Branche kompakt | Slowakei | Abfallwirtschaft
Branchenstruktur
Die Slowakei hat ein leistungsfähiges System zur Abfallbehandlung. Viele ausländische Unternehmen engagieren sich in der Branche. Sie investieren aktiv in neue Recyclinganlagen.
18.04.2024
Von Gerit Schulze | Bratislava
In der Slowakei gibt es rund 60 Mülldeponien, die nach Schätzungen des Umweltministeriums in zwei Jahren ihre Kapazitätsgrenzen erreichen. Besonders im Westen des Landes - in den Bezirken Bratislava, Trnava und Nitra - ist nur noch wenig Platz für die Abfalllagerung. Da zugleich die EU darauf drängt, weniger Hausmüll zu deponieren, müssen Alternativen gefunden werden.
Abfallart | Abfälle insgesamt | Siedlungsabfälle |
---|---|---|
Produktion (in Millionen Tonnen) | 13,19 | 2,60 |
Abfallnutzung (in Prozent), darunter | 61,1 | 58,1 |
Wiederverwertung | 43,8 | 20,5 |
energetische Nutzung | 3,1 | 7,8 |
Kompostierung | 13,3 | 29,1 |
sonstige Nutzung | 0,9 | 0,7 |
Abfallbeseitigung (in Prozent), darunter | 23,5 | 39,4 |
in Deponien | 20,8 | 39,3 |
Verbrennung ohne energetische Nutzung | 0,1 | 0,01 |
sonstige Beseitigung | 2,6 | 0,01 |
Sonstige Müllsammlung (in Prozent) | 15,5 | 2,6 |
Altdeponien müssen versiegelt werden
Bratislava zögerte lange, die europäische Deponierichtlinie 1999/31/EG umzusetzen, um Abfalldeponien im Land stillzulegen und zu sanieren. Konkret geht es um 21 Altdeponien, die zwar nicht mehr in Betrieb sind, jedoch gemäß der Richtlinie endgültig verschlossen werden müssten. Da dies nicht geschah, kündigte die EU-Kommission im Januar 2023 an, die Slowakei vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.
Abfallart | 2021 | 2022 | Veränderung 2022 / 2021 |
---|---|---|---|
Insgesamt, darunter | 12.711 | 13.191 | 3,8 |
Bau- und Abbruchabfälle | 4.322 | 4.601 | 6,5 |
Siedlungsabfälle (kommunale Abfälle) | 2.705 | 2.597 | -4,0 |
Abfälle aus Kläranlagen | 1.605 | 1.651 | 2,9 |
Abfälle, die bei der Wärmegewinnung entstehen | 1.036 | 1.283 | 23,8 |
Abfälle aus der Bearbeitung von Metallen und Kunststoffen | 848 | 809 | -4,6 |
Abfälle der Land- und Forstwirtschaft sowie der Nahrungsmittelindustrie | 547 | 628 | 14,8 |
Abfälle aus der Holz- und Papierindustrie | 604 | 626 | 3,6 |
Verpackungsabfälle | 214 | 223 | 4,2 |
Infrastruktur zur Abfallbehandlung in der Slowakei
- Verbrennungsanlagen für ungefährliche Abfälle: 2 (Gesamtkapazität: 315.000 Tonnen pro Jahr)
- Abfallmitverbrennung in Industriebetrieben wie Zementwerken: 6 Standorte mit Kapazitäten von 530.000 Tonnen pro Jahr
- mechanisch-biologische oder rein mechanische Behandlung: 17 große Anlagen (sie stellen vor allem feste Ersatzbrennstoffe aus Abfall her, Jahreskapazität: 780.000 Tonnen)
- Verarbeitung von biologisch abbaubarem Abfall: 188 Kompostierbetriebe und 51 Biogasanlagen (Gesamtkapazitäten von über 2 Millionen Tonnen pro Jahr decken den Bedarf komplett)
- Verarbeitung von Kunststoffabfällen: 86 Anlagen mit einer Jahreskapazität von über 300.000 Tonnen
