbjahr 2021 fast alle Teile der schweizerischen Wirtschaft neue Stellen geschaffen haben. Gleichzeitig sind jedoch viele Branchen, beispielsweise der Tourismus und das Gastgewerbe, von einem Normalbetrieb wie vor Covid-19 noch weit entfernt.
Bevölkerung (in Mio.) | 8,7 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.) | 5,7 |
Erwerbstätige (in Mio.) | 5,1 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) | 4,8 |
Analphabetenquote (in %, funktionaler Analphabetismus) | rund 14 |
Universitätsabschluss (in %) *) | 30,1 |
Maschinenbau leidet besonders unter Fachkräftemangel
Die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) erwartet einen weiteren Anstieg der Beschäftigung von 1,8 Prozent für 2022 und 0,9 Prozent für 2023. Im Jahr 2022 haben viele Firmen Probleme, für offene Stellen qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Gemäß Umfragen des Schweizer Bundesamtes für Statistik (BFS) stießen im 4. Quartal 2021 rund 47 Prozent aller Firmen des verarbeitenden Sektors auf "Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von qualifiziertem Personal". Besonders betroffen sind der Maschinenbau (69 Prozent) und das verarbeitende Gewerbe sowie Hersteller von Uhren und Informatikprodukten (54 Prozent).
Auch im Dienstleistungssektor, etwa im Gesundheits- und Sozialwesen (50 Prozent) oder bei Informations- und Kommunikationsdienstleistern (46 Prozent) fehlen qualifizierte Fachkräfte. In der Tourismusbranche stoßen dem BFS zufolge ebenfalls 41 Prozent der befragten Unternehmen auf Probleme bei der Anstellung neuer Beschäftigter. Personaldienstleister empfehlen daher Arbeitgebern dringend Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung und Weiterbildung sowie die Einbindung von Randgruppen in den Arbeitsmarkt.
In Teilzeit arbeiten vorwiegend Frauen
Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten lag im 4. Quartal 2021 mit über 1,7 Millionen Erwerbstätigen in etwa auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Der Anteil an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen betrug gemäß der jüngsten schweizerischen Arbeitskräfteerhebung gut 37 Prozent. Diese Arbeitsform ist insbesondere bei Frauen verbreitet. Im Jahr 2021 arbeiteten 59 Prozent von ihnen in Teilzeit. Die Hauptgründe hierfür liegen in der Kinderbetreuung sowie anderen familiären Verpflichtungen. Männer hingegen arbeiten in der Regel nicht verkürzt. Rund 82 Prozent von ihnen gingen 2021 einer Vollzeitbeschäftigung nach.
Sehr wenige Streiks
Streiks oder andere Arbeitskampfmaßnahmen sind in der Schweiz eher unüblich. Entsprechend dem Friedensabkommen von 1937 suchen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen im Falle eines Konflikts die Lösung durch Gespräche. Das Streikrecht ist seit 2000 in der Bundesverfassung verankert, doch in den letzten Jahren kam es lediglich zu kurzen punktuellen Ausständen. Im Jahresdurchschnitt 2011 bis 2020 gab es nach Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung nur einen arbeitskampfbedingten Ausfalltag pro 1.000 Beschäftigte. Im Jahr 2020 war es dem WSI zufolge sogar nur ein halber Tag. Deutschland hingegen lag mit durchschnittlich 18 arbeitskampfbedingt ausgefallenen Arbeitstagen zwischen 2011 und 2020 im europäischen Mittelfeld. Das WSI zählte für Deutschland neun streikbedingte Ausfalltage pro 1.000 Beschäftigte im Jahr 2020.
Neben der Vermittlung durch die öffentlichen Arbeitsämter (Vermittlung von Arbeitslosen) und durch private Personalberater und -firmen (Fach- und Führungskräfte) spielt im Rahmen von Ansiedlungsvorhaben der Personalverleih eine wichtige Rolle. Auftraggeber nutzen dabei die spezifischen Kenntnisse der Zeitarbeitsfirmen über Arbeitsmarkt und Branchenverhältnisse sowie insbesondere deren Kontakte zu Arbeitnehmern, um kurzfristig geeignete Mitarbeiter zu finden und einzusetzen. Mit dem Einsatzbetrieb wird ein Stundenhonorar vereinbart, welches für übliche Tätigkeiten das 1,4- bis Zweifache eines vergleichbaren Stundenlohns beträgt. Dabei ist zu bedenken, dass nur die geleisteten Arbeitsstunden bezahlt werden müssen und alle Lohnnebenkosten damit abgegolten sind.
Das Wirtschaftsministerium veröffentlicht eine elektronische Liste der zugelassenen privaten Personalverleihfirmen und -vermittler. Zu den führenden Dienstleistern in diesem Bereich zählten im 2. Quartal 2020 nach Recherchen von Statista etwa Myitjob, Joker Personal, Universal-Job und Adecco. Dabei wurde das Ranking anhand der Anzahl der ausgeschriebenen Stellen vorgenommen.