- Verarbeitung von Bauschutt: 75 Anlagen mit einer Jahreskapazität von 2,6 Millionen Tonnen
- Verarbeitung von Holzabfällen: 20 Anlagen mit einer Jahreskapazität von 610.000 Tonnen
- Verarbeitung von Metallschrott: 34 Anlagen, die den Bedarf von jährlich 2 Millionen Tonnen nur zu zwei Dritteln decken können
Quelle: Weißbuch zur Abfallwirtschaft der Slowakei, 2023
Das umsatzstärkste Unternehmen der slowakischen Entsorgungswirtschaft, TSR Slovakia, ist im Segment Metallaufbereitung unterwegs. Es gehört zur deutschen Remondis-Gruppe. Mit der dänischen Gruppe Marius Pedersen, der österreichischen Brantner oder der spanischen FCC sind weitere westeuropäische Branchengrößen in der Slowakei aktiv. Auch Unternehmen aus den Nachbarländern Polen und Tschechien engagieren sich in der Entsorgungswirtschaft.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 | Veränderung 2022 / 2021 |
---|---|---|---|
TSR Slovakia | Eisenschrott- und Buntmetallverwertung (Tochtergesellschaft der Remondis Gruppe) | 91,7 | 17,7 |
Marius Pedersen | Abfallsammlung, -verwertung, ökologische Sanierung | 65,8 | 3,9 |
Brantner *) | Sammlung, Entsorgung von Abfällen, Deponiebetrieb, Sortier-, Kompostanlagen | 58,3 | 6,8 |
Kosit *) | Abfallsammlung, -verwertung, Verbrennungsanlage | 51 | 1,9 |
FCC Slovensko *) | Abfallsammlung, -verwertung, -verbrennung, Deponiebetrieb | 42,9 | 1,9 |
KBZ | Eisenschrott- und Buntmetallbearbeitung (Tochtergesellschaft der Železiarne Podbrezová) | 38,3 | 2,1 |
Odvoz a likvidácia odpadu (OLO) | Siedlungsabfälle (Tochtergesellschaft der Stadt Bratislava) | 36,2 | 18 |
General Plastic | Wiederverwertung von PET-Materialien | 31,7 | 31,7 |
AVE SK odpadové hospodárstvo | Abfallsammlung, -verwertung | 15,6 | 5,5 |
MEVA-SK | Abfallbehälter (Tochtergesellschaft der Meva Group) | 10,1 | 33 |
Viele neue Projekte zur Abfallverarbeitung
Das österreichische Entsorgungsunternehmen Brantner kooperiert mit dem slowakischen Gasversorger SPP beim Bau von Biogasanlagen. Gemeinsam wollen sie über das Jointventure CEBZ vorerst vier "Zentren zur energetischen und biologischen Verwertung von Abfällen" errichten und betreiben. Ein erstes Projekt wird in Nové Zámky realisiert, wo jährlich bis zu 60.000 Tonnen organische Haushaltsabfälle zu Biomethan und Kompost verarbeitet werden. Die Technologie für das Pilotprojekt liefern der slowakische Spezialgerätehersteller VÚMZ SK und die norwegische Tomra Sorting.
Außerdem plant die polnische Bioelektra Group Verwertungsanlagen für ungefährliche Abfälle. Für ein erstes Projekt in Horovce im äußersten Osten des Landes hat das Umweltministerium grünes Licht gegeben. Der Abfall soll zunächst mit Autoklav-Technologie sterilisiert und anschließend wiederverwertet werden. Die geplante Verarbeitungskapazität beträgt 100.000 Tonnen pro Jahr bei Investitionskosten von rund 40 Millionen Euro. Eine weitere Anlage könnte in Martin entstehen.
Beim Kunststoffrecycling hat das Unternehmen Eco Verde Recycling große Ambitionen. Es will bei Nitra die landesweit leistungsfähigste Verarbeitungsanlage errichten. Dort könnten jährlich bis zu 12.000 Tonnen Polystyrol, Polyethylen und Polypropylen aus dem Hausmüll gefiltert und zu Granulat verarbeitet werden, berichtete der Fachdienst Odpady-Portal.sk. Die Bauarbeiten beginnen im Frühjahr 2024.
Engpässe bei der Entsorgung von Medikamenten
Die Deponierung von medizinischen und veterinärmedizinischen Abfällen ist verboten, sodass vor allem eine Wärmebehandlung bevorzugt wird. Für die Beseitigung medizinischer Abfälle gibt es in der Slowakei drei Anlagen. Eine betreibt die spanische FCC Group in Kysucké Nové Mesto. Der Standort wurde 2023 modernisiert und stand daher eine Zeit lang still. Außerdem verbrennt der Chemiekonzern Duslo in Šaľa bis zu 90 Tonnen Medikamente pro Jahr. Eine dritte Anlage betreibt das Unternehmen Archív SB in Liptovský Mikuláš. Jährlich fallen in slowakischen Apotheken rund 250 Tonnen Arzneiabfälle an. Zu Jahresbeginn 2024 berichteten slowakische Medien, dass Apotheken und Krankenhäuser abgelaufene Arzneimittel einlagern mussten, weil es keine Entsorgungskapazitäten gibt. Grund sei ein ausgelaufener Vertrag mit einem Spezialunternehmen. Die zuständige staatliche Aufsichtsbehörde ŠÚKL bestimmte im März 2024 per Ausschreibung einen neuen Dienstleister: Detox aus Banská Bystrica.
Hersteller von Textilien stärker in der Pflicht
Bei Alttextilien will die Slowakei ein System der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) einführen. Sie folgt damit den Vorgaben der EU, nach denen Textilhersteller die Kosten für das getrennte Sammeln, Sortieren und Recyceln von Kleidung, Bettwäsche, Schuhen und textilverwandten Materialien übernehmen sollen. Bis zum 31. Dezember 2027 soll das auch für die Entsorgung von Teppichen und Matratzen gelten.
In der Slowakei ist die Einsammlung von Alttextilien noch freiwillig. Ab 1. Januar 2025 wird eine verpflichtende Rücknahme avisiert. Noch ist unklar, ob es einen einheitlichen Durchführer der Herstellerverantwortung geben wird oder konkurrierende Systeme.
Als Monopolist ins Spiel gebracht hat sich bereits die Vereinigung Satex. Sie wurde vom Unternehmen Ekocharita gegründet, das in über 300 Gemeinden des Landes mehr als 1.500 Altkleidercontainer betreibt. Einige Modehändler wie CCC, Reserved und HalfPrice sind laut Webseite schon Mitglied bei Satex. Der Abfallverband ZOP spricht sich allerdings gegen eine Monopollösung bei der Erfassung und Verwertung von Textilprodukten aus. Diese haben einen Anteil von knapp 5 Prozent am Hausmüllaufkommen der Slowakei. Ekocharita sammelt pro Jahr rund 4.000 Tonnen Bekleidung und Textilien ein.
Start-ups mit innovativen Lösungen zur Abfallbeseitigung
Beim Kampf gegen die Müllberge engagieren sich einige slowakische Start-ups. Ihre Technologien könnten auch für deutsche Unternehmen interessant sein. Das Jungunternehmen ecol Trade aus Nitra lässt Lebensmittelreste an Kunststoffverpackungen mit Mückenlarven entfernen und arbeitet dabei mit Kaufland zusammen. Die Firma EcoButt entwickelt Recyclingtechnologien für Zigarettenfilter. Die daraus gewonnenen Fasern kommen im Straßenbau zum Einsatz. Terratico aus Žilina nutzt Kunststoffabfälle zur Beimischung bei der Produktion von Beton und Terrazzo. Das Endprodukt ist bis zu 30 Prozent leichter als konventionelle Baustoffe